Müntefering, die Vergangenheit und die Zukunft

Die DDR war besser als Nazideutschland. Deshalb darf man auch nicht so streng mit ihr sein. (Gleiches gilt für die UdSSR und Stalin samt Nachfolgern; Lenin war richtig toll.) Und weil man mit der DDR-Vergangenheit nicht so negativ umgehen darf, ist die Linkspartei auch einwandfrei als politischer Partner.

So muss man den Witwer mit dem roten Schal verstehen, wenn man seine Einlassungen liest, wie sie in der Saarbrücker Zeitung stehen, trotz aller Behauptungen des Gegenteils. „Das Verhältnis zur Linkspartei entkrampfen“; wichtig ist, dass auch „die Kinder und Enkelkinder der SED in der Demokratie ankommen können“; es ist falsch die Mitglieder der Linkspartei „für die nächsten 200 Jahre zu exkommunizieren“. Und jetzt kommt’s: „Dies stehe nicht zuletzt in einem Missverhältnis zu dem, was nach 1945 in Deutschland gewesen sei, als etliche Politiker mit umstrittener Nazi-Vergangenheit führende Positionen inne hatten.“

Das ist pure Heuchelei oder grobes Unwissen samt geschichtsfreier Dummheit. Zettel hat bereits einiges dazu geschrieben, was die Fortsetzung der Partei der Diktatur angeht. Es besteht schon noch ein Unterschied, wenn man – was ich persönlich als schlichtweg inakzeptabel finde – Leute wieder in führende Positionen kommen lässt, die als Nazis schon die Gesellschaft „mitgestalteten“, und wenn man eine diktatorische und staatsverbrecherische Partei einfach weiter bestehen lässt, die zudem dann auch noch die alten Kader behält und schützt, damit die fröhlich weiter machen können.

Was Zettel nicht anspricht: Die Wiederbeschäftigung von Nazis in hohen Ämtern ist nicht hinnehmbar gewesen. Das wurde und wird gerade von Linken immer wieder angeführt, um zu beweisen, wie furchtbar, falsch und ungerecht die frühe Bundesrepublik unter Adenauer war. Wenn nicht gar „heimlich faschistisch“. Müntefering würde sich in Rage reden, wenn man ihm sagte, das sei alles gar nicht so schlimm. Die Diener des braunen Unrechtsregimes dürfen nicht – auch und gerade heute – „in der Demokratie ankommen“. Schön und gut.

Aber warum sollen es die roten Socken? Warum soll man die roten Staatsverbrecher besser behandeln?

Gerade die, die sich über den Wiederaufstieg von Nazigrößen in der jungen Bundesrepublik am meisten echauffieren, drücken bei den Stalinisten der DDR ein Auge zu. Wieso? Was ist an denen besser? Reicht es aus die Juden nicht vergast zu haben, um als hinnehmbar und ohne Reue rehabilitierbar zu gelten? Ich kriege Wut, wenn ich erlebe, wie linke Staatsterroriosten harmlos geredet und vernachlässigt wird, statt so mit ihm umzugehen, wie mit rechten Staatsterroristen. Pinochet – Verbrecher, Castro – Held. Nur als ein Beispiel von vielen, das die eklatante Messung mit zweierlei Maß deutlich machen sollte.

Münte ekelt mich!

Noch ein Punkt, durch den deutlich wird, wie sehr der SPD-Chef daneben liegt und heuchelt: „Die Kinder und Enkelkinder der SED müssen in der Demokratie auch ankommen können“, gibt er zu Protokoll. Da hat er recht. Nur sind es nicht die Kinder und Enkel der SED, die er hofiert und mit denen er nur auf Bundesebene nicht zu koalieren bereit ist, sondern es sind die SED-Kader! Die Generation derer, die in dieser Partei noch das Sagen hatten, als die DDR unterging. Und die „Kinder und Enkel“ in der Demokratie ankommen zu lassen kann nicht heißen, dass man die Tätertruppe hofiert und salonfähig macht. Gleichbehandlung würde bedeuten, dass wir heute die NS-Täter auch in Ruhe lassen müssen, weil deren „Kinder und Enkel“ sonst von der Demokratie ausgeschlossen würden. Welche eine Logik! So weit weg von Lafontaine, wie er es gerne hätte, ist Müntefering wirklich nicht.

