Evangelischer Theologe: Du sollst falsch Zeugnis reden gegen die Juden und Israel (1)

In „Deutsches Pfarrerblatt“, Heft 8/2011 schreibt ein offenbar lange schon friedensbewegter Pfarrer Jochen Vollmer (Jahrgang 1939, Doktor der Theologie im Bereich Altes Testament) über den Nahostkonflikt: „Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker“ (Der Israel-Palästina-Konflikt und die Befreiung der Theologie). Alleine der Titel lässt Böses ahnen, aber der Herr Theologe greift wirklich mächtig in die Jauchegrube. Laut Vorspann tut er folgendes: Er „rekonstruiert die Konfliktlage historisch und politisch und plädiert für eine Befreiung der Theologie aus nationalreligiösen Engführungen“. Dabei nimmt er vielleicht Anleihen bei den Vorgehensweisen der „historisch-kritischen Methode“ seiner Theologie, die nun alles andere ist als historisch ist, sondern nur „kritisch“ – in dem Sinne, dass alles negiert wird, was in der Bibel steht, um es nach modern-gutmenschlichem Duktus umzudeuten. Doch kümmern wir uns lieber um den Text, den der Mann da selbst verbrochen hat.
(Meine Fakten sind eine erste Reaktion auf die ungeheure Falschdarstellung dieses Pfarrers; zu Quellen werde ich später kommen.)

Er beginn mit einer falschen Behauptung:

Die übliche Wahrnehmung des Israel-Palästina-Konflikts ist zugunsten von Israel verzerrt und blendet das Unrecht, das der einheimischen palästinensischen Bevölkerung mit der Gründung des Staates Israel geschehen ist, weitgehend aus.

Wo, bitte sollte das der Fall sein? Unsere gesamte Medienlandschaft, unsere „Experten“, überall wird gegen Israel agitiert, auch im Bundestag und in der Bundesregierung finden sich zwar gerne schöne Worte pro Israel, aber wenn es drauf ankommt, verabschieden sie lieber einstimmig Lügen-Erklärungen gegen Israel statt die Terroristen zu verurteilen, wie letztes Jahr im Fall des Murmelschiffs. Wo ist da die Verzerrung zugunsten Israels? Wo wird das „Unrecht, das der einheimischen palästinensischen Bevölkerung“ geschehen ist ausgeblendet? Es wird uns tagtäglich von den Töchtern, Alibijuden, angeblichen Juden und nicht nur rot getünchten Politiker/innen um die Ohren gehauen. Das Gegenteil der Realität zu behaupten, wie es dieser Pfarrer tut, ist eine glatte Lüge, wie sie der FDP-Fallschirmspringer schon benutzte, der sich empörte, man müsse doch wohl mal etwas sagen dürfen, obwohl fast ganz Deutschland genau dasselbe von sich gab. Es ist ein rhetorischer Trick, um sich als Opfer darzustellen, bevor man sich überhaupt geäußert hat und Kritik von vorneherein abprallen zu lassen und Kritiker mundtot zu machen. Funktioniert nicht, Herr Vollmer, Lüge bleibt Lüge.

Der Rest des Absatzes sowie der nächste bereiten dann die „neue Rolle“ der Juden und Araber vor – der Araber als Opfer der Juden wie die Juden die Opfer der Nazis waren:

Unter Christen ist die einseitige Wahrnehmung ein Symptom der Schuldverdrängung christlicher Judenfeindschaft bis hin zum Holocaust. Lutherische Tradition hat das Evangelium von der Rechtfertigung antijudaistisch als Überwindung jüdischer Werkgerechtigkeit interpretiert, das Judentum so verleumdet und theologisch negiert, lange bevor es zur physischen Vernichtung des europäischen Judentums kommen konnte.

»Verdrängen hält die Erlösung auf, Sich erinnern bringt sie näher«1. Die Erinnerung muss ungeteilt sein, sie muss den Opfern und Tätern gelten, den Opfern und Tätern des Holocaust wie den Opfern und Tätern der Gründungsgeschichte Israels wie den Opfern und Tätern seiner Siedlungspolitik seit 1967.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es ist geschickt, so falsch es auch ist, diese Gleichsetzung vorzunehmen. Es entlarvt auch – selbst schon, wenn man nur auf eine winzige Kleinigkeit aufmerksam macht, die nicht stimmt, denn die erste „Siedlung“ wurde 1973 gegründet. Eine „Siedlungspolitik“ gab es selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Kommen wir „zur Vorgeschichte des Konflikts“:

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bezieht sich auf ein Land, auf das Israel und die Palästinenser Anspruch erheben. Palästina ist seit Jahrhunderten von Arabern bewohnt. Wenige Juden lebten dort im Frieden mit ihren arabischen Nachbarn. Seit Ende des 19. Jh. wanderten Juden im Wesentlichen in fünf Alijot in Palästina ein: 1882 nach den Judenpogromen in Russland, 1904 nach Theodor Herzls Tod, 1918 nach dem Ersten Weltkrieg, 1924 überwiegend aus Polen und nach 1933.

