Politische Spaltungen in Deutschland haben Folgen für den Nahen Osten

Noah Phillips, BESA Center Perspectives Paper Nr. 1.024, 3. Dezember 2018

Angela Merkel (Foto: Duncan Hull via Flickr CC)

Zusammenfassung: Der Niedergang des parteiübergreifenden politischen Zentrismus in Deutschland bedeutet signifikante Veränderungen, nicht nur für das Land selbst. Sondern auch für andere Länder. Während die rechtsgerichtete Alternative für Deutschland (AfD) noch weit entfernt davon ist die deutsche Wählerschaft zu bestimmen, wird ihre zunehmende Unterstützung durch die Öffentlichkeit erzwingen, was letztlich die Partei an der Macht sein wird, die die Rechte mit mehr Wohlwollen betrachten, vergleicht man es mit der eher linken Politik der im Abgang befindlichen Regierung von Kanzlerin Angela Merkel. Und da der deutsche politische Diskurs infolge der verzwickten Verwicklung in solche Konflikte an den regionalen Themen des Nahen Ostens ausgerichtet ist, werden die politischen Trends wahrscheinlich einen beträchtlichen Einfluss auf die Zukunft dieser Region haben.

Die Ankündigung des geplanten Rücktritts von Kanzlerin Angela Merkel 2021 im Kielwasser der Landtagswahlen in Bayern, die immensen Verluste für den Block der politischen Mitte brachte, markiert die Beendigung einer einzigartigen Ära parteiübergreifender Politik in Deutschland. Der rasche Aufstieg der rechten Partei Alternative für Deutschland (AfD), verbunden mit dem Fortbestehen eisern linker Parteien wie der SPD, hat in Deutschland eine stark gespaltene politische Atmosphäre genährt. Die von der CSU in Bayern und der CDU im Bund etablierten Gemeinsamkeiten sind weitgehend zugunsten einer Mentalität des „Der Sieger bekommt alles“ aufgegeben worden.

Migration

In den letzten Jahren hat Angela Merkel eine umstrittene Politik der offenen Grenzen unterstützt; sie gestattet die Einreise riesiger Migrantengruppen. Diese Politik hat in der deutschen Politik eine Parteienspaltung verursacht und ist als einer der Hauptgründe für die schlechten Umfragewerte von Merkels CDU und den linken Parteien bezeichnet worden – sowie für die zweistellige Prozentsatz-Zunahme der Unterstützung für Kandidaten der AfD.

Sieben AfD-Landtagsabgeordnete reisten vor kurzem nach Syrien und erklärten den vom Krieg erschütternden Staat für sicher; sie schlossen, dass heute in Deutschland lebende Flüchtlinge nach Hause geschickt werden sollten. Das wäre gefährlich, da eine Massenrückkehr syrischer Flüchtlinge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Reaktion des Regimes von Bashar Assad auslösen würde; dieser hat extrem gewalttätige Taktiken – darunter Angriffe mit chemischen Waffen – gegen Zivilisten eingesetzt und könnte das wieder tun. Aus humanitärer Sicht wäre eine Ideologie des „schickt sie nach Hause“ an der Spitze der deutschen Führung sehr beunruhigend.

Der JCPOA

In Sachen Iran ist Merkel immer eine entschiedene Verfechterin der JCPOA Atom-Vereinbarung gewesen, wobei Deutschland zu dessen Unterzeichnung während der Zeit Obamas beitrug. Diese liberale Haltung würde unter einer linken Führung unweigerlich beibehalten, aber die AfD bleibt einig in ihrer Unterstützung für Trumps Rückzug aus der Vereinbarung und würde darauf setzen das auch zu tun.

Merkel hat zudem relativ entschiedene wirtschaftliche Verbindungen zu Teheran kultiviert, die sie selbst nach der ersten Runde wieder eingeführter Sanktionen durch Washington am 7. August vorantrieb. Deutsche Firmen haben zusammen mehr als 3 Milliarden Euro Schuldanteile im Iran und die deutsche Regierung bietet innenpolitische Anreize für Firmen, die im Iran agieren, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu fördern. Doch trotz der Aussicht auf beträchtliche wirtschaftliche Verluste wird Berlin in den kommenden Jahren weitgehend aus dem iranischen Markt genommen werden – ein beträchtlicher Punkt für beide Länder, da Teheran weiterhin in Sachen Auslandshandel strauchelt. Da Deutschland als de-facto-Führer der EU ist (die kollektiv dort mehr Handel im Wert von mehr als 10 Milliarden Euro jährlichen Handels betreibt) und zweitgrößter Handelspartner des Iran ist, könnten die Auswirkungen für die Islamische Republik gewaltig sein.