In der Saarbrücker Zeitung heißt es weiter: Auf Bundesebene schloss der SPD-Chef ein rot-rotes Bündnis erneut „definitiv“ aus. Da seien die Linken vor allem „Sozialromantiker: Die sind ökonomisch ignorant, lehnen die EU ab und nennen deutsche Soldaten in Afghanistan aggressive Krieger“. In den Bundesländern und auf kommunaler Ebene jedoch müsse in der jeweiligen Situation über eine Zusammenarbeit entschieden werden.

Was, bitte, qualifiziert ökonomische Ignoranten dazu, nicht auf Bundes- dafür aber auf Landes- und kommunaler Ebene ihr Unheil anrichten zu dürfen? Ist es etwa auf Landes- und kommunaler Ebene harmloser die Gesellschaft vor die Wand zu fahren?
Dass sie die EU nicht mögen, macht mir die Linke auch nicht sympathischer. Das ist vorgeschoben. Wenn die in Brüssel bestimmen könnten, wären sie sofort EU-Befürworter.
Und Afghanistan? Wenn die linke Agenda nicht gefördert wird, dann hat die Bundeswehr nirgendwo etwas zu suchen. Zur Niederschlagung der Konterrevolution ist sie aber gut geeignet. Pazifismus war bei den Kommunisten immer einseitig und nur auf eigenen Machterhalt gerichtet. Sobald das nicht gegeben ist, wird Militarismus sofort wieder angewendet. So friedlich, wie die DDR es 40 Jahre gemacht hat: Mit Worten, die reine demagogische Propaganda waren und die Werte verhöhnten, die sie angeblich so hoch hielten.

Die SPD fährt die Linie Ypsilanti. Nur, dass sie nicht mehr lügt, wie noch in Hessen. Soll man sich darüber freuen, dass sie nicht mehr so lügen? Vielleicht. Aber besser macht es die Lage nicht. Denn Müntefering und die SPD baggern am linken Rand. Wenn die CDU oder die CSU das am rechten Rand machten, haben die Linken immer den Untergang prophezeit. „Gegenüber“ ist solches Verhalten in Ordnung. Rechte Extremisten sind Unmenschen, eine Gefahr für den Staat und die Gesellschaft. Stimmt. Linke Extremisten sind nicht schlecht, höchstens fehlgeleitet. Hurra, die Welt ist gerettet. Zweierlei Maß ist in Ordnung. Ungleiches Recht für alle, bitte! Münte macht’s auch möglich.

11 Gedanken zu “Müntefering, die Vergangenheit und die Zukunft

  1. das hast du wirklich saugut geschrieben. Besonders die Konkretiesierung, wer denn die „Kinder und Enkelkinder der SED“ sind. Nur eine Ergänzung, die „Kinder und Enkelkinder der SED“ sollten erst einmal Reue zeigen über die Nazigrößen in der DDR. Die tun immer so als ob es im „Sozialparadies“ DDR und insbesondere der SED keine Nazis gegeben hätte und viele Wessis sind so dumm, daß sie die Lügen auch noch glauben. Die „Kinder und Enkelkinder der SED“ haben selbst braunen Dreck am Stecken und zwar einigen.

  2. »»Nur sind es nicht die Kinder und Enkel der SED, die er hofiert und mit denen er nur auf Bundesebene nicht zu koalieren bereit ist, sondern es sind die SPD-Kader!««

    Wirklich die SPD-Kader? Oder eher die SED-Kader – ???