So weit, so falsch. Vollmer tut so, als sei das Land voller Araber gewesen, die Juden eine unbedeutende Minderheit und ansonsten herrschte Friede, Freude Eierkuchen – Judenverfolgungen im Nahen Osten werden ja gerne unter den Tisch fallen gelassen. Dass es auch reichlich wenige Araber gab, will heute keiner mehr wissen, so umfangreich auch westliche Reisende über das Land berichteten. Dass die Juden seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Mehrheit der Bevölkerung in Jerusalem stellten – geschenkt, uninteressant, passt nicht ins Bild. Dass infolge der Einwanderung der Juden – besonders zwischen den beiden Weltkriegen – eine massive arabische Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen (besser Bezahlung, bessere Chancen auf Arbeit, nämlich bei den Juden) stattfand, wird geflissentlich ausgelassen.

Als nächstes schlägt Pfr. Vollmer wieder einen ganz großen Bogen:

Die alteingesessene arabische Bevölkerung reagierte mit immer größerem Unmut bis hin zu gewaltsamen Formen des Widerstands auf die jüdischen Einwanderer. Zionisten haben palästinensisches Land in Besitz genommen und geraubt mit dem Ziel, einen jüdischen Staat zu errichten. Palästinensischer Widerstand, auch schlimme Gewaltakte zogen schlimme jüdische Gewaltakte nach sich. Israel stilisierte und stilisiert seine Abwehr gegen den Widerstand der Palästinenser als Kampf gegen den Terrorismus mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Hat der Eindringling und Räuber, der der eingesessenen Bevölkerung das Land nimmt und auf deren gewaltsamen Widerstand stößt, ein Recht auf Selbstverteidigung? Die Vergeltungsschläge Israels gegen palästinensische Gewaltakte waren und sind zumeist unverhältnismäßig, besonders der Gazakrieg Dezember 2008/Januar 2009.

Die Fehldarstellungen gehen massiv weiter: Die „alteingesessene arabische Bevölkerung“, von der er schreibt, die mit „immer größerem Unmut“ reagierte, bestand aus ganz gewissen interessierten Kreisen um Hadsch Amin al-Husseini, nicht aus der Mehrheit der einfachen Bevölkerung. Dieser ging mit Gewalt vor allem erst einmal gegen die Araber vor, die sich mit den Juden verstanden, mit ihnen zusammenarbeiten oder sich zumindest mit ihnen arrangieren wollten. In den 1920-er Jahren wurde jeder arabische Würdenträger oder Clanchef ermordet, aus dem Land getrieben oder sonstwie zum Schweigen gebracht, der nicht der Linie al-Husseinis folgte. Wer das ignoriert, kann nicht anders als die Lügen zu postulieren, die Vollmer hier nachplappert.

Damit hört die Klischeepropaganda aber nicht auf. Natürlich muss der Landraub kommen. Der ist Standard, auch wenn die Zionisten (Juden) nur Land in Besitz nahmen, das sie gegen horrende Bezahlung erwarben – das also rechtlich ihnen gehörte und das Araber aus dem Husseini-Umfeld ihnen dennoch verwehren wollten. Dass diesen Juden auch in erster Linie Land verkauft wurde, das als so nutz- wie wertlos erachtet wurde, wer will das heute noch wissen? Der Neid und Ärger der Großgrundbesitzer kam vor allem auf, als diese dummen Juden die Frechheit besaßen die Ländereien urbar zu machen (oft unter horrenden Verlusten an Menschenleben z.B. durch Malaria) und erfolgreich zu bewirtschaften. Das durfte nicht sein, dass die da Erfolg hatten, Araber beschäftigten, besser bezahlten als die arabischen Herren drumherum und damit ein schlechtes Beispiel durch menschlichen Umgang mit Lohnempfängern gaben. Wo kämen wir denn da hin?

