Der neueste völkermörderische Angriff der Türkei auf Christen und andere Minderheiten

Raymond Ibrahim, 5. Januar 2023 (The Stream)

Viele im Westen haben von den schweren Gräueltaten gehört, die die Jihadisten desIslamischen Staats im Irak und Syrien (ISIS) an den religiösen Minderheiten im Fruchtbaren Halbmond beging, besonders an Christen und Jesiden. Mehrere westliche Regierungen stuften diese Gräueltaten – zu denen Massaker, Kreuzigungen, Folter und Sexsklaverei gehörten – später als Völkermord ein.

Heute sind sich jedoch nur wenige bewusst, dass dieselben völkermörderischen Gräuel gegen genau dieselben religiösen Minderheiten weitergehen, die am meisten unter ISIS in Nordsyrien litten – diesmal durch niemand anderen als eine weitere muslimische Kraft mit Kalifen-Anspruch: die Türkei unter der Führung von Recep Tayyip Erdoğan.

Vom 20. bis 25. November 2022 führte die Türkei 2.500 Angriffe – Luftwaffe, Mörser, Drohnen, Artillerie usw. – mehrere Meilen tief hinter Syriens nördliche Grenze durch. Das von der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) beherrschte Gebiet ist zufällig auch das, in der die meisten der früher verfolgten religiösen Minderheiten der Christen, Jesiden und Kurden leben.

Während der Operation Krallenschwert genannten Operation tötete die Türkei 48 Menschen, verletzte Dutzende und zerstörte oder beschädigte 2.300 zivile Häuser und Gebäude, darunter ein Kinderkrankenhaus, ein Gesundheitszentrum, ein Kraftwerk, unentbehrliche Öl- und Gasverarbeitungsbetriebe, entscheidende Getreidetürme und eine Großbäckerei.

Save the Persecuted Christians hielt fest: „Die Türkei scheint sich darauf zu konzentrieren der Zivilbevölkerung Lebensmittel, Wärme und Wasser entziehen zu wollen, während der Winter einsetzt. Sie warf sogar Bomben auf Zeltlager, in denen Überlebende früherer Invasionen untergebracht sind“, außerdem half sie ISIS-Terroristen aus dem Gefängnis zu entkommen.

Tödliche türkische Angriffe sind weitergegangen, die Genocide Watch veranlasste am 7. Dezember 2022 einen Genocide Emergency Alert (Völkermord-Notfallwarnung) auszugeben:

Diese militärischen Angriffe des Regimes von Recep Tayyip Erdoğan sind Teil einer breiteren türkischen Politik der Vernichtung der kurdischen und assyrischen [christlichen] Völker im nördlichen Syrien und dem Irak. Die Türkei hat Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen, darunter Bombenangriffe, Artilleriebeschuss, Folter und außergerichtliche Tötungen. Die Angriffe sind Teil der türkischen Völkermord-Politik gegenüber den Kurden, Christen und Jesiden.

Anders als die von ISIS in derselben Region begangenen Gräuel erhielten diese jetzt von der Türkei begangenen allerdings null Aufmerksamkeit der westlichen „Mainstream-Medien“ – nicht zuletzt, weil die Türkei NATO-Mitglied ist und daher anscheinend vor Kritik abgeschirmt wird.

Zum Glück schweigen andere nicht. In einem aktuellen Webinar mit dem Titel „Ist das Völkermord? Die Türkei beschießt Syriens Christen, Jesiden und Kurden“ diskutierte ein Expertenforum von Save the Persecuted Christians und lieferte Beweise für das, was sie alle als das „völkermörderische“ Handeln der Türkei gegen Christen, Jesiden und Kurden und andere ethnisch-religiösen Minderheiten in Nordsyrien bezeichneten und boten Beweise, außerdem wie die USA und die internationale Gemeinschaft darauf reagieren sollte.

Der Moderator des Webinars, Frank Gaffney, Leiter des Center for Security Policy, begann damit, dass er diese Entwicklungen Erdoğan zuschrieb, „der sich für den neuen Kalifen hält“ und „der sich der Wiedererrichtung des osmanischen Kalifats sowie der Durchsetzung der Scharia, der obersten Doktrin des Islam“ verschrieben hat, die „für Christen besonders unterdrückerisch“ ist.

Die meisten, wenn nicht sogar alle Podiumsteilnehmer stimmten verschiedenen Punkten zu und betonten sie, darunter:

Die erklärte Absicht der Türkei für ihre Aggression in Nordsyrien – heißt eine „Sicherheitszone“ entlang seiner Südgrenze zu Syrien zu schaffen – ist ein Vorwand und eine Ausrede für ihre wahre Motivation: „die religiösen und ethnischen Minderheiten zu beseitigen“, sagte Charmaine Hedding, Präsidentin des Shai Fund. Zu Erdoğans Bodentruppen, fügte sie hinzu, gehören ehemalige Jihadisten von ISIS, Al-Qaida und Tahrir al-Schams, die „massive Menschenrechtsverletzungen begehen und eine Agenda zur Schaffung eines Kalifats haben; sie werden religiöse Minderheiten in dieser Gegend ausrotten“.

