Der ungesunde Antisemitismus des „europäischen Siedler-Kolonialismus“

First One Through, 29. September 2022

Es gibt einige Narrative, die einfach das Vorstellungsvermögen übersteigen. Manche sind völlig widersinnig und leicht zu widerlegen. Andere scheinen aus Verzweiflung ausgespuckt worden zu sein, um eine Feindposition zu verharmlosen. Und ein paar sind derart verdreht, dass sie von Universitätsprofessoren ausgebrütet und geheiligt worden sein müssen.

Betrachten Sie die Redewendung „europäischer Siedlerkolonialismus“, mit dem nach Israel ziehende Juden beschrieben werden.

Rashid Khalidi von der Columbia University liebte diesen Ausdruck. Noch im November 2017, am 100. Jahrestag der Balfour-Erklärung, erhielt er beim UNO-Komitee zur Ausübung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volks Aufmerksamkeit. Er verwendet den Ausdruck auf mehrere Weisen:

  • „… Arabische Stadtbewohner, die mit zunehmender Sorge die ständige Ankunft neuer europäisch-jüdischer Immigranten
  • „… die Erklärung war auf die Bedürfnisse des Zionismus zugeschnitten worden, einem europäischen Kolonisierungsprojekt
  • Die Palästinenser waren daher dreifach gebunden, was in der Geschichte des Widerstands indigener Völker gegen europäischen Kolonialismus vielleicht einzigartig gewesen sein dürfte. Sie sahen sich der Macht des britischen Empires in der Ära zwischen zwei Weltkriegen gegenüber, als nie ein einziger Kolonialbesitz mit der teilweisen Ausnahme Irlands sich erfolgreich aus den Krallen der europäischen imperialen Mächte befreien konnte.“

Joseph Masad ist aktuell Professor an der Columbia, der moderne arabische Politik lehrt; er sagte so ziemlich das Gleiche in einem Artikel im Middle East Eye vom 19. Juli 2022: Algeria, Israel and the last European settler colony in the Arab world (Algerien, Israel und die letzte europäische Siedlerkolonie in der arabischen Welt).

  • „Von den fünf europäischen Siedlerkolonien, die in arabischen Ländern gegründet wurden, waren in den 1960-er Jahren nur noch Algerien und Palästina kolonisiert.“
  • Als die letzten zwei der europäischen siedlerkolonialistischen Mächte in der arabischen Welt bildeten Frankreich und Israel ein enges Bündnis zur Koordinierung der Erhaltung ihrer Siedlerkolonien.“
  • „Wie auch Frankreich und Italien behaupteten die europäisch-jüdischen Zionisten Nachkommen antiker hebräischer Palästinenser zu sein und lediglich in ihr angestammte Land ‚zurückzukehren‘.“
  • „das pan-Judentum des europäischen Zionismus, die „judäischen“ Herrlichkeiten der palästinensischen Hebräer wiederherzustellen, die sie sich als Vorfahren europäischer Konvertiten zum Judentum angeeignet hatten, was als progressiv und sozialistisch dargestellt wird.“
  • „Unglücklich wegen ihrer Isolation als letzte europäische Siedlerkolonie in der arabischen Welt lieferten die Israelis den französischen Kolonisten logistische Unterstützung…“

Die Studenten haben begriffen. Bei einer Abstimmung zum Boykott Israels an der University of Wisconsin im März 2017 ging einer der Studenten einen Schritt weiter:

„Der israelische Staat wurde unter Verwendung derselben nationalistischen und ausschließenden Prinzipien gegründet, mit denen Juden in Osteuropa ausgebeutet wurden. Die Grundlage machte Israel genauso unterdrückerisch wie die Länder, die jüdischen Heime und Leben zerstörten und sie aus Osteuropa trieben. Israel ist von Anfang an keine jüdische Idee gewesen, sondern eine europäische.“

Stellen Sie sich Verderbtheit der antizionistischen Geisteshaltung der Universitäten von heute vor, dass Israel nicht einmal als jüdische Idee betrachtet wird, sondern schlicht als Mittel des europäischen Kolonial-Imperialismus.

Die ungeheuerlichen Gesinnungen werden von den Vereinten Nationen und antizionistischen Medien unterstützt. Dass sie angesprochen und widerlegt werden müssen ist beschämend, geht aber an den Kern des verbreiteten falschen, israelfeindlichen Narrativs, mit dem die hausieren gehen, einen Palästinenserstaat anstreben und der als Anker für ihre antisemitischen Überzeugungen gebraucht wird.

Kolonialismus – der Wunsch zu gewinnen gegen den Wunsch loszuwerden

Viele europäische Länder gründeten in aller Welt Kolonien; zu ihnen gehörten Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, die Niederlande, Belgien und Italien. Jedes Land richtete Außenposten ein, um bestimmte Vorteile in weit entfernten Ländern zu erlangen. Einige suchten Rohmaterial wie Getreide und Mineralien, um sie nach Hause zu exportieren. Einige suchten nach Handelsrouten und neuen Märkten. Wieder andere brachten Missionare, um das Christentum zu verbreiten. Jedes Land strebte danach das neue Territorium für eigennützigen Gewinn zu erschließen.