Was die Gewalttaten beider Seiten angeht, bedient sich Pfr. Vollmer ebenfalls wieder des üblichen Klischeedenkens: Die Araber („Palästinenser“ – der Mann weiß offenbar nicht, dass seine Hätschelkinder den Begriff zur damaligen Zeit vehement ablehnten) führten „Widerstand“, bei dem es dummerweise auch zu schlimmen Dingen kam – aber die Juden! Die reagierten (nur) mit schlimmen Gewaltakten, die sind also die wahren Untäter! Mal ganz abgesehen davon, dass die Araber zu Widerstand berechtigt waren, der ihnen gelegentlich etwas aus dem Ruder lief, die Juden aber nun überhaut kein Recht hatten Gewalt gegen wen auch immer anzuwenden. Und so kommt er zu dem unweigerlichen Schluss, dass Israel – und das auch schon damals – sich und seine Abwehr „stilisiert“. Die Widerständler – also die Mörderbanden Husseinis und seiner Genossen – sind keine Terroristen und sind es heute auch noch nicht, denn Israel/die Juden sind Eindringlinge und Räuber, gegen die man sich gefälligst zur Wehr zu setzen hat. Der Bogen bis zur Gegenwart wird beendet mit der Konstatierung der Unverhältnismäßigkeit des Gazakriegs von 2008/2009. Die Unverhältnismäßigkeit von mehreren Tausend Raketen auf israelische Zivilisten entfällt dem Genius der Theologie.

Es folgt die nächste verlogene Gleichsetzung, die sich die Israelhasser – so sehr sie oft behaupten Israelfreunde zu sein – uns einhämmern und die deshalb trotzdem nicht richtiger wird:

Die Palästinenser sind Opfer von Opfern. Der Zionismus ist eine Ideologie von Opfern. Die Gründung eines jüdischen Staates, in dem Juden frei von Anfeindungen ihre Identität leben können, war das Ziel der Mehrzahl der Zionisten lange vor 1933 und dem Holocaust. Das Naziregime mit der industrialisierten Ermordung von 6 Mio. Juden hat das Vorhaben eines Judenstaates in Palästina beschleunigt. Der Staat Israel ist eine Folge des unvorstellbaren Unrechts, das Juden von Deutschen, zumeist getauften Christen in der totalen Verleugnung ihres Christseins angetan wurde. Und die Folge dieses Unrechts an Juden war und ist Unrecht an unschuldigen Palästinensern, denn das Land war bewohnt. Nur wenige Zionisten hatten ein Unrechtsbewusstsein. Sie betonten, dass die Besiedelung Palästinas nur gelingen könne, wenn sie im Einvernehmen mit den Arabern geschehe.

Wir sehen: Die Juden sind die Nazis von heute, denn sie machen die Palästinenser zu Opfern. Die Juden dürften ihren eigenen Staat gar nicht haben, weil schon dieser Staat ein Unrecht an „den Palästinensern“ ist. Dem folgt die nächste Lüge, die von den Zionisten ohne Unrechtsbewusstsein – es war eine Minderheit der Zionisten, die kein Unrechtsbewusstsein hatten, wenn man ihnen das denn unterstellen will. Der berühmte Slogan „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ und andere sowie ignorante Vorgehensweisen wurden zwar auf Kongressen vorgeschlagen, aber von der Mehrheit der Teilnehmer verworfen. Die Zionisten waren sich im Klaren, dass es eine arabische Bevölkerung gab und wollten diese nicht unterbuttern, sondern einbinden. Hadsch Amin und seine Mörderbanden verhinderten das in großen Teilen.

Jetzt fängt er an mit der Bibel bzw. der Thora zu „argumentieren“:

Der Holocaust ist ein wesentliches Merkmal jüdischer Identität nach 1945. Die einen sagen »Nie wieder« und setzen auf Sicherheit um nahezu jeden Preis. Andere sagen, Israel dürfe sich nicht endlos von Hitler beherrschen lassen und müsse mit seiner neu gewonnen Souveränität den Frieden fördern. Sie sind in der Minderheit. Solange der Holocaust die Mehrheit in Israel wesentlich bestimmt, dominiert die Opfermentalität im Selbstverständnis Israels, die das Gebot der Tora »Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken; denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägypten gewesen.« (Ex. 22,20; auch Lev. 19,33f) missachtet

