Titel, Thesen, Temperamente – Kulisse für Überhauptnichtantisemiten*

Die Sendung nennt sich auch neckisch „ttt“ und wird von einem Typen moderiert, der mir schon vor Jahr(hent)en übel aufstieß, als er noch was anderes machte (aber auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen). Um die Zeit, zu der das gesendet wird, will ich normalerweise im Bett sein, damit ich am nächsten Tag nicht unausgeschlafen durch die Gegend wanke. Weil aber die causa Augstein behandelt werden sollte, blieb ich auf. Hat sich (nicht) gelohnt.

Natürlich ist es den „Journalisten“ wieder gelungen, die Sache falsch darzustellen. Dass das Simon-Wiesenthal-Zentrum keine Liste der 10 schlimmste Antisemiten der Welt veröffentlichte, scheinen die Geistesblitzer schlichtweg nicht zu begreifen – entweder, weil sie zu blöde zum Lesen oder weil sie zu verbohrt sind. Aber für die ganz Blöden noch einmal, was schon so oft geschrieben wurde: Die Liste des SWC heißt:

2012 Top Ten Anti-Israel/Anti-Semitic Slurs: Mainstream Anti-Semitism Threatens World Peace

„Slur“ heißt auf Deutsch in diesem Fall so viel wie „Beleidigung“, „Verleumdung“, „Verunglimpfung“. Das ist nicht von den Top-Antisemiten die Rede, sondern von Äußerungen. Es steht auch nicht nur „antisemitisch“ dort, sondern auch „antiisraelisch“ – sogar vor dem anderen Terminus. Die Augstein-Fans könnten sich also in der Auswahl bedienen, aber das wissen sie vermutlich nicht einmal mehr. Aber Faktenwissen ist ja ohnehin kein Merkmal deutschen Qualitätsjournalismus, selbst in Organen, die gelegentlich als weniger notorisch verblendet auffallen. Beispiel sei eine „Dokumentation“ der Rheinischen Post über das Gespräch Augsteins beim SPIEGEL, an dem Dieter Graumann teilnahm: „Anfang des Jahres setzte das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles Jakob Augstein auf Platz neun seiner Liste der zehn schlimmsten Antisemiten der Welt.“ Selbst wenn diese Leute des Englischen völlig unmächtig wären, sollten sie doch bei einem Blick auf die Veröffentlichung des SWC sehen können, dass dort nicht „Top Ten Anti-semits“ steht. Aber die Mühe, sich das mal anzusehen, haben sie sich offenbar nicht zumuten wollen. Wenn alle das sagen, dann stimmt das schon. In der Masse fühlen die Lemminge sich am wohlsten.

Jakob Augstein ließ auch bei ttt wissen: „Ich bin kein Antisemit.“ Weil er ja nur die israelische Regierung kritisiert. Und wer das tut, werde in Deutschland immer sofort mit der Antisemitismuskeule beehrt. Womit er das nächste Ressentiment aus der Tasche holte. Gut, geschenkt, mit solchen Leuten sind Diskussionen überflüssig. Die verlogene Behauptung aber, dass er nur die israelische Regierung kritisiere, „untermauerte“ ttt dann mit einem Journalisten, der „noch viel schärfer mit der israelischen Regierung“ ins Gericht geht: Gideon Levy von „der angesehenen Zeitung Ha’aretz“.

Das ist gleich doppelt lächerlich. Wie angesehen ist Ha’aretz? Und bei wem? Der Volksmund in Israel nennt das Blatt nur noch „die palästinensische Zeitung in hebräischer Sprache“, weil dort so viel Unsinn und antiisraelische Propagandahetze betrieben wird. Ansehen hat die Zeitung nur noch im linkslastigen Lager des Auslands, in Israel ist ihre Bedeutung kurz vor Null, der Marktanteil derart gering, dass sogar schon darüber nachgedacht wird die Printausgabe ganz einzustellen. Aber eine englischsprachige Ausgabe wird wirkungsvoll in Szene gesetzt, indem man Gideon Levy darin schmökern und eine Seite umblättern lässt, während er den oberen Rand der Titelseite schön hoch in die Kamera hält.

Ausgerechnet Gideon Levy – der Typ, der nicht einmal weiß, was Apartheid definiert, aber eine Umfrage unter Israelis in einem Kommentar mit aller böswilligen Gewalt so umdeutete, dass er dem Volk des jüdischen Staates unterstellen konnte üble Buren oder schlimmer zu sein, sich dabei aber anscheinend nicht genügend über seine eigenen Berichte informiert hatte, um die verlogenen Widersprüche seines Kommentars gegenüber seinem Bericht aus derselben Ausgabe zu erkennen. Der Mann sucht händeringend und nicht in guter Absicht nach Dingen, die er Israel negativ anlasten kann. Ein Alibi-Jude, der hier als Kronzeuge angeführt wurde, um Augstein zu entlasten.

ttt ist Qualität – die übliche Qualität der deutschen Qualitätsjournaille, die sich durch Fakten nicht stören lassen darf.

