Die giftige Realität des Antisemitismus in Europa

Melanie Phillips, 13. April 2018 (Jerusalem Post, 12. April 2018)

Antisemitismus ist in Europa zum Mainstream geworden und hat sich auf einem Level normalisiert, „das seit dem Zweiten Weltkrieg nicht zu erleben war“. Das sagt der Präsident des European Jewish Congress, Dr. Mosche Kantor; er erklärt: „Es hat einen Zunahme an offenem, unverhohlenem und unzweideutigem Hass gegeben, der sich gegen Juden richtet.“

Als wäre nach dem Holocaust ein Schleier niedergelassen worden, der jetzt gelüftet wurde, um zu offenbaren, dass sich wenig verändert hat. Polen strebt danach seine eigene Antisemitismus-Geschichte zu leugnen; dazu gibt es ein neues Gesetz, das jeden kriminalisiert, der Polen beschuldigt bei der Vernichtung des europäischen Judentums durch die Nazis beteiligt gewesen zu sein.

Das ist für mich von besonderem Interesse, weil mein erste Roman, „The Legacy“, der diese Woche veröffentlicht wurde, sich zufällig mit Antisemitismus im Polen der Kriegszeit sowie im heutigen Britannien beschäftigt.

Diejenigen, die ihren Antisemitismus leugnen, sind dazu verdammt ihn zu wiederholen. So ist es in Polen.

Antisemitische Ausbrüche in den dortigen Medien und bei Politikern haben seit der Verabschiedung des Gesetzes im Februar beträchtlich zugenommen; es gibt wilde Behauptungen jüdischer Verschwörungen und Gleichsetzungen von Juden mit Tieren.

Die meisten Sorgen konzentrieren sich jedoch auf den Aufstieg nationalistischer Parteien überall in Europa. Kantor sagt: „Rechtsgerichtete populistische Parteien nehmen Zuflucht sowohl zu antisemitischem als auch zu Anti-Immigrations-Diskurs, um politische Unterstützung zu sammeln.“

Eine solche Äußerung spiegelt allerdings nicht die Komplexitäten der Lage. So geschmacklos Juden das auch finden mögen, dieser „Anti-Immigrations-Diskurs“ ist tatsächlich entscheidend für ihren Schutz.

Juden haben instinktiv Mitgefühl für Immigranten. Wie kann man auch nicht, angesichts unserer historischen Diaspora-Erfahrung, dass uns die Korridor in die Sicherheit von Gesetzen versperrt wurde, die dazu beschlossen wurden Flüchtlinge draußen zu halten?

Es gibt aber einen gewaltigen Unterschied zwischen damals und heute. Heute wird Europa von Menschen erschüttert, die in Massen aus dem Süden in den Norden ziehen. Manche sind echte Flüchtlinge, die vor Verfolgung fliehen. Die Meisten sind jedoch Migranten, die ein besseres Leben suchen. Die meisten sind Muslime. Und sie stellen eine Gefahr für die jüdischen Gemeinden Europas dar.

Ein kürzlich erstellter Bericht des israelischen Ministeriums für Diaspora-Angelegenheiten zum globalen Antisemitismus sagt, dass mehr als die Hälfte der „Flüchtlinge“ in Westeuropa antisemitische Ansichten hegt.

In Schweden, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden hat die Massenzuwanderung einen Anstieg judenfeindlicher Angriffe und Einschüchterung gebracht.

In Paris wurde letzten Monat die 85-jährige Schoah-Überlebende Mireille Knoll von einem junge Muslim erstochen und ihre Leiche verbrannt. Letztes Jahr schlug ein „Allahu Akbar“ brüllender Mann die jüdische Lehrerin Sarah Halimi zusammen und warf sie aus dem Fenster ihrer Pariser Wohnung, so dass sie starb. In den Pariser Vororten sind französische Kinder, die Kippot oder die Uniform ihrer jüdischen Schule tragen, verprügelt und mit Messern angegriffen; zwei jüdische Männer wurden vor kurzem mit einer Metallsäge an gegriffen, was von einer Salve antisemitischer Beschimpfungen begleitet war.

Über den Judenhass hinaus hegen muslimische Migranten entweder extrem islamistische Ansichten oder stellen Bedrohung mit sozialer Gewalt und Chaos dar. Eine Studie der deutschen Regierung stellte im Januar fest, dass männliche Migranten für mehr als 90% der aktuellen Anstiegs von Gewaltverbrechen verantwortlich sind.