Natürlich soll der Holocaust jetzt nicht mehr gelten. Warum auch, wenn doch der Iran und sein Präsident Ahmadinedschad böswillig falsch übersetzt wird, wenn er „das zionistische Gebilde von der Landkarte wischen“ will. Und es hat ja auch nie Araber, Araberführer und arabische Monarchen oder moderne Pharaonen gegeben, die „die Juden ins Meer treiben“ oder gleich ganz vernichten wollten. Nein, die Juden sind paranoid und das völlig zu Unrecht, nicht wahr? Auch die „Palästinenser“ haben den Juden nie etwas gewollt. Seit schon vor der Staatsgründung gibt es die Bestrebungen diesen Staat zu vernichten und Herr Pfr. Vollmer behauptet trotzdem, dass das Gastgebergebot der Thora von Israel verletzt wird? Will uns Herr Pfr. Vollmer tatsächlich weismachen, dass die Thora den Juden sagt, sie sollen diejenigen, die sie vernichten wollen, darin unterstützen?

Israel steht realen Vernichtungsbemühungen gegenüber, die nichts (mehr) mit dem Holocaust zu tun haben – außer, dass es Stimmen bei den Arabern gibt, die einerseits zwar den Holocaust leugnen, andererseits aber Hitler Vorwürfe machen, er habe das Werk nicht zu Ende gebracht! Das hat nichts mit der Verletzung des von Herrn Pfr. Vollmer angeführten Gebots zu tun.

Als nächstes geht der Theologe zu einer völlig verlogen-verzerrten Darstellung der Ereignisse von 1948 über:

Der Staat Israel basiert auf der UN-Resolution 181 vom 29.11.1947. Den Juden, denen bis dahin weniger als 6% des Mandatsgebiets Palästina gehörten und die ein Drittel der Bevölkerung ausmachten, wurden 56% des Mandatsgebiets zugesprochen. Auf diesem Gebiet lebten Anfang Dezember 1947 eine Million von insgesamt 1,3 Mio. Palästinensern, während die jüdische Gemeinde eine Minderheit von 650.000 stellte.4 Die UN-Teilungsresolution wurde von der palästinensischen Führung und den arabischen Regierungen als ungerecht abgelehnt. Die Ablehnung der Entschließung ermöglichte es der jüdischen Führung unter David Ben Gurion, die Teilungsgrenzen zu missachten und die jüdische Bevölkerungsmehrheit im Land anzustreben. Anfang Dezember begann die Entvölkerung Palästinas mit jüdischen Angriffen auf palästinensische Dörfer und Stadtviertel auch als Vergeltung für gewaltsame palästinensische Proteste. Die Briten legten ihr Mandat am 14.5.1948 nieder, und die Jewish Agency proklamierte die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina. Arabische Truppen marschierten in Palästina ein. Die Teilungsresolution war kein Friedensplan. Sie widersprach der Balfour-Erklärung vom 2.11.1917 mit ihrer Zusage, dass die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina nicht beeinträchtigt werden dürften.

„Den Juden“ „gehörten“ „bis dahin weniger als 6% des Mandatsgebiets Palästina“ – damit will er uns sagen, die restlichen 94% gehörten den Arabern. Was aber völliger Unsinn ist, denn er rechnet privaten (bzw. JNF-) Landbesitz gegen Land auf, das sich zum allergrößten Teil eben NICHT in Privatbesitz befand! Damit ist diese implizite Behauptung kompletter Kokolores, aber es hört sich prima an und lässt die Juden/Israel wieder schön als Verbrecher und Landräuber da stehen. Die Angabe von 56% Prozent des Mandatsgebiets für nur ein Drittel der Bevölkerung ist ebenfalls nicht richtig – und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass 75% des Mandatsgebiets für die jüdische Heimstatt von den Briten 1922 abgetrennt wurden, um daraus einen Kunststaat zu schaffen, der heute Jordanien heißt. Aber es passt ins Schema, das Vollmer von Anfang an zu zimmern versuchte: Die Juden haben auf Kosten der „Ureinwohner“ von der Welt ungerechterweise (ein Drittel bekommt mehr als die Hälfte) zugesprochen bekommen, was ihnen nicht zustand und statt sich damit zufrieden zu geben, haben sie ihre imperialistische Ader angewandt und sich noch weiter ausgedehnt, als es ohnehin schon vorgesehen war.