Alle, bis auf einen Fall, der fälschlich als Kolonialismus verleumdet wird: Zionismus als „europäischer Siedlerkolonialismus“.

Das antisemitische Narrativ, das Zionismus als „europäischen Siedlerkolonialismus“ beschreibt, gründet auf zwei prinzipiellen Überzeugungen: dass europäische Länder die Juden des Kontinents loswerden wollten sowie der weitere Wunsch die muslimischen Araber im Nahen Osten zu schwächen.

Mit der ersten ausgeheckten Begründung versuchen antisemitische Antizionisten zu argumentieren, dass die Großmächte Europas die Region kollektiv von ihren Juden säubern wollen. Das ist Antisemitismus in seiner niedrigsten und übelsten Form, der nahelegt, dass Juden allgemein ungewollte Fremde in ihrer Mitte sind.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas puschte dieses Argument im April 2018: „Lord Balfour hatte die Juden, aber trotzdem gab er ihnen einen Staat. Der russische Außenminister war durchaus für seinen Hass auf die Juden bekannt, dennoch sagte er [den Juden]: ‚Kommt, ich werde euch einen Staat in Palästina geben.‘“ Abbas behauptete, dass alle europäischen Führer die Juden hassten und sie loswerden wollten und Palästina als Müllkippe verwendeten. Die Formulierung „europäischer Siedlerkolonialismus“ ist insofern zutiefst antisemitisch, weil er vermittelt, dass Juden widerwärtig und ungewollt sind.

Die zweite Prämisse des europäischen Kolonialismus im Wunsch ein fremdes Gebilde einzusetzen, um die angebliche Einheit der muslimischen Araber im Nahen Osten zu schwächen, ist dumm, weil verschiedene europäische Mächte mit den vielen Stämmen in der Region zu tun hatten und sie zu funktionierenden Regierungen und Ländern aufbauten. Das britische Mandat Palästina wird von Arabisten als etwas Einzigartiges angeführt, obwohl es mit dem Sturz des Osmanischen Reichs Mandate für die ganzen Länder gab, die unabhängige Staaten werden sollten, so wie der Libanon, Syrien und der Irak.

Juden haben nichts mit den Israeliten der Antike zu tun und lebten nie in Israel

Der Antisemitismus des „europäischen Siedlerkolonialismus“ reicht über die Schmähung hinaus, der Zionismus sei von europäischen Führern angestoßen worden, um Europa von seinen Juden ethnisch zu säubern. Er verhöhnt die jüdische Geschichte.

Der amtierende Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas schrieb seine Doktorarbeit über eine bestimmte Form der Holocaust-Leugnung, die behauptete, Juden hätten keine Verbindung zu oder Geschichte in Israel, also schmiedeten die frühen Zionisten Komplotte mit den Nazis, um das Leben derart unerträglich zu machen, dass die Juden gezwungen wären in ein fremdes Land zu emigrieren. Abbas behauptete fälschlich, die Juden seien Nachkommen der Chasaren, ganz ähnlich dem, wie Massad von der Columbia University behauptete, die Juden würden vorgeben von „palästinensischen Hebräern“ abzustammen (was immer dieser lächerliche Ausdruck bedeuten soll), sondern in Wirklichkeit ein Haufen europäischer Konvertiten sind, die sich die Geschichte von jemand anderem „aneigneten“.

Dieses widerwärtige Narrativ ist für die Antizionisten eine entscheidende Komponente, denn die Definition einer „Kolonie“ bedeutet ein „Gebiet unter voller oder partieller Kontrolle eines anderen Landes“. Frankreich mag zwar in Algerien eine fremde Kolonie errichtet haben, aber es ist unsinnig zu sagen, dass der gesamte europäische Kontinent eine gemeinsame Kolonie zum Nutzen aller aufgebaut hätte. Aber welche Wahl haben die Antisemiten? Wenn sie gezwungen werden anzuerkennen, dass Juden aus Judäa und dem Land Israel sind, dann handelt es sich per Definition nicht nur eine jüdische Kolonie, sondern eine rechtmäßige Rückkehr von Juden aus ihrer Diaspora. Der Ausdruck „europäischer Siedlerkolonialismus“ ist antisemitisch, weil er den Juden ihre elementare Geschichte im Land Israel abspricht.

Juden kamen schon vor dem Mandat Palästina nach Palästina

Antisemitische Antizionisten argumentieren, das europäische Kolonisierungsprojekt habe mit der Erklärung von Lord Balfour 1917 und dann mit dem Mandat Palästina begonnen. Wer ein klein wenig mehr von Geschichte weiß, könnte auf Theodor Herzls Ersten Zionistischen Kongress 1897 im schweizerischen Basel hinweisen.