  3. Name NSDAP Andere Parteimitgliedschaften Amt bzw. Ämter
    Wilhelm Adam 1923–1926 ab 1948 NDPD 1950–1952 sächsischer Finanzminister
    Gerhard Beil 1944–1945 ab 1953 SED 1986–1990 Minister für Außenhandel
    Hans Bentzien 1944–1945 ab 1946 SED 1961–1965 Minister für Kultur
    Kurt Blecha 1941–1943 ab 1946 SED 1958–1989 Leiter des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates
    Siegfried Bock 1944-1945 nach 1946 SED Leiter der Abteilung Rechts- und Vertragswesen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
    Siegfried Dallmann 1934–1945, 1934 Gaustudentenführer von Thüringen ab 1946 NDPD 1950 bis 1990 Abgeordneter der Volkskammer; 1967 – 1989 Fraktionsvorsitzender der NDPD;
    Heinz Eichler 1944 1946 SED 1971 Sekretär des Staatsrates der DDR
    Egbert von Frankenberg und Proschlitz 1931–1945, 1932 Eintritt in die SS, Legion Condor 1949 NDPD seit 1957 Militärpolitischer Kommentator des staatlichen Komitees für Rundfunk; 1951 bis 1990 gehörte er dem Hauptausschuss der NDPD an; 1952 Präsident der Sektion Motorrennsport, später bis 1978 des ADMV der DDR
    Wolfgang Heyl 1939–1945 ab 1949 CDU 1976–1989 Mitglied des Präsidiums der Volkskammer
    Heinrich Homann 1933–1945 ab 1948 NDPD 1954-1963 stellvertretender Präsident der Volkskammer, 1960 stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates der DDR
    Gerhard Kegel 1934-1945 ab 1946 SED 1950/51 stellvertretender Chefredakteur „Neues Deutschland“, 1967-1971 Kandidat des ZK der SED,1973-1976 Botschafter beim Sitz der UN in Genf
    Bruno Lietz 1943–1945 später SED 1982–1989 Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft
    Fritz Müller 1938–1945 später SED Abteilungsleiter Kaderfragen im ZK der SED 1960-1990
    Hans Reichelt 1943–1945 ab 1950 DBD 1972 stellvertretender Vorsitzender des DDR-Ministerrates
    Gerhard Schill 1943–1945 nach 1946 SED 1961 Oberbürgermeister der Stadt Dresden
    Werner Schmieder ab 1944 wohl ab 1946 SED Minister für Finanzen der DDR 1980/1981
    Wilhelm Schröder ab 1940 ab 1948 DBD 1952–1953 Minister für Land- und Forstwirtschaft
    Otfried Steger 1944–1945 ab 1947 CDU, ab 1950 SED 1965–1983 Minister für Elektrotechnik und Elektronik
    Horst Stechbarth 1943–1945 ab 1949 Kasernierte Volkspolizei 1976–1989 ZK der SED, 1972 bis 1989 Stellvertretender Minister für Nationale Verteidigung und Chef der Landstreitkräfte der NVA
    Bodo Uhse 1927–1930, auch Bund Oberland ab 1930 KPD, später SED 1950–1954 SED-Volkskammerabgeordneter, 1950–1952 Vorsitzender des Schriftstellerverbandes in der DDR
    Herbert Weiz 1942–1945 ab 1945/46 KPD/SED 1958 ZK der SED, 1967 stellvertretender Vorsitzender des DDR-Ministerrates

  4. Die Intention des Artikels ist durchaus berechtigt.
    Zwei Anmerkungen dazu:

    Als sich Münte vorübergehend aus der Politik zurückgezogen hat haben viele gesagt (gehetzt), dass die Begründung (seine Frau) ja nur vorgeschoben sei. Er ist auch nicht mit dieser Situation hausieren gegangen. Er hat dort menschliche Größe gezeigt. Keiner hat sich bei ihm entschuldigt! Eine Schmäh-Betitelung als „Witwer mit dem roten Schal“ finde ich äußerst unangebracht und den Inhalten nicht dienlich.