Was die Türkei in Nordsyrien tut, ist laut der Rechtsdefinition der internationalen Gemeinschaft für diesen Begriff nicht nur ein Völkermord, sondern die Fortsetzung einer alten Politik. Der Diskussionsteilnehmer Gregory Stanton (Präsident von Genocide Watch) machte geradeheraus geltend: „Die  Türkei ist eine völkermörderische Gesellschaft… Die Türkei hat in der Geschichte so viele Völkermorde betrieben“, anscheinend mit einer Feindseligkeit besonders gegenüber einer Gruppe: „Sie [die Türkei] ist seit vielen Jahrhunderten christenfeindlich gewesen und hat versucht so viele Christen wie möglich abzuschlachten.“

Hedding stimmte zu: „Dieser Völkermord ist ein Muster, das wir sehen und es ist gewiss nichts Neues… Was wir erleben werden, ist das Ende der Christenheit und einiger Jesiden in dieser Gegend, wenn wir der Türkei erlauben damit davonzukommen. Es wird eine humanitäre Krise geben.“ Hedding fügte an: „Für die, die sagen ‚mit uns nicht!‘ oder ‚Nie wieder!‘- hier ist es, es passiert erneut.“

Vergangenheit und Gegenwart: Türkische Vertreibungen und Todesmärsche von Christen und anderen Minderheiten.

Die derzeitigen Opfer der Türkei – besonders Christen und Jesiden – sind tragischerweise die Nachkomment der früheren Opfer der Türkei, die sie auf den Todesmärschen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ebenfalls „völkermordete“. Lauren Homer, Präsidentin des Law and Liberty Trust erklärte, dass Nordsyrien genau der Bereich ist, wo die Osmanen vor mehr als einem Jahrhundert zahllose Christen abschlachteten. Die, gegen die sie sich jetzt richtet, sind ihre Nachkommen. Genauso verfolgt die Türkei das Ziel „zu beenden, was sie angefangen hat“, sagte Hedding und „Hunderttausende Menschen zu vertreiben, um die Demografie in Nordsyrien neu zu gestalten und zweitausend Jahre Geschichte auszulöschen.“

Was die Türkei Christen und anderen Minderheiten in Nordsyrien antut, ist Teil eines viel größeren Plan alle Nachkommen der ehemaligen christlichen Untertanen des osmanischen Reichs zu säubern, einschließlich derer Armeniens und Griechenlands, die beide unter den Türken Völkermorde erlebten und die jetzt erneut von der Türkei „als Teil ihrer Völkermord-Politik“ ins Ziel genommen werden, um Stanton zu zitieren. „Sobald erklärt wurde, dass ISIS besiegt war“, betonte Homer, „begann die Türkei genau die Leute anzugreifen, die ISIS bekämpften und besiegten“, heißt: die Kurden und andere religiöse Minderheiten, die die AANES bildeten.

Das jüngste militärische Handeln der Türkei in Afrin wurde auch als sinnbildlich für die Völkermord-Kampagne dieses Staates hervorgehoben. Dort flohen hunderttausende Christen und Jesiden, selbst als die Türken „sie [Christen und Jesiden] wie von Tür zu Tür gehend die Tiere hetzten“, sagte Hedding.

Es gab eine „jihadistische Fatwa gegen diese Völker“, sagte  Homer, der damit bestätigte: „Die Türkei hat dieselben Ziele wie ISIS, die darin bestehen aus all diesen Bereichen radikalisiert islamistische Staaten zu machen.“ Am Ende zerstörten sie 18 von 19 jesidische Tempel; Afrins jesidische Bevölkerung ist inzwischen seit 2014 um 90 Prozent geschrumpft. Was Christen angeht, so sind sie alle, rund tausend Familien, vor diesem jüngsten jihadistischen Vorstoß geflohen.

Kino Gabriel, ein (assyrischer) Christ und Leiter des Syrischen Militärrats, bot ein einzigartige Perspektive „von vor Ort“. Er betonte, dass der Krieg gegen die Christen in Syrien im Lauf der Jahre viele Formen angenommen hat und in der modernen Zeit bis zur Umsetzung der Arabisierung durch die Al-Assad-Dynastie zurückreicht, in der die Christen von 25 Prozent der syrischen Bevölkerung 1950 auf 12 Prozent 2010 zurückging, eine Zahl, die nach ISIS und jetzt mit der Türkei nur noch weiter abnahm, die, daran erinnerte er die Zuschauer, „ein großer Anhänger der Muslimbruderschaft und sogar dieser radikalsten Lager ist“.

Die Podiumsteilnehmer stimmten alle überein, dass die beste Möglichkeit voranzukommen darin besteht, dass die USA, die „alle alle Karten in der Hand  haben“, die Türkei als NATO-Partner zur Unterlassung aufruft. Während die Türkei ihre NATO-Mitgliedschaft ausnutzen kann und das auch tut, um mit Mord davonzukommen, erklärte Stanton, dass die USA deren Mitgliedschaft leicht aussetzen könnten, was wahrscheinlich ausreichen würde, damit die Türkei beschließt, dass ihr neuer Völkermord das nicht wert ist.

Nadine Maenza, die Präsidentin des International Religious Freedom Secretariat, betonte ihrerseits wiederholt, dass US-Unterstützung für AANES unerlässlich ist, da sie das einzige geeignete und demokratische Bollwerk zum Schutz der religiösen Minderheiten unter ihrer Zuständigkeit sind.