Verhältnismäßig unverhältnismäßig (1/3) – Arithmetik des Schmerzes

Nach dem israelischen Vorgehen gegen die Terroristen der Hamas im Gazastreifen und die der Hisbollah im Libanon erklang es aus Europa bei allem „Verständnis“ einmal mehr: Das ist unverhältnismäßig, das ist kollektive Bestrafung, Israel kennt kein Maß!
Dieser Unsinn soll durch diesen Text (und zwei weitere) zurechtgerückt werden.

Arithmetik des Schmerzes

Alan Dershowitz, Jewish World Review, 20. Juli 2006

Es gibt keine Demokratie in der Welt, die es tolerieren müssen sollte, dass Raketen auf ihre Städte gefeuert werden, ohne dass eine passende Antwort zur Beendigung der Angriffe erfolgt. Die von Israels Militäraktionen im Libanon aufgeworfene große Frage ist: Was ist „passend“? Die Antwort, wenn man nach den Kriegsregeln geht, ist die, dass es angebracht ist militärische Ziele anzugreifen, solange jeder Versuch unternommen wird zivile Verluste gering zu halten. Wenn die Ziele nicht erreicht werden können, ohne dass es einige zivile Verluste gibt, müssen diese „verhältnismäßig“ sein zu den zivilen Verlusten, die durch die Militäraktion verhindert wird.

Das ist alles gut und schön für demokratische Staaten, die ihre Militäranlagen absichtlich weit entfernt von zivilen Bevölkerungszentren platzieren. Israel hat seine Luftwaffe, seine Atomanlagen und großen Armeestützpunkte so weit wie möglich von allem entfernt eingerichtet, wie es in diesem Land möglich ist. Es ist einem Feind möglich israelische Militärziele anzugreifen, ohne bei seiner Zivilbevölkerung „Kollateralschäden“ zuzufügen. Die Hisbollah und die Hamas operieren im Gegensatz dazu mit ihren militärischen Armen aus dicht besiedelten Gebieten heraus. Sie verschießen von Syrien und dem Iran entworfener Raketen mit Kugel-Schrapnellen, um zivile Verluste zu maximieren und verstecken sich dann vor dem Gegenschlag, indem sie sich unter die Zivilisten mischen. Wenn Israel sich entscheidet sie nicht zu verfolgen, weil es befürchtet Zivilisten zu schädigen, gewinnen die Terroristen, weil sie weiterhin frei agieren und Zivilisten mit Raketen angreifen können. Wenn Israel angreift und zivile Verluste verursacht, erzielen die Terroristen einen Propaganda-Sieg: Die internationale Gemeinschaft drischt auf Israel ein, weil es mit „unverhältnismäßig“ antwortet. Dieser Chor der Verurteilungen ermutigt dann die Terroristen, weiter aus zivilen Gebieten heraus zu agieren.

Während Israel alles Vernünftige unternimmt, um zivile Verluste gering zu halten – nicht immer von Erfolg gekrönt – wollen die Hisbollah und die Hamas erreichen, dass die zivilen Verluste auf beiden Seiten so groß wie möglich sind. Islamische Terroristen, so der Kommentar eines Diplomaten vor Jahren, „haben die harte Arithmetik des Schmerzes gemeistert – palästinensische Verluste spielen ihnen in die Hände und israelische Verluste spielen ihnen in die Hände.“ Das sind Gruppen, die Kinder losschicken um als Selbstmord-Bomber zu sterben, manchmal ohne dass das Kind weiß, dass es geopfert werden soll. Vor zwei Jahren wurde ein 11-jähriger bezahlt ein Päckchen durch israelische Sicherheitskontrollen zu bringen. Ohne dass er das wusste, beinhaltete es eine Bombe, die ferngezündet werden sollte. (Zum Glück wurde der Plan vereitelt.)

Der Missbrauch von Zivilisten als Schilde und Schwerter verlangt nach einer Neubewertung der Kriegsregeln. Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten, einfach, wenn Kombattanten uniformierte Mitglieder von Armeen sind, die auf Schlachtfeldern weit entfernt von zivilen Zentren kämpften – ist in diesem heutigen Zusammenhang schwieriger. Jetzt gibt es ein Kontinuum der „Zivilität“: In der Nähe des zivilsten Endes dieses Kontinuums befinden sich die rein Unschuldigen – Babys, Geiseln und andere völlig Unbeteiligte; und am eher kämpfenden Ende sind Zivilisten, die willentlich Terroristen beherbergen, materielle Ressourcen bieten und als menschliche Schutzschilde dienen; dazwischen befinden sich diejenigen, die die Terroristen politisch oder geistig unterstützen.

Die Regeln des Krieges und die Regeln der Moral müssen an diese Realitäten angepasst werden. Eine Analogie zum hiesigen [amerikanischen] Strafgesetz ist Hinweis gebend: Ein Bankräuber, der den Kassierer als Geisel nimmt und sich hinter diesem menschlichen Schutzschild verbergend auf die Polizei schießt, ist des Mordes schuldig, wenn bei dem Versuch den Räuber zu stoppen, die Geisel versehentlich getötet wird. Dasselbe sollte für Terroristen gelten, die Zivilisten als Schutzschilde benutzen, aus deren Deckung heraus sie ihre Raketen abfeuern. Die Terroristen müssen rechtlich und moralisch für den Tod der Zivilisten zur Rechenschaft gezogen werden, selbst wenn die direkte physische Ursache eine israelische Rakete war, die auf die gezielt war, die auf israelische Zivilisten schossen.

Israel muss erlaubt werden den Kampf zu Ende zu führen, den die Hamas und die Hisbollah begonnen haben, selbst wenn das zivile Verluste im Gazastreifen und im Libanon bedeutet. Eine Demokratie ist berechtigt das Leben der eigenen Unschuldigen über das Leben der Zivilisten eines Aggressors zu setzen, besonders, wenn zu letzterer Gruppe viele gehören, die sich mit dem Terrorismus gemein machen. Israel wird – und sollte – jede Vorsichtsmaßnahme treffen, um zivile Verluste auf der anderen Seite zu minimieren. Am 16. Juli verkündete Hassan Nasrallah, der Kopf der Hisbollah, dass es neue „Überraschungen“ geben wird und die Al-Aksa-Märtyrerbrigaden behaupteten, sie hätten chemische und biologische Waffen entwickelt, die auf ihre Raketen gesetzt werden könnten. Sollte Israel nicht erlaubt sein, deren Gebrauch vorzubeugen?

Israel hat 2000 den Libanon und 2005 den Gazastreifen verlassen. Das sind keine „besetzten Gebiete“ mehr. Trotzdem dienen sie als Startrampen für Angriffe auf israelische Zivilisten. Besatzung verursacht da keinen Terrorismus, sondern Terrorismus scheint Besatzung zu verursachen. Wenn Israel nicht wieder besetzt, um Terrorismus vorzubeugen, müssen die libanesische Regierung und die palästinensische Autonomiebehörde sicher stellen, dass diese Regionen aufhören sichere Zufluchtsorte für Terroristen zu sein.