Historische Luftbilder des Landes Israel

Es war 1937 und der Verleger Salman Schocken suchte nach einem originellen Geschenk für seine Freunde. Das Ergebnis: 40 spektakuläre Fotografien, die die Städte und Landschaften vom Himmel aus einfangen.

Gil Weissblei, the Librarians, 6. November 2017

Das komplette Album

Tief im Archiv der Nationalbibliothek vergraben enthält eine unbeschriftete, in feines Leinen gewickelte Pappschachtel 40 qualitativ hochwertige Luftaufnahmen, die in Israel vor der Staatsgründung aufgenommen wurden. Ein angegilbtes Stück Papier liegt auf den Fotos; es enthält eine kurze Beschreibung auf Hebräisch und Deutsch, das die Geschichte hinter ihrer Produktion enthüllt.

Luftbild von Jerusalem 1937. Salman Schockens neues Haus und die Bibliothek befinden sich an der rechten Seite.

Das Foto-Projekt war das Ergebnis einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen einem erfolgreichen Verleger und einem der größten Fotografen Israels. Das Ziel war, den ersten Satz Luftbilder des Landes Israel aller Zeiten zu produzieren, die für nicht militärische Ziele aufgenommen wurden.

Was sagt die vergilbende Schrift und wer sind die Männer, die vor etwas über 80 Jahren dieses einzigartige Album schufen?

Vor dem Hintergrund der Gewalt der arabischen Revolte in Israel und Hitlers Erlassen in Deutschland fand in Jerusalem am 23. Oktober 1937 ein Fest zu Salman Schockens 60. Geburtstag statt. Auf der zweiten Etage seiner Bibliothek, einem Gebäude, das von dem gefeierten Architekt Erich Mendelsohn geplant worden war, versammelte Schocken eine kleine Gruppe Kollegen und Freunde, aber viele wollten ihre herzlichen Grüße an diesen wohlhabenden Mann, der ein Mäzen der hebräischen Literatur und der die großartigsten kreativen Geister in der sprießenden lokalen jüdischen Gemeinschaft war, ausweitern.

Jerusalems Altstadt 1937

Schockens öffentlicher Status im vorstaatlichen Israel befand sich auf seinem Höhepunkt. Er hatte hochrangige Positionen an der Hebräischen Universität in Jerusalem und der Jewish Agency inne und hatte gerade Ha’aretz gekauft – eine der wichtigsten Tageszeitung im Land Israel, die sein Sohn, Gerschom Schocken, dann 50 Jahre lang herausgeben sollte. Salman Schocken widmete die meiste seiner Energie der Kultivierung origineller und innovativer kultureller Erfahrungen – zuvorderst durch seine Sammlung Schocken-Bücher.

Der Autor S.Y. Agnon leitete eine Gruppe Schriftsteller, die Schocken „adoptierten“ und auf ihn aufpassten, der sie im Gegenzug großzügig unterstützte. Haim Hazaz, Schaul Tchernikowsky und andere Künstler erhielten von ihm stattliche Gehälter im Tausch für Exklusivrechte an ihrer Arbeit.

Während Schockens Bemühungen um die Kunst bestens bekannt sind, ist wenig über seine Initiative geschrieben worden Israel aus der Luft zu fotografieren. Schockens Zusammenarbeit 1937 mit Nachman Schifrin, Eigner der Orient Press Agency, hinterließ eine einzigartige Marke in der israelischen Fotografie.

Fotografen machen Aliyah

Nur vier Jahre vor der Zusammenarbeit verkaufte Nachman Schifrin seine große Pressefoto-Agentur in Berlin und immigrierte zusammen mit einem seiner besten Fotografen, Zoltan Kluger, in das Land Israel. Vier Monate, nachdem Hitler an die Macht kam, hatten Einschränkungen für die Aktivitäten jüdischer Fotografen Schifrin zu dem Schluss gebracht, dass er aus Europa herauskommen musste. Er begriff auch, dass die nationalen Institutionen professionelle Fotografen für die Entwicklung der Verlagsindustrie brauchten.

Tel Aviv

Schifrin war ein talentierter Unternehmer und gerissener, einfallsreicher Geschäftsmann. Allerdings war er kein Fotograf. Er vertraute das fotografische Know-how Kluger an, einem bescheidenen und hochqualifizierten Fotografen aus der ungarischen Stadt Kecskemet, der seit den 1920-er Jahren in Berlin gearbeitet hatte.

Die technische und künstlerische Qualität von Klugers Arbeit ließ ihn kurz nach seiner Ankunft im vorstaatlichen Israel im November 1933 zum bevorzugten Fotografen des Keren Hayesod und des Jüdischen Nationalfonds werden.

Schifrin und Klugers sofortiger Erfolg hielt sie nicht davon ab neue, zusätzliche Projekte zu suchen, auch wenn das Anfeindungen anderer Fotografen auf dem Gebiet schuf, aber eine neue Immigrationswelle aus Europa (die Fünfte Aliyah) brachte ein große Gruppe Fotografen, von denen einige internationalen Ruf hatten; das führte zu größerem Wettbewerb unter den Fotografen.

Luftbild des Kraftwerks in Naharayim 1937

Schifrin machte sich zunehmend Sorge wegen der Klagen anderer Fotografen, dass Kluger zu viel Exklusivität bei der Arbeit mit den nationalen Institutionen genoss. Das führte dazu, dass er und Kluger andere Möglichkeiten suchten ihre Überlegenheit auf dem Gebiet zu demonstrieren, darunter das von ihnen verfolgte gewagte Projekt, das es ihnen erlauben würde, buchstäblich auf ihre Rivalen herabzublicken.

