Wenn Diplomaten auf den Mond wollen

Daniel Pipes, New York Post, 4. März 2002

„Taktlosigkeit ist, wenn ein Politiker die Wahrheit sagt.“ – Michael Kinsleys Sprichwort von 1992 gehört in Washington inzwischen zum Allgemeinwissen. Ein solcher Faux pas verursacht sofortige Schamröte und Entschuldigungen, weil er genau das ausdrückt, was jedermann weiß, aber nicht zu sagen bereit ist.

Letzten April war es taktlos, dass Präsident Bush auf die Frage, ob er US-Militär nach Taiwan schicken würde, um bei dessen Verteidigung gegen China zu helfen, antwortete: „Alles, was nötig ist.“ Dabei gab er etwas zu, was kein Präsident seit 1979 gesagt hatte, wenn auch alle genauso dachten. Das Weiße Haus beeilte sich, Entschuldigungen zu äußern, die Sache weg zu erklären und das Thema zu wechseln, aber die Wahrheit war heraus.

Es war taktlos, als Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Oktober zugab, dass die US-Streitkräfte Osama bin Laden, vielleicht nicht fangen würden: „Die Welt ist groß. Es gibt jede Menge Staaten. Er hat jede Menge Geld, er hat jede Menge Leute, die ihn unterstützen; deshalb weiß ich einfach nicht, ob wir Erfolg haben werden.“

Nachdem seine Bemerkung in den Schlagzeilen war, ruderte Rumsfeld zurück, drückte sein volles Vertrauen in die amerikanischen Soldaten aus und murmelte etwas von „Wortklauberei. Von Zeit zu Zeit verlassen vermutlich Dinge meinen Mund nicht ganz auf die richtige Weise.“ Aber er hatte zugegeben, was jeder wusste.

Es war taktlos, als CNN im Januar Paula Zahns neue Sendung „American Morning“ mit einem Werbespot anpries, in der eine männliche Stimme sie als eine Morgennachrichten-Moderatorin beschrieb, „die provokativ, super intelligent und – oh ja – auch etwas sexy ist.“ Das Wort sexy tauchte dann auf dem Bildschirm auf und wurde vom Klang eines auf gehenden Reißverschlusses begleitet.

CNN beeilte sich, sich zu entschuldigen, es weg zu erklären und das Thema zu wechseln, aber der Werbespot bestätigte, was jeder weiß, die Sender aber immer geleugnet haben: dass Schönheit und Sexappeal Schlüsselerwägungen für die Karriere einer Nachrichtensprecherin sind.

Eine weitere Taktlosigkeit passierte letzten Donnerstagmorgen, als Pressesprecher Ari Fleischer vom Weißen Haus im „Morgengeschnatter“ etwas ungewöhnlich Wahres sagte: „Sie könnten anführen, dass auf den vergeblichen Versuch, auf den Mond zu schießen, mehr Gewalt folgte; dass dem Versuch, die beteiligten Parteien zu drängen, Grenzen zu überschreiten, die sie noch nicht zu überschreiten bereit waren, Erwartungen folgten, die derart hoch geschraubt waren, dass das Ganze in Gewalt umschlug. Es ist wichtig, in dieser Region vorsichtig zu agieren“, fuhr er fort, „in einem Tempo voran zu gehen, das das Erreichbare und Machbare ermöglicht und nicht die Erwartungen der Leute fälschlicherweise so hoch schraubt, dass man etwas erreichen will, dem die Parteien noch nicht zustimmen können; denn diese Erwartungen nicht zu erfüllen, brachte enttäuschte Erwartungen in der Region. Und das führte zu Gewalt.“

Fleischer erwähnte Bill Clinton nicht namentlich, aber das Büro des Ex-Präsidenten veröffentlichte sofort eine Erklärung, in der sie Fleischers Kommentare als „unglücklich“ verurteilte. Unter Druck von Präsident Bush, wie auch dem von Colin Powell und Condoleezza Rice, ruderte Fleischer schnell zurück. „Ich deutete missverständlich an, dass die Zunahme der Gewalt im Nahen Osten den Friedensbemühungen zuzuschreiben war, die im Jahr 2000 unternommen wurden. Das ist nicht die Meinung der Administration.“

Aber Fleischer erklärte nur, was andere dachten. Wie CBS Morning News berichtete, wird seine Meinung „privat von vielen Leuten in der Administration geteilt, auch von Präsident Bush“.

Wichtiger noch: Seine Analyse ist korrekt.

Die wilde, überambitionierte Diplomatie von Clinton und den Führern der israelischen Arbeitspartei (Yitzak Rabin, Shimon Peres, Ehud Barak) hatte genau den gegenteiligen Effekt dessen, was sie davon erwarteten: Der zweite Camp David-Gipfel sollte den palästinensisch-israelischen Konflikt beenden, aber in Wirklichkeit löste er eine nicht da gewesene, aggressive Runde palästinensischer Gewalt gegen Israel aus, die immer noch andauert und immer schlimmer wird.

Fleischers Einsicht hat starke Konsequenzen. Bevor die US-Regierung sich wieder in einen neuen „Friedensplan“ verrennt (wie der derzeitigen Absurdität, für den der saudische Kronprinz und die New York Times gemeinsam werben), sollte sie sehr sorgfältig sein Schadenspotential abwägen. Das Fiasko des zweiten Camp David-Gipfels trägt zumindest eine Teilverantwortung für 1.200 Tote; was wird der Preis für den nächsten diplomatischen Schuss auf den Mond sein?