Dem setzt Herr Pfr. Vollmer allerdings mit seiner Klitterung der Teilungsplan-Folgen noch die Krone auf. „Als ungerecht abgelehnt“ spricht jeder Realität Hohn. Die Araber betrachteten schon die jüdische Präsenz im Mandat als „ungerecht“; sie wollten nicht weniger Land für die Juden und mehr für die Araber (die es immer noch vehement ablehnten sich als Palästinenser bezeichnen zu lassen), sondern sie wollen NULL Land für Juden und ALLES für die Araber!

Dass Israel nach Ende der Kämpfe mehr Fläche hatte also vom Teilungsplan vorgesehen, schreibt der geniale Theologe dem böswilligen Expansionsdrang Ben Gurions und seiner Führungsriege zu. Mit dem Judenvernichtungswillen der Araber hatte das natürlich alles nichts zu tun. Und die vermaledeiten Juden hätten gefälligst Landvermesser mitnehmen sollen, um die Grenzen da zu ziehen, wo der Teilungsplan sie vorsah und sich dann von den Arabern weiter zusammenschießen lassen sollen oder was?

Ganz toll auch die Behauptung der von den Juden ausgehenden Entvölkerung ab Dezember 1948. Das ist eine Umkehrung der Tatsachen, wie sie im Buche steht. „Die Juden haben angefangen“, lässt uns Vollmer wissen; „auch“ (aber nicht nur und damit erst recht boshaft) als Vergeltung (ganz übel) für „gewaltsame palästinensische Proteste“ – heutzutage darf arabischer Terror nicht Terror genannt werden, sondern ist legitimer Widerstand und auf keinen Fall mit Selbstverteidigung zu beantworten und für damals gilt – je länger es her ist, um so mehr – es ganz besonders. Dass die Araber den Krieg unmittelbar nach dem Beschluss in New York anfingen, weiß der Lehrmeister der gefälschten Geschichte nicht, er macht „die Zionisten“ (also Juden) zu den Tätern, die nicht existenten „Palästineser“ zu deren Opfern; der Krieg der Araber begann seiner Diktion nach erst nach der Staatsausrufung. Und wieder darf eins nicht fehlen: Alles, was für die Juden und Israel spricht, wird mit Verfälschungen zu Unrecht erklärt, weil angeblich die Balfour-Erklärung den „Ureinwohnern“ ihre Rechte aberkennt – das Mandat sagte etwas anderes und die Zionisten haben sich dran gehalten. Herrn Vollmer geht das völlig ab, es passt nicht in das Bild, das er haben will.

Krieg und Vertreibung von 1947 bis 1949 waren für die Palästinenser die bisher größte Katastrophe ihrer Geschichte. Sie nennen sie nakba. Nach dem Krieg kontrollierte Israel nicht die ihm zugesprochenen 56, sondern 78% des Mandatsgebiets. Von den 900.000 Palästinensern in diesem Gebiet blieben nur 150.000 zurück. 750.000 Palästinenser ergriffen aus Angst die Flucht oder wurden aus ihren Siedlungen und Häusern gewaltsam vertrieben, über 500 palästinensische Siedlungen, Dörfer und auch Städte wurden zerstört, die Bevölkerungen von Deir Yassin (9.4.1948), Tantura (22.5.), Dawaymeh (28.10.) wurden massakriert. »Das Massaker von Deir Yassin hatte nicht nur seine Berechtigung – ohne den ›Sieg‹ von Deir Yassin hätte es auch niemals einen Staat Israel gegeben.« Der erste Ministerpräsident des am 14.5.1948 gegründeten Staates Israel David Ben Gurion wollte von vornherein einen jüdischen Staat, ein Groß-Israel. Sein Ziel war nicht die Teilung des Landes mit den Palästinensern: »Weshalb sollten die Araber Frieden schließen? Wäre ich ein arabischer Führer, würde ich niemals mit Israel verhandeln. Das ist doch ganz normal: Wir haben ihr Land weggenommen. Natürlich wurde es uns von Gott versprochen, aber warum sollte es sie interessieren? Unser Gott ist nicht der ihre. Wir stammen aus Israel, jedoch ist das 2000 Jahre her; was sollte dies ihnen bedeuten? Es gab den Antisemitismus, die Nazis, Hitler, Auschwitz – aber war das ihre Schuld? Das Einzige, was die sehen ist: Wir kamen her und stahlen ihr Land. Warum sollten die das akzeptieren?«