Aber auch noch einmal zurück zu dem, was Jakob Augstein so von sich gab: Er würde nur die israelische Regierung kritisieren. Man muss sich nur die Zitate ansehen, die das SWC anführt, um zu sehen, dass das nicht stimmt. Dann jammerte er noch, es ginge doch nicht, dass man ihm anhänge, seine Artikel würden Gewalt gegen Juden schüren. Warum denn nicht? Er und Seinesgleichen finden doch auch, Broder habe Breivik gemacht. Ach ja, das ist natürlich etwas ganz anderes – mit Linken darf man nicht machen, was Linke mit anderen machen. Und wenn der Überhauptnichtantisemit Jakob davon schwafelt (im SPIEGEL/Rheinische Post), dass er an Israel keine Doppelstandards angelegen würde, kann nur bitter gelacht werden. Aber so ist der, der Selbsterhöher: „Alles, was ich an Israel kritisiere, ist in schärferer Form von israelischen Journalisten geschrieben worden. Niemand regt sich darüber auf, jeder in Israel begreift das als Zeichen der freien Meinungsäußerung. Nur bei uns wird man schnell zum Antisemiten abgestempelt.“

Wahrscheinlich meint er da u.a. auch den schon angeführten Gideon Levy. Aber über den hat man sich in Israel schon aufgeregt. Wenn man ihn nicht einfach ignoriert hat, weil er schlicht zu unmöglich ist, als dass man ihn noch ernst nehmen könnte. Und was soll man sich in Deutschland über israelische Alibijuden aufregen? Augstein argumentiert von nicht ehrlich bis verlogen. Auch in Israel findet man nicht, dass Verleumdungen und Lügen freie Meinungsäußerung sind.

Der Überhauptnichtsantisemit wurde dann noch gefragt, ob er schon einmal in Israel war. Nein. „Warum nicht?“, fragte ihn Graumann. Die Antwort: „Ich wäre in den Zeiten der Apartheid auch nicht nach Südafrika gefahren.“ Alleine diese Aussage zeigt wieder, wes Geistes Kinder der Mann ist. Und Graumann ist nicht in der Lage, das zu kontern, sondern äußert und eine harmlose Empörung auf die der Überhauptnichtsantisemit noch eins draufsetzt: „Nein, wenn ich das Gefühl hätte, dass Israel diesen Konflikt mit den Palästinensern lösen will, wäre das eine andere Situation. Das finden Sie vielleicht sonderbar: Aber ich möchte nicht in Tel Aviv am Strand liegen, wenn ein paar Kilometer weiter südlich die Lage ist, wie sie ist.“ Womit er dokumentiert: Es ist alles Israels Schuld. Apartheid, Friedensunwille – Fakten stören nur und gehören nicht ins Bild.

Bei ttt war Augstein gut aufgehoben. Der selbsternannt Rechtschaffene hat ein mehr als reines Gewissen. Aber das hatten gewisse Herren mit braunen Hemden genauso, ebenso wie die mit den roten Fahnen im Osten. Kreise schließen sich und Überhauptnichtantisemiten sind immer im Recht. Öffentlich-rechtlich wie als Sturmgeschütz-Schmierfinken.

* s. Die Achse des Guten

Ein Gedanke zu “Titel, Thesen, Temperamente – Kulisse für Überhauptnichtantisemiten*

  1. Zuerst sprach er die Gewaltausbrüche von jeglicher religiös-fundamentalistischen Motivation frei: „Mit Religion hat das nichts zu tun“, denn „der Glaube braucht Vernunft“, schrieb Augstein und bewies damit zugleich einmal mehr, dass Vernunft keine notwendige Eigenschaft ist, um Kolumnen auf Spiegel Online verfassen zu dürfen. Im nächsten Schritt nahm der Freitag-Herausgeber dann den Mob auf den Straßen in Schutz. Die „zornigen jungen Männer“ seien „ebenso Opfer wie die Toten von Bengasi und Sanaa“. Wir fassen zusammen: Die Demonstranten, die mit der islamischen Shahada-Flagge in der Hand und unter ‘Allah ist groß’-Rufen Botschaften und Kinos niederbrennen und Menschen totschlagen, sind weder religiös motiviert noch Schuld an der Gewalt. Man fragt sich unweigerlich, ob Augstein die Zeitungen liest, in denen er veröffentlicht. Aber für ihn sind die Gewalttäter nur Marionetten, „die Brandstifter sitzen anderswo“. Augstein ist jedoch noch schlau genug, seinen antiamerikanischen und antiisraelischen Ressentiments nicht ganz offen auszuleben und bediente sich stattdessen altbekannter rhetorischer Kniffe. So beließ er es dabei, es als „bemerkenswerte Koinzidenz“ zu bezeichnen, dass die schlechte Mohammed-Parodie, die die Gewalt ausgelöst hatte, so kurz vor den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen und zugleich in der (von Augstein behaupteten) Vorbereitungsphase eines israelischen Krieges gegen den Iran veröffentlicht wurde. „Kann man sich vorstellen, dass der kriminelle Kopte, der sich das vermutlich im Gefängnis ausdachte und seine Crew ohne ihr Wissen dafür missbrauchte, in anderem als im eigenen Auftrag handelte?“ Man wird ja noch fragen dürfen.

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