Vogelperspektive

Wem kam tatsächlich die Idee Luftbilder aufzunehmen? Könnte es Kluger gewesen sein, der im Ersten Weltkrieg in der österreichisch-ungarischen Luftwaffe als Fotograf gedient hatte? Oder war es der quirlige Unternehmer Schifrin, der als erstes auf die Idee kam? Oder vielleicht war es Schocken, der für seine originellen Ideen auf dem Feld der Werbung weithin bekannt war. Die Antwort bleibt unklar.

Was bekannt ist: Schocken war die Schlüsselfigur in der Initiative ein ziviles Flugzeug zu mieten und das vorstaatliche Israel zum ersten Mal von oben zu dokumentieren. Bis zu dieser Initiative waren Luftbilder nur für militärische Zwecke aufgenommen worden, unter Schirmherrschaft der deutschen und britischen Luftwaffen während des Ersten Weltkriegs. Schocken war in der Lage über Aviron – die erste „Fluglinie“ im vorstaatlichen Israel – ein Privatflugzeug zu mieten und Kluger zaubern zu lassen.

Die Luftbilder des Fotografen enttäuschten nicht. Kluger machte atemberaubende Bilder der Judäischen Wüste, des Jordantals, von Tel Hai, Deganya, Ein Harod, Beit Yosef, Tirat Zvi, dem Tal von Beit Sche’an und den Küstengemeinden – und ganz besonders von Tel Aviv.

Luftbild von Nahalal im Norden Israels.

All diese Bilder waren Neuheiten im Fotoalbum des vorstaatlichen Israel, aber der krönende Abschluss der Sammlung waren Klugers Luftbilder von Jerusalem.

In einer Geste (oder vielleicht in Reaktion auf eine spezielle Anfrage) an den Schirmherrn des Projekts fotografierte Kluger Schockens Haus und Bibliothek – die luxuriösen Gebäude, die von Mendelsohn in den Außenbezirken von Talbieh entworfen und kurz vor Aufnahme der Fotos eingeweiht wurden.

Eines der erstaunlichsten Details der Bilder des Hauses Schocken ist der private Pool und die ihn umgebende Gartenlandschaft, entworfen von einem Gärtner, der extra für diese Aufgabe aus Deutschland geholt wurde.

Diese Fotografien sind wichtige Dokumente für das Studium des jüdischen Teils Jerusalems während der Mandatszeit. Es gab auch sagenhafte Fotos des Skopus-Bergs, wozu die ursprüngliche Nationalbibliothek Israels im Wolfson House gehört.

Verspäteter Dank

Der jüdische Philosoph Martin Buber sagte einmal: „Je älter wir werden, desto größer wird unsere Neigung Dank zu sagen, besonders gen Himmel.“

Schocken, ein Bewunderer Bubers, übernahm auch dessen Weltanschauung und wollte seinen vielen Gratulanten danken. Der Prozess ihm sein Dankeschön-Geschenke zu schicken, wurde enorm verzögert – zu großen Teilen dank des Verlegers akribischen Aufmerksamkeit für Details – aber Klugers Luftbilder wurden schließlich doch verschenkt.

Die Serie hochqualitativer Silberdrucke wurde auf Karton aufgebracht und sorgfältig in eine Kiste verpackt. Schocken fügte dann eine auf Deutsch wie Hebräisch beschriebene Seite hinzu: „Ich habe die Freude, Ihnen, wenn auch mit Verspätung, als kleine Gegengabe für Ihre freundliche Aufmerksamkeit anlässlich meines sechzigsten Geburtstags eine Mappe Flugaufnahmen aus unserem Lande zu überreichen.“

Unter der Widmung fügte Schocken ein paar handschriftliche Worte auf Deutsch hinzu und unterschrieb.

Die sorgfältige Produktion der Fotos (die noch zur Verzögerung beitrug) wird eine recht teure Aufgabe gewesen sein. Schocken, ein vernünftiger Geschäftsmann, der mit seinem Geld immer vorsichtig umging, produzierte eine begrenzte Anzahl der Alben, die 40 handverlesene Bilder zum Inhalt hatten. Er produzierte zudem zwei Mini-Alben, die eine kleinere Kollektion von jeweils sechs bis zwölf Fotos beinhalteten. Mehrere Kopien dieser Alben werden heute im Archiv der Nationalbibliothek Israels aufbewahrt. Ein paar Alben liegen auch in den persönlichen Archiven einiger enger Mitarbeiter Schockens.

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs führte zu Einschränkungen der Zivilluftfahrt im vorstaatlichen Israel und Luftfotografie wurde verboten. Infolgedessen war am Ende das Projekt Schockens, Klugers und Schifrins für viele Jahre die einzige nichtmilitärische Dokumentation des Landes.

Selbst heute, 80 Jahre später sorgen die Schönheit und Qualität der Sammlung für Staunen und Inspiration.

Die Kreuzritterburg von Atlit 1937.
Luftbild des Skopusberg in Jerusalem

[Im Originalartikel können die Fotos zur Vergrößerung angeklickt werden.]

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Ein Gedanke zu “Historische Luftbilder des Landes Israel

  1. Dieses Land ist grandios! Ein Wunder Gottes! Kann man den Segen Gottes auf diesem Land leugnen, wenn man die faszinierende Entwicklung dieses kleinen Landes sieht, das mit seinen Errungenschaften wirklich ein Segen für die Völker ist.

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