Weiter geht die Täter-Opfer-Verklärung sowie die böswilligen, geschichtswidrigen Unterstellungen. Das Massaker von Deir Yassin als Gründungsgrundlage, ohne das der Staat Israel nicht hätte entstehen können? Auf welchem dünnen Brett bohrt der Mann? Groß-Israel als Ziel Ben Gurions statt Teilung – Lüge, schlicht und einfach. Nur weil er die gehässige arabische Haltung versteht, heißt es noch lange nicht, dass er das ist, was ihm Vollmer unterstellt. Der nimmt eine Äußerung, die feststellt, dass Ben Gurion weiß, wie die Araber ticken und stellt sich das nicht nur nicht als korrekt Denke der Araber hin, sondern auch noch als üble Haltung Ben Gurions, wie der nächste Absatz zeigt. Ben Gurion weiß, was die Araber denken, also ist das, was sie denken, richtig und ein Eingeständnis der Boshaftigkeit der Juden:

Allein dieses Zitat Ben Gurions widerspricht dem offiziellen israelischen Narrativ, wonach die Gründungsgeschichte Israels im Wesentlichen ohne große Opfer der Palästinenser erfolgt sei und die Palästinenser freiwillig das Land verlassen hätten. Ben Gurion räumt ein, dass die Zionisten (»wir«) den Arabern ihr Land weggenommen haben, dass das Leid, das Israel widerfahren ist, den Arabern nicht als Schuld angelastet werden kann. Der religiöse Anspruch Ben Gurions macht eine Verständigung mit den Arabern unmöglich: »Natürlich wurde es (ihr Land, J.V.) uns von Gott versprochen, aber warum sollte es sie interessieren? Unser Gott ist nicht der ihre.« Das Land ist nicht verhandelbar, weil es »natürlich« Israel von Gott versprochen worden und weil der Gott Israels nicht der Gott der Araber sei. Dass Israel den Arabern das Land geraubt hat, wird mit der biblischen Landverheißung und der Inanspruchnahme des Gottes Israels gegen den Gott der Araber legitimiert. Es sind zwei Hindernisse, die dem Frieden zwischen Israel und den Palästinensern im Wege stehen: die Verdrängung der historischen Wahrheit und der religiöse Anspruch Israels auf das Land.

Dabei dreht er noch schnell die Argumentationen um: Ben Gurion hat religiöse Ansprüche? Und die Araber? Was ist mit den religiösen Ansprüchen, die die stellen? Was ist mit deren Völkermord-Ambitionen, die damals ganz klar geäußert wurden? Herr Vollmer deutet immer an, dass die „Palästinenser“ hin und wieder mal was falsch machten – an den Juden lässt er wahrheitswidrig kein einziges gutes Haar. Und natürlich sind nur jüdische Ansprüche und jüdisches angebliches Verdrängen das Problem.

(so weit zur von Vollmer zusammengeschusterten „Vorgeschichte“ des Konflikts; weiter geht es im nächsten Eintrag mit dem „Dilemma des Staates Israel“)

Teil 2Teil 3
Mehr Müll vom deutschen Pfarrerblatt
Der Pfarrerverband bezieht (keine) Stellung

28 Gedanken zu “Evangelischer Theologe: Du sollst falsch Zeugnis reden gegen die Juden und Israel (1)

  1. Gut, dass Du das Pamphlet des antisemitischen Christen so ausführlich kommentiert hast.
    Ich habe an den Pfarrerverband eine Mail geschrieben und gegen das „Schreiben“ protestiert und eine Distanzierung von den Äußerungen Vollmers verlangt.

    Sollte in der Lutherdekade der alte antisemitische Luthergeist wiederbelebt werden?
    Man fasst es nlicht, was sich evangelische Christen so einfallen lassen. Ich bin vollkommen entsetzt und zutiefst verstört. Wäre ich Mitglied einer Landeskirche, würde ich jetzt austreten!

  2. Danke für diese Besprechung. Kannst Du mir ein gutes Buch über die neuere Geschichte Israels empfehlen, also die Jahre der Einwanderung (Osmanisches Reich/britisches Mandat) vor der Staatsgründung bis heute? Oder annähernd bis heute. Das wäre sehr nett, danke!

    • In denen, die ich selbst gelesen habe, findet sich sehr wenig über die Zeit vor den 1920-ern; das Beste, was ich dazu kenne ist
      – Joan Peters: From Time Immemorial (Bevölkerungsbewegungen in „Palästina“; in Englisch)
      Für die Zeit der Staatsgründung bis heute ist besonders empfehlenswert:
      – Yaacov Lozowick: Israels Existenzkampf (der deutsche Titel ist blöde, aber was soll’s); gibt’s bei der Bundeszentrale für politische Bildung für €4,-

      Die Jewish Virtual Library hat einen deutschen Teil, Mitchell Bards „Behauptungen und Tatsachen“; da muss man sich allerdings die Sachen etwas zusammenstückeln, weil dort nicht chronologisch geschrieben ist, sondern falsche Behauptungen aufgegriffen und bearbeitet wurden.