Die Realität lautet, dass Juden immer im Land Israel gelebt haben und dorthin zogen. Während der letzten gut hundert Jahre des Osmanischen Reichs (1800 bis 1914) stieg die jüdische Bevölkerung um mehr als das 13,4-Fache. Die christliche Bevölkerung nahm in dieser Zeit nur um das 3,2-Fache zu, während die muslimische Bevölkerung sich mit der Zunahme auf das 2,1-Fache kaum bewegte, was bedeutet, dass keine Muslime in diesem Zeitraum ins Heilige Land migrierten, weil ein solches Wachstum der natürliche Trend der Geburten minus der Todesfälle ist.

Der Grund, dass die Juden ins Land zogen, ist: Das Land war den Juden heilig war. Juden aus aller Welt beten nach Jerusalem ausgerichtet, die einzige Religion, die das so macht. Juden ist geboten Jerusalem jedes Jahr dreimal zu besuchen. Es gibt Gebote, die Juden nur in Israel einhalten können.

Zu sagen, der Zionismus sei ein „europäisches Kolonialprojekt“ ist antisemitisch, weil das die Zentralität und Heiligkeit des Landes für die Juden leugnet.

Israelische Juden sein keine Europäer

Die Verleumdung „Zionismus ist Rassismus“ wurde von muslimischen Staaten in den 1970-ern ausgebrütet, nachdem die arabische Welt zum Dritten Mal damit scheiterte Israel zu vernichten (die Kriege von 1948/49, 1967 und 1973). Die unfassbare UNO-Resolution wurde von den Vereinten Nationen 1991 gekippt, aber der Vorwurf wurde in modernen Zeiten unter dem Banner der „weißen Vorherrschaft“ und des „europäischen Kolonialismus“ wieder eingeführt.

Die einfache Tatsache lautet, dass weniger als ein Drittel der Israelis Vorfahren aus Europa haben. Stand 2018 ist, dass nur 31,8% der Juden aschkenasisch, also europäischen Erbes, waren und 12,4% aus der ehemaligen UdSSR kamen. Im Vergleich dazu sind 44,9% Mizrahi und 3% aus Äthiopien. Die übrigen Juden (7,9%) haben gemischtes Erbe. Dann gibt es 21,1% Araber (Muslime und Christen) und 5% sind sonstige Gruppen, darunter Ba’hai (eine Religion, die in mehreren Nachbarländern verboten ist), Samaritaner und andere.

Zu sagen, Israel sei ein Geschöpf des „europäischen Kolonialismus“ ist fundamental unsinnig, weil die meisten Israelis nicht aus Europa kommen.

Schwacher Versuch von muslimisch-arabischen, antisemitischen Erlassen abzulenken

Der Vorwurf, der Zionismus gründe auf europäischem Kolonialismus ist auf vielen Ebenen antisemitisch. Er wird in einem armseligen Versuch verwendet die Sache eines Palästinenserstaats voranzutreiben, obwohl er in Wirklichkeit das Gegenteil tut, indem er zeigt, dass Araber furchtbar judenfeindliche Nachbarn sind.

  • Zuzugeben, dass Juden Jahrtausende vor den Arabern da waren, heißt nicht, dass Araber keine Geschichte im Land haben, also hört auf anderes vorzutäuschen.
  • Zuzugeben, dass der Tempelberg der einzige heilige Ort für Juden ist, heißt nicht, dass er für Christen oder Muslime keine Bedeutung hat.
  • Zuzugeben, dass Jordanien/palästinensisch-muslimische Araber Juden das Betreten der Altstadt Jerusalems und die Höhle der jüdischen Patriarchen und Matriarchen in Hebron verboten, als sie sie kontrollierten, heißt nicht, dass Juden andere Religionen das Betreten dieser heiligen Orte verbieten werden.
  • Zuzugeben, dass Jordanien 1954 ein antisemitisches Staatsbürgerrecht erließ, das die Staatsbürgerschaft in Judäa und Samaria nur Menschen gewährte, wenn sie keine Juden waren, heißt nicht, dass der jüdische Staat Israel Nichtjuden untersagt Staatsbürger zu werden.
  • Zuzugeben, dass die meisten Israelis keine europäischen Juden sind, heißt nicht, dass Israel ständig herausstellen wird, dass der größte demografische Anteil in Israel die Juden sind, die aus muslimisch-arabischen Ländern kamen, die aus ihren Heimen vertrieben wurden.

Der moderne Staat Israel ist einfach die Wiedergründung jüdischer Souveränität in ihrem historischen Heimatland. Der Versuch Israel als Produkt europäischen Kolonialismus und Imperialismus zu verunglimpfen, ist sowohl falsch als auch zutiefst antisemitisch und schadet genau genommen der Sache der Palästinenser, weil sie ihre Unfähigkeit zeigt mit dem jüdischen Volk in Frieden zu leben.

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