Israel

Die AfD und aufstrebende rechte deutsche Politik sind weitgehend Unterstützer Israels; sie lehnen Bewegungen wie BDS ab und treten für die Ausweitung der Verbindungen zwischen den beiden Ländern ein. Doch trotz scheinbarer Gemeinsamkeiten von Israel und der AfD würde die antisemitische Geschichte der Partei vermutlich ein Hindernis für eine stabile Partnerschaft AfD-Israel bilden, sowohl wirtschaftlich als auch diplomatisch. Ein Leiter der Partei, Alexander Gauland, bezeichnete den Holocaust in einer Rede vor der Parteijungend als „Vogelschiss“ im Vergleich zu gesamten deutschen Geschichte. Bei einer anderen Gelegenheit betonte er die Wichtigkeit der Beziehung zu Israel, womit er einen Widerspruch innerhalb der AfD aufzeigte.

Andere Parteimitglieder sind neben Nazi-Propaganda und anderen obszön antisemitischen Bildern  fotografiert worden. Und während die Parteiführung sich bemüht haben solche Zurschaustellungen zu verurteilen erhielt die Partei harte Verurteilung durch Israels Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, und bekannte jüdische Leiter wie Ronald Lauder, der die Partei als „widerlich“ beschrieb. Die Anprangerung der AfD durch führende israelische und jüdische Gruppen weltweit – sowie durch Mitglieder des israelischen diplomatischen Korps – macht eine offizielle Beziehung zu einer AfD-Regierung unwahrscheinlich. Benjamin Netanyahu baute enge diplomatische Beziehungen zu Merkel auf, die 2008 die erste deutsche Regierungschefin wurde, die vor der Knesset sprach. Israel wäre gut beraten sich von der AfD fernzuhalten.

Während die Rechte ihren kometenhaften Aufstieg durch die Ränge der deutschen Politik fortsetze und die schwachen Blöcke der Mitte und Linken zerfallen lässt, wird die Hauptfolge des Rücktritts Merkels fast mit Sicherheit ein weit stärkerer Ansatz des Finger-weg von Nahost-Angelegenheit sein und sich mit der rechten Ideologie anpassen. Und während eine Regierungsführung durch die AfD nicht bevorsteht, liegt sich auch nicht in weiter Ferne, da jüngste Umfragen nahe legen, dass sie die SPD hinter sich gelassen hat und an zweiter Stelle liegt.

Anmerkung heplev: Ich sehe die AfD nicht ganz so negativ wie Noah Phillips und „rechte Außenpolitik“ nicht so negativ wie er. Die Partei grenzt sich stärker von Neonazis und Rechtsradikalen ab und ich denke, sie wird sich diesbezüglich entradikalisieren und die üblen Elemente im Lauf der Zeit aus ihren Reihen entfernen. Dann würde sie zu einer echten Alternative, während sie heute reine Protest-Erfolge zeichnet. Diese Entwicklung könnte mit weniger Hass und Diskriminierung ihr gegenüber verstärkt und beschleunigt werden. Wenn die etablierten Parteien aber so weiter machen wie bisher, dann wird sich wohl tatsächlich eine von Radikalen beherrschte Partei immer weiter nach vorne bewegen und ihre Politik negativ umsetzen.
Was mich an Phllips‘ Analyse stört, ist die kategorische Ablehnung der Israelfreundlichkeit der AfD. Diese Eigenschaft sollte Israel nutzen, statt die Partei genauso ins Abseits befördern zu sollen wie es durch die Altparteien der Fall ist – es handelt sich um eine Chance, die nicht verpasst werden sollte.

Ein Gedanke zu “Politische Spaltungen in Deutschland haben Folgen für den Nahen Osten

  1. „Anmerkung heplev: Ich sehe die AfD nicht ganz so negativ wie Noah Phillips und „rechte Außenpolitik“ nicht so negativ wie er.“

    Das sehe ich genauso wie Du!
    Vielleicht sollte sich Noah Phillips mal einige Reden der AfD-Abgeordneten im Bundestag genau anhören
    und sich dann eine Meinung bilden! Wenn er dann immer noch der selben Meinung ist, dann will er die
    AfD falsch verstehen!

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