      Mit Ausnahme der völligen Auslassung des Tuns und Treibens von Hadsch Amin al-Husseini vor 1937 ist auch der Wikipedia-Eintrag zu „Zionismus“ erstaunlich brauchbar:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Zionismus

      • Das ist das, was ich schrieb – 4 Euro ist ein super Preis, allerdings nochmal €4,50 Versandkosten dazu; das ist immer noch weniger als im Buchhandel. Ich bestelle davon immer gleich 4 oder 5 Stück und verschenke sie.

        • Komisch, dass ich da immer Versandkosten hatte. 🙂
          Wirklich, die haben €4,60 Versandkosten (nicht mehr 4,50), klick mal auf „bestellen“ und mach dann weiter, dann siehst du’s – Versandkostenpauschale bis 20kg.
          Das Buch kostet jetzt €4,50, nicht mehr €4,00.
          (Hab‘ gerade nochmal 4 Stück bestellt.)

          • In der Tat komisch. Ich habe einen Testkauf gemacht und die Summe am Ende war 4.50 Euro und Versandkosten null Euro.

  3. Es ist das Problem der Kirchen – eine immer größer werdende gottlose Pfarrerschaft. Siehe auch glauben bewahren Nr.31 ( Die Lügner vom kirchlichen Dienst ) Mir hat vor einigen Jahren Kardinal Reinhard Marx einmal gesagt : Wer den Zeitgeist heiratet, ist bald Witwer !! Ich bin evangelisch und bin entsetzt über die bibelfernen Pastoren. Was erwarten wir noch von solchen Seelenmördern ??Wer wird denen ihr Gehalt zahlen, wenn keine Mitglieder mehr in der Kirche sind. Es ist geistlicher Müll, der Sonntags unsere Ohren verschmutzt.
    Martin Fiedler Bad Salzuflen

  4. Auch ich bin empört über diesen antisemitischen Artikel dieses evangel. Pfarrers. Hatte ihn bereits auf achgut.de gelesen. Die Gefahr der falschen Meinungsbildung sehe ich besonders darin, dass die Gläubigen sagen: Wenn es der Herr Pfarrer sagt, wird das schon stimmen …!
    Ganz übel. Wäre ich evangel. Christ, würde ich sofort aus der Kirche austreten.
    Danke für den link für eine Erwiderung.
    Ein gutes Buch ist auch:
    Mordecai Naor: ERETZ ISRAEL / Das Zwanzigste Jahrhundert
    Könemann Verlagsgesellschaft mbH, Bonner Str. 126, 50968 Köln
    ISBN 3-89508-594-4
    Dieses umfassende Werk widmet sich in Wort und Bild der Geschichte Israels. Detailliert wird den herausragenden Ereignissen das 20. Jahrhunderts nachgespürt. Das Buch behandelt fast zehn Jahrzehnte bis 1997 und zwar ab 1900 immer 10 jahresweise.
    Ich bezog es vor Jahren über http://www.Zweitausendeins.de. Habe heute nachgesehen, dieses dicke Buch gibt es dort leider nicht mehr. Vielleicht beim Verlag?
    Margot

    • Über Amazon kommt man an Verkäufer – meistens wird es gebraucht gehandelt. Habe es eben bestellt. Neu scheint es kaum noch zu bekommen zu sein.

  5. Na, wie ich jetzt sehe, wurde das Buch ERETZ ISRAEL / Das Zwanzigste Jahrhundert
    zweimal empfohlen wurde, da muss es ja gut sein.

    Zu diesem unsäglichen antisemitischen Pamphlet habe ich eine Frage,
    besteht hier nicht die Möglichkeit eine Gegendarstellung in diesem Pfarrerblatt zu verlangen ?
    Unter anderem bin ich besonders empört über die Bezeichnung
    „Eindringling und Räuber“
    Wenn man sich überlegt, das von Anfang an die Zionisten meist Verfolgte und Flüchtlinge waren,
    zuerst aus Russland vor den Pogromen, dann vor dem Naziregime und nach der Staatsgründung Israels aus den arabischen Staaten, später aus Äthiopien (Operationen Moses und Salomon).