In Schweden offenbarte letztes Jahr ein durchgesickerter Bericht, dass es inzwischen 61 „No-Go-Areas“ gibt, in denen islamistische Extremisten die Macht übernommen haben. Schwedens nationaler Polizeichef Dan Eliasson bettelte „Helft uns, helft uns!“ und warnte, dass die Polizei das Gesetz nicht länger wahren kann.

Überall in Europa aht das gesamte politische Establishment seit Jahren vor der Massenzuwanderung von Muslimen und den steten Marsch in die Islamisierung die Augen verschlossen.

Als Ergebnis dieser politischen und kulturellen Entmündigung wenden die Menschen Europas sich Parteien außerhalb des politischen Establishments zu, die versprechen der unkontrollierten Zuwanderung ein Ende zu setzen.

Dafür werden Wähler als bigott und fremdenfeindlich abqualifiziert. Das aggressive oder antisemitische Verhalten vieler Immigranten wird ignoriert oder bestritten. Stattdessen werden die, die diesen Zustrom stoppen wollen, als Rassisten und Antisemiten verteufelt.

Viktor Orbán, der diese Woche als Premierminister Ungarns wiedergewählt wurde, wird als rassistisches und antisemitisches Monster beschrieben. Rassistisch, weil er die muslimische Zuwanderung stoppen will. Antisemitisch wegen des Sprachgebrauchs, mit dem er den jüdisch-ungarischen Milliardär und Finanzier George Soros angriff, den er beschuldigte hinter den vielen NGOs für „offene Grenzen“ zu stecken, die Migranten nach Ungarn exportieren.

Das sind jedoch legitime Bedenken zu Soros, der über seine NGOs bei jeder Gelegenheit eine globale Agenda der Feindseligkeit gegenüber westlichen kulturellen Kernwerten und dem Nationalstaat (einschließlich Israel) finanziert.

Umfragen offenbaren, dass fast jeder fünfte Ungar offen die Auswanderung der Juden fordert. Also könnte Orban hemmungslos antisemitisches Hundepfeifen genutzt haben, um seine politische Karriere voranzubringen.

Einige ungarische Juden haben aber auch seine unzweideutige Ablehnung der faschistischen Vergangenheit Ungarns im letzten Jahr begrüßt, als Orbán sagte, das Land habe eine „Sünde“ begangen, als es seine jüdischen Bürger während des Zweiten Weltkriegs nicht schützte.

Ein jüdischer Leiter sagte, nachdem er die antisemitischen Untertöne der Anti-Soros-Kampagne und die von der Regierung geführten Kampagnen zur Rehabilitierung von Nazikollaborateuren eingestand, trotzdem: „… die Gemeinschaft wird nicht von diesen Dingen bedroht, sondern von islamischer Gewalt und Verboten rituellen Schlachtens; Orbán ist gegen beides.“

In Frankreich werden Juden von Muslimen ermordet; in Schweden, den Niederlanden und andernorts werden Juden angegriffen, bedroht und eingeschüchtert. Wer stellt die größere Bedrohung für jüdische Sicherheit dar – die Regierungen Europas, die nichts unternehmen, um den Zustrom zu stoppen, der diese Bedrohung verstärkt hat, oder Viktor Orbán?

Einige der ultranationalistischen Parteien, die in Europa ins Blickfeld geraten, wie die australische Freedom Party, die Goldene Morgenröte in Griechenland oder Jobbik in Ungarn, sind in der Tat offen antisemitisch oder haben eine Nazi-Vergangenheit. Und viele Muslime sind nicht nur gegen islamistischen Extremismus, sondern sind seine zahlreichsten Feinde.

Aber die, die muslimischen Antisemitismus oder andere Aggression ignorieren oder leugnen, betrachten ihn effektiv als seine Fortsetzung. Und das schließt viele Juden ein, die solche Bedenken als „islamophob“ anprangern.

Solche Juden selbst schüren das Feuer des Antisemitismus. Menschen, die wütend und aufgebracht sind, weil die Massenzuwanderung ihre nationale Identität zerstört, nehmen es übel, wenn Diaspora-Juden, die ihre eigenes Land in Israel haben, ihnen sagen, es sei rassistisch sich gegen Multikulturalismus zu sein.

Für Juden ist es nicht nur gefährlich dagegen zu sein, dass Europäer ihre eigene nationale und kulturelle Identität haben. Es ist moralisch falsch. Wir Juden haben unsere. Warum sollen sie nicht die ihre haben?

Massenzuwanderung nach Europa ist für Juden ein giftiges Thema. Aber in dieser Woche, in der wir der Schoah gedachten, haben wir gewiss die Pflicht den Antisemitismus nicht herunterzuspielen, indem wir kleinere Gefahren aufblasen, während wir die heutigen Hauptquellen dieses Giftes ignorieren oder keimfrei machen.