    Deine Frage, warum zwischen Landes- und Bundesebene unterschieden wird, ist doch ganz einfach zu beantworten.
    Erinnere dich bitte an die Anfänge der Grünen und deren Einzug in Parlamente auf verschiedenen Ebenen. Für die CDU-CSU-FDP war das der Untergang der Demokratie, weil dort auch einige Ex-K-Kader aktiv waren. Die allgemein bekannten Zwischenschritte erspare ich uns jetzt. Frag bitte die Leute, die z.B. in Hamburg inzwischen mit eben diesen Grünen koalieren, warum sie zwischen kommunaler, Landes- und Bundesebene differenzieren. Die werden sicher eine gute, schlüssige Antwort für dich haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand die Vorzüge von „Jamaika“ auf ein erweitertes Modell mit Dunkelrot-Einschlag erweitert – nur um die verhassten Sozen zu stürzen. Jede Wette. Solche Typen wie Koch* hätten da sicher gute Gründe anzuführen, sich von denen wählen zu lassen, wenn es sein müsste. (Er hatte im Gegensatz zu Y aber nur noch keine Gelegenheit dazu.) Es geht schließlich um Macht.
    (* Wir erinnern uns an die schamlose posthume Ausbeutung von Juden, die er ja brutalst möglich aufgeklärt hat. Ganz großes Kino!)

  5. Tja, die „Anfänge“ der Grünen habe ich nicht mehr mitbearbeitet, aber die hätten gut hineingepasst. Derselbe Mist läuft jetzt mit der SED-Truppe. Die SPD hat da also schon „Tradition“.
    Mit ist wurscht, ob die in Hamburg oder sonstwo jetzt auch unbedingt mit den Grünen koalieren wollen – es gefällt mir nicht. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die SPD mal wieder ein Truppe salonfähig macht; diesmal eine Truppe, die genauso gemieden werden sollte wie die NPD.
    Darüber hinaus ist es Unsinn, Kritik an Müntefering mit dem tatsächlichen oder auch unterstellten Blödsinn von Leuten wie Koch etc. widerlegen zu wollen. Das sind zwei Paar Schuhe, zwar von derselben Marke, aber immerhin. Wenn ich Münte kritisiere, dann schreibe ich über ihn, nicht über von Boist der Koch.

  6. Kommentar von Stefan:

    »»Als sich Münte vorübergehend aus der Politik zurückgezogen hat, haben viele gesagt, dass die Begründung (seine Frau) ja nur vorgeschoben sei. Er ist auch nicht mit dieser Situation hausieren gegangen. Er hat dort menschliche Größe gezeigt. Keiner hat sich bei ihm entschuldigt! Eine Schmäh-Betitelung als “Witwer mit dem roten Schal” finde ich unangebracht …««

    Das stimmt.

  7. Ich widerspreche dir ja gar nicht, wenn du sagst, dass Münte dabei ist, die SED-Combo salonfähig zu machen. Ich wollte ja nur darauf hinweisen, dass auch Andere hinterher mit denen ins Bett gehen werden.
    Und genau die solltest du fragen, was der Unterschied zwischen kommunaler, Landes- oder Bundesebene ist. Die haben mit Sicherheit eine Antwort, die du dir vielleicht anhören würdest. Münte und Co. könnten dir doch sagen, was sie wollen – es würde sowieso in deinem Wutgepolter untergehen. Deshalb mein Vorschlag.
    Die brutalst mögliche Nebelmaschine habe ich angeführt, weil du so extrem auf Y einkloppst.
    Vielleicht solltest du dich auch mal mit den Blockparteien beschäftigen, deren Mitgliedern ein grundsätzlicher Oppositionsgedanke unterstellt wurde – und zack – wurde aus einem Block-CDUler ein legitimer CDUler. Die Annäherung, die Münte gerade übt, hat die CDU bereits intern erfolgreich abgehandelt, ohne dass du dich dazu äußerst. Schade eigentlich.
    Im Übrigen wollte ich die Kritik an Münte nicht widerlegen sondern auf andere Politiker ausweiten.

  8. „Witwer mit dem roten Schal“ war für mich einfach eine Beschreibung. Ohne Wertung. Das sehe ich weiter so. Vielleicht den roten Schal nicht ganz.

  9. @Stefan
    Warum soll ich in diesem Text etwas über Blockflöten oder Wirrköpfe der CDU schreiben? Es ging um Müntefering und seine Genossen und -innen. Wenn ich über Koch etc. schreiben will, dann schreibe ich über die in einem eigenen Eintrag, in dem der Münte nichts verloren hat.

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