    • Natürlich kann man das verlangen. Aber ob die das auch drucken/veröffentlchten? Es gibt ja keinen Absatz, den man nicht auseinandernehmen muss und kann. Ich schreibe gerade am zweiten Teil, es werden mindestens drei werden. Was meinst du, was die Herren und Damen Pfarrer vom Blatt dazu sagen werden? Du wirst wohl eine vielleicht höfliche, aber auf jeden Fall bestimmte Absage bekommen.
      Wenn du magst, versuch‘ es. Meinen Text (bzw. auch die noch kommenden Texte) darfst du gerne verwenden. Ich bin gespannt, was die sagen werden.

  6. Das hätte der Pfaffe auch in einem NPD-Blatt veröffentlichen können. Es stehen einem die Haare zu Berge.

  7. Wenn Du es nicht selbst machen willst, würde ich es jedenfalls versuchen.
    Du kannst mir ja per e-mail (meine E-Mail-Adresse liegt dir vor) eine offizielle Erlaubnis zur Verwendung Deines Textes geben, wenn alle drei Teile fertig sind.
    Einen Versuch wäre es wert und gespannt auf die Reaktion wäre ich auch.
    Ich schreibe im Politikforum.de unter dem Benutzernamen -Ima-, dort steht auch öfters mal ähnliche Hetze, aber da habe ich die Möglichkeit dagegen zu schreiben, darum stört es mich außerordentlich, den unsäglichen Artikel unkommentiert stehen zu lassen. Und ich nehme an die Leser vom „Deutsches Pfarrerblatt“, werden bestimmt nicht die Gegendarstellung in Deinem Blog lesen.

  8. wenn ich mir das so durchlese wird mir gleich wieder schlecht…
    ich bin absoluter gegner der evangelischen und katholischen kirche. aber in beiden vereinen ist eindeutig der wurm drin.

  9. Ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für die ausführliche und wohlfundierte Auseinandersetzung mit diesem Machwerk! Ich bin selber evangelischer Pfarrer und schäme mich für dieses judenfeindliche Elaborat, das da veröffentlicht worden ist. Den Kommentatoren, die das zum Anlass einer Distanzierung von der evangelischen Kirche genommen haben, möchte ich sagen, dass derartige Ansichten bei weitem nicht typisch sind für die evangelische Pfarrerschaft. Ich rechne damit, dass es dazu deutlichen und heftigen Widerspruch im Diskussionsteil des Blattes geben wird.
    Bitte machen Sie weiter so!
    Herzliche Grüße
    Herr

  10. Feedback: Ich habe mir das Buch „Eretz Israel
    Das zwanzigste Jahrhundert“ gebraucht für kleines Geld bei amazon bestellt und heute kam es an, es ist ein riesen Schinken und der Wahnsinn! Ein Lexikon mit Originalfotos und -dokumenten usw. ab dem Jahr 1900.
    Für die Feinde Israels hat der Mossad da eine ordentliche Arbeit hingelegt, die man freilich ohne weiteres nicht widerlegen kann. Danke an alle für den Tipp!

    • Och, jetzt bin ich aber enttäuscht!!! 😉
      Wie lange hat es gedauert, bis das Buch bei dir ankam?
      Ich hab’s auch bestellt (über Amazon, direkt gab es das aber nicht).

  11. An Lena – der Versand dauert mindestens zwei bis drei Tage und ist dann schon ziemlich schnell, das Buch aber auch noch zu lesen und zu beurteilen liegt wohl mehr in der mentalen Fantasie begründet, und wenn es jetzt so schnell geht, einfach auch mal ganz schnell bestellen und lesen: Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass – 1800 bis 1933
    Götz Aly….. und hat mit dem Mossad nix zu tun…..

  12. Die wenigen Zitate des „theologischen FAchmannes “ reichen, um sich entsetzt abzuwenden.Allerdings bin ich ebenso entsetzt über die Redaktion des „Deutschen Pfarrerblattes“, die einen solchen Artikel veröffentlicht. Entweder sind es Ignoranten oder Sympathisanten. In beiden Fällen ist es unerträglich für jeden, der sich nach der Shoa bibilisch-theologisch derartig äußert oder solche Äußerungen öffentlich verteilt. Ich hätte gern gewusst, ob es Leserbriefe im „Deutschen Pfarrerblatt“ oder Schreiben an Die Redaktion gibt.

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