Ihre Helden und unsere

Jonathan Medved, Aish.com, 10. September 2003

Unsere Helden kämpften, um Leben zu retten. Ihre Helden säten Tod und Zerstörung.

Der Terror letzte Nacht schlug ganz in der Nähe meines Zuhauses zu. Der Druck der Explosion im Café Hillel an der Emek Rafaim erschütterte die Fenster unseres Hauses und ließ keinen Zweifel daran, dass wir wieder einmal getroffen wurden – diesmal in unserem Viertel.

Unser Sohn Yossi sprach am Telefon mit seinem Bruder Momo; er fragte gerade, wann Momo wieder Zuhause sein würde, damit sie zusammen eine weitere Folge von „24“ auf DVD sehen könnten – der verführerischen US-Serie über Terrorismus.

Momo ging gerade über die Emek Refaim-Straße, die zwei Blöcke von unserem Haus entfernt ist. Beide hörten die Explosion. Momo ist 16 Jahre alt und ein Sanitäter beim Magen David Adom (Roter Davidstern, Israels Pendant zum Roten Kreuz). Er nahm seine Erste-Hilfe-Handschuhe, die er immer im seiner Schultasche dabei hat und rannte zum Café, um den Verletzten zu helfen. Yossi lief mit meiner Frau Jane aus dem Haus, um zu Momo zu kommen.

Momo kam als einer der ersten am Tatort an. Er beschrieb ihn später als eine Szene, die direkt von Dante oder Eli Wiesel stammen könnte. Die Opfer schrien und lagen überall verteilt herum. Ein Gruppe Unbeteiligter versuchte ein Feuer zu löschen, das einen Mann zu verzehren drohte. Abgerissene Beine und Arme lagen in Blutlachen herum. Der Kopf eines Mannes befand sich mitten auf der Straße.

Momo handelte entsprechend der Ausbildung, die er diesen Sommer erzielt, in einem Kurs, der darauf ausgelegt war, ihn zu lehren, wie er mit solchen Ereignissen umgehen soll. Sobald der erste Krankenwagen ankam, sagte man ihm, wen er wegbringen sollten und half, die Verwundeten auf Tragen fortzubringen. Nach zehn Minuten war alles vorbei und die erstaunlichen Teams israelischer medizinischer Notfallteams hatte wieder mit Schnelligkeit und Professionalismus gehandelt. Seine Mutter und sein Bruder fanden ihn mit dem Blut der Opfer beschmiert vor und brachten ihn nach Hause.

Ich war im Büro, als die Explosion geschah und hatte unendliche Sorge, denn ich konnte niemanden per Telefon erreichen. Schließlich erhielt ich einen Anruf von meinem Sohn Yossi, der mir sagte, dass es unserer Familie gut ging und dass wir uns Zuhause treffen würden.

Nach Hause zu kommen und die Kleidung seines Sohnes bespritzt mit dem Blut aus einem Terroranschlag zu sehen, ist eine elterliche Erfahrung, die ich nicht vergessen werde – die Erleichterung, ihn unverletzt zu sehen, vermischt mit dem Schmerz, der Empörung und Trauer über einen Anschlag so nahe an unserem Zuhause.

Nachdem Momo geduscht hatte, sahen wir gemeinsam im Fernsehen die surrealen Szenen unseres schönen Viertel, wie es getroffen war, verletzt und blutete. Momo drückte sich an seine Hündin, umarmte sie und versuchte einen Anschein von Normalität wiederzufinden: ein 16-jähriger Junge, der seine heldenhafte Arbeit getan hatte und Szenen gesehen hatte, die nie jemand sehen sollte, versuchte, das zurückzugewinnen, was von seiner Jugend übrig blieb.

Wir sahen die Jubelszenen in Gaza, wo tausende Palästinenser in spontanen Feiern auf die Straßen strömten, außer sich vor Freude über die „Qualtiät“ der Anschläge. Scheik Ahmed Yassin und andere priesen den „Mut“ der Selbstmord-Bomber und riefen ihre Befriedigung hinaus. Insbesondere er, Yassin, erwähnte den „großen“ Abu Shnab, den „Ingenieur“ Dutzender israelischer Tode, dessen Tod nun gerächt sei.

Mir fiel schlagartig der Unterschied zwischen den beiden Gesellschaften auf. Unsere Helden waren auf der Emek Refaim und kämpften, um Leben zu retten, um notfallmedizinische Maßnahmen auszuführen, die Zahl der Opfer gering zu halten. Ihre Helden säten Tod und Zerstörung; ihre Arbeit war die Wissenschaft des Terrors.

Heute Morgen, als die strahlende Jerusalemer Sonne über unserem Viertel wieder aufging, waren die meisten der äußeren Zeichen der Zerstörung beseitigt. Trotz der weiteren Terrorwarnungen und des Stroms an Nachrichten über die gestrigen Anschläge müssen die Kinder in die Schule gehen, muss ihr Leben weiter gehen. Aber die Nachrichten enthielten weitere bittere Neuigkeiten, die mir buchstäblich den Atem nahmen. Unter den Toten der Explosion von letzter Nacht waren Dr. David Appelbaum und seine 20 Jahre alte Tochter Nava.

Nava sollte heute Abend mit einer fröhlichen Feier mit 500 Gästen heiraten. David war ein Notfall-Arzt, eine feste Größe in Jerusalems medizinischer Welt, der hunderte Terroropfer als Leiter der Notfall-Abteilung im Shaarei Zedek-Krankenhaus behandelt hatte. Er war der Gründer von Terem, Jerusalems privater 24-Stunden Notfall-Klinik, und der Partner meines besten Freundes. Er war ein gebildeter Mann, ein freundlicher Mann, ein Tzaddik – ein gerechter Mensch. Er war der wahre Held von Jerusalem.

Ich lasse Momo heute Morgen ausschlafen. Ich versuchte ihn zu wecken, aber er sagte, er brauche mehr Schlaf. Sein Lehrer rief an um zu sagen, dass er von Momos Freunden gehört hat, er habe „eine harte Nacht“ gehabt und sei unter den ersten am Anschlagsort gewesen. Er schlug vor, dass wir zum Begräbnis von Dr. Appelbaum und seiner Tochter gehen und ich ihn dann zur Schule bringe, damit er bei seinen Freunden sein und über das reden kann, was passiert ist. Mein Sohn und seine Freunde – die wirklichen Helden Jerusalems.

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