Europas kriminelle Sicht auf Israel

Manfred Gerstenfeld (direkt vom Autor)

Mindestens 150 Millionen Europäer haben eine satanische Sicht Israels. Das ist das Ergebnis einer 2011 von der Universität Bielefeld veröffentlichten Studie, die im Auftrag der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wurde.1 Trotz dieser unfassbaren Feststellungen erhielt der Bericht kaum Aufmerksamkeit.

Die Studie wurde in sieben europäischen Staaten durchgeführt. Die Forscher fragten Menschen, ob sie glauben, dass Israel einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser betreibe. Die geringsten Quoten derer, die der Aussage zustimmten, gab es in Italien und den Niederlanden, wo sie knapp unter 40% lagen. England, Deutschland, Portugal und Ungarn lagen alle zwischen 40 und 50%. In Polen betrug der Anteil 63%. Eine Studie des Holocaust-Zentrums in Norwegen stellte die Frage etwas anders: „Verhalten sich die Israelis wie die Nazis?“ 38 Prozent der Befragten antworteten mit Ja.2

Der Vorwurf, Israel lösche die Palästinenser aus, ist kriminelle Verleumdung. Während der zwei Jahre von Ende 1941 bis Ende 1943 wurden von den Deutschen allein in den Vernichtungslagern Treblinka, Belzc und Sobibor zwei Millionen Juden ermordet. Die Technologie ist seitdem weit „fortgeschritten“. Wenn die Völkermord-Vorwürfe gegen Israel wahr wären, dann wären die letzten palästinensischen Erwachsenen und Kinder vor langer Zeit ermordet worden. Die Zahl der Palästinenser ist in den letzten Jahrzehnten jedoch enorm gestiegen. Palästinensische Kinder kommen in israelischen Krankenhäusern auf die Welt und die Kranken werden von israelischen Ärzten behandelt.

Die Erkenntnisse dieser beiden Studien geben viel Einblick in das extreme und böswillige Bild, das eine große Zahl Europäer vom jüdischen Staat hat. Es bringt den schlimmsten Antisemitismus der beiden letzten Jahrtausende an die Oberfläche. In den ersten Jahrhunderten der Christenheit wurde der falsche Vorwurf erhoben, die Juden hätten Gottesmord begangen, den behaupteten Sohn Gottes getötet. Damals hätte man sich nichts Böseres vorstellen können. Als solche erkennbare Juden aus einigen europäischen Ländern sagten mir, dass selbst heute noch Menschen ihnen manchmal sagen: „Ihr habt Jesus getötet.“

Die Säkularisierung nahm nach der Aufklärung zu. Damit veränderten sich auch die Symbole des absolut Bösen. In stark nationalistischen Staaten wurden andere ethnische Gruppen als minderwertig betrachtet. In Nazideutschland wurde das ins Extreme fortgesetzt: Juden wurden komplett entmenschlicht und zu „Untermenschen“, „Ungeziefer“ und „Bakterien“ erklärt. Sie verkörperten erneut das „absolut Böse“, wie es damals wahrgenommen wurde und das führte zum Holocaust und dem Völkermord an den Juden.

Das Bild des absolut Bösen veränderte sich in der westlichen Welt nach dem Zweiten Weltkrieg erneut. Es hat sich auf das Verüben von Völkermord und sich wie die Nazis zu verhalten verschoben. Die beiden erwähnten Studien zeigen, dass eine beträchtliche Minderheit der Europäer solche Ansichten über Israel hat. Die Studie deckt nicht alle EU-Staaten ab, doch man darf annehmen, dass sie repräsentativ ist.

Mit einer derart diabolischen Auffassung zum jüdischen Staat hat eine riesige Anzahl Europäer eine antisemitische Mentalität des Mittelalters wiederbelebt. Es gibt wahrscheinlich mindestens so viele Europäer mit diesen zutiefst bösen Ansichten, wie es im Europa vor Hitlers Machtübernahme Antisemiten gab. Diese radikale Ansicht zu Israel ist immer noch weitgehend latent. Doch sie kommt auch in antisemitischen und antiisraelischen Vorfällen zum Ausdruck. Was latent ist, könnte jedoch in der Zukunft explodieren, so wie es früher schon geschehen ist.

Eine wichtige Frage ist: Woher stammt diese dämonische Sichtweise? Mindestens drei Faktoren haben sukzessive dazu beigetragen. Der erste ist die Methode der Delegitimierung über „tausend Schnitte“. Sie besteht auf der fortgesetzten und regelmäßigen Veröffentlichung negativer Nachrichten zu Israel. Dies wird ergänzt durch Lügen, falsche Anschuldigungen, Verunglimpfungen, Artikel voller Einseitigkeit und Vorurteile, offizielle Verurteilungen usw.

Das Fernsehen, andere Medien, aktive und ehemalige Politiker, einige Kirchenführer, mehrere humanitäre und politische NGOs, Akademiker sowie einige jüdische und israelische Selbsthasser haben allesamt dazu beigetragen. Das summiert sich zur Ausformung dieser extrem bösartigen Meinung zu Israel. Positive Nachrichten über Israel werden von den Medien oft ausgelassen. Indem man Israel schlecht macht, können auch Schuldgefühle wegen der Kollaboration mit den Nazis und dem Versagen vieler europäischer Autoritäten und Individuen während des Holocaust unterdrückt werden.

Der zweite Aspekt ist die stark verringerte Aufmerksamkeit, die der immensen Kriminalität und Verbreitung von Hass in großen Teilen der palästinensischen Gesellschaft und vielen arabischen und muslimischen Staaten geschenkt wird. Wenn Massenmord, Terroranschläge und andere große Verbrechen proportional zur Masse der Bevölkerung und dem Fehlverhalten in diesen Ländern aufgezeigt würden, wären Nachrichten zu Israel vergleichsweise vernachlässigbar. Gleichzeitig erfüllen europäische Staaten ihre Verpflichtungen aus der UNO-Völkermordkonvention nicht, gemäß der sie muslimische Planer von Völkermord wie den Iran und die Hamas vor ein internationales Gericht bringen müssten.

Das dritte Element, das zur Delegitimierung Israels beitrug, ist das Verkleinern wichtiger übler Ereignisse in der Vergangenheit der europäischen Länder. Auf diese Weise wird ein viel zu rosiges Bild der Geschichte ihrer Gesellschaft gemalt, das dann mit dem massiv verfälschten Bild Israels verglichen wird. Daher bleibt die Frage, ob nur Israel treffende Katastrophen den Leuten die Augen öffnen werden oder ob irgendetwas anderes getan werden kann, um das zu bekämpfen.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.

 

1 library.fes.de/pdf-files/do/07908-20110311.pdf.
2 ”Antisemittisme i Norge? Den norske befolkningens holdninger til jøder og andre minoriteter,” HL-senteret, 20. Mai 2012, [in Norwegisch] http://www.hlsenteret.no/publikasjoner/antisemittisme-i-norge

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