Zeitung im Iran drängt auf Entführung deutscher Diplomaten in Teheran

Kritiker rufen die EU und Deutschland auf alle Diplomaten des iranischen Regimes auszuweisen und Khamenei-freundliche Zentren zu schließen.

Benjamin Weinthal, Jerusalem Post, 24. Februar 2023

Demonstranten protestieren am 22. Oktober 2022 in Berlin nach dem Tod von Mahsa Amini im Iran (Foto: Reuters/Christian Mang)

Vom Obersten Revolutionsführer der Islamischen Republik Iran, Ali Khamenei, kontrollierte Nachrichtenmedien drängten am Mittwoch darauf, dass die iranischen Behörden als Reaktion auf die Ausweisung zweier iranischer Diplomaten durch Berlin deutsche Diplomaten in Teheran verhaften und vor Gericht stellen.

Kayhan, das als Khameneis Sprachrohr dienende Nachrichten-Medium, forderte am Dienstag als Reaktion auf Berlins Ausweisung zweier iranischer Diplomaten wegen der Verhängung der Todesstrafe gegen den deutschen Staatsbürger Jamschid Scharmahd, der zudem legaler Einwohner Kaliforniens ist, dass deutschen Botschaftsmitarbeitern nicht erlaubt wird den Iran zu verlassen.

Der leidenschaftlich antiwestliche und antisemitischer Chefredakteur von Kayhan, Hossein Schariatmadari, zudem Repräsentant Khameneis, drängte auf die Strafverfolgung eines „Geheimdienstoffiziers, der in der deutschen Botschaft stationiert ist“.

Schariatmadari behauptete in seinem Artikel, ohne Beweise dafür zu haben, dass „Scharmahd von der deutschen Regierung mit der Ausführung von Terroroperationen beauftragt ist und das Handeln des deutschen Auswärtigen Amtes mit der Einbestellung des iranischen Botschafters und der Ausweisung zweier Beschäftigter der Botschaft Irans eine Art von Ablenkungsaktion ist, um die Spuren der Beteiligung der deutschen Regierung an dieser Terroroperation zu verwischen“.

Schariatmadari fügte hinzu: „Der nächste Schritt sollte sein eine Klage gegen die deutsche Regierung beim Internationalen Strafgerichtshof einzureichen, weil sie Terroristen in den Iran geschickt hat, um die unterdrückten Menschen des Landes zu massakrieren.“

Kayhan schrieb: „Im ersten Schritt kann und sollte der Iran den Mitgliedern der deutschen Botschaft verbieten das Land zu verlassen.“

Das Middle East Media Research Institute (MEMRI) veröffentlichte übersetzte Teile des Kayhan-Artikels.

Aktivisten protestieren am 13. Januar 2020 vor dem Auswärtigen Amt in Berlin gegen die iranische Regierung, nachdem ein ukrainisches Passagierflugzeug im Iran abstürzte (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Todesstrafe verkündet

Der theokratische Staat verkündete am Dienstag [21. Februar], dass der 67 Jahre alte Scharmahd zum Tode verurteilt wurde, nachdem er der „Korruption auf Erden“ für schuldig befunden wurde. Irans Regime führte einen Schauprozess gegen Scharmahd durch, der laut seiner Familie und Menschenrechtsgruppen von den Behörden hereingelegt wurde.

Jamschid ist der Sprecher für die aus dem Iran stammende Königsversammlung des Iran. Das Regime des Iran hat unterstellt, ohne irgendwelche Beweise vorzulegen, dass Scharmahd an einem Bombenanschlag auf die Hosseynieh Seyed al-Schohada-Moschee in der Stadt Schiraz im Jahr 2008 beteiligt gewesen sei. Das Regime behauptete, der Bombenanschlag habe den Tod von 14 Menschen zum Ergebnis gehabt und 215 weitere wurden verletzt. Agenten des iranischen Regimes entführten Scharmahd 2020 in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Das vom iranischen Regime kontrollierte Medienorgan Mizan, das über Justiz- und Rechtssachen berichtet, bezeichnete Scharmahd in einem Video als „den Führer einer Tondar-Terrorgruppe“ und bringt ihn mit der Dissidenten-Partei Tondar in Verbindung. Scharmahd und seine Familie bestreiten die Vorwürfe des Regimes rundheraus. Irans Justiz lieferte keine Beweise für ihre Behauptung, dass Scharmahd mit den Todesfällen von 2008 in Verbindung steht. Scharmahd war damals in Kalifornien und arbeitete als Radio-Journalist. Irans Regime berichtete ursprünglich in zwei staatseigenen Medien, die Explosion in Schiraz sei von Munition ausgelöst worden, die ein einer Ausstellung über den Irak-Krieg gelagert war.

Die gewalttätige Rhetorik Schariatmadaris erinnert an die Stürmung der US-Botschaft und die Entführung von 52 US-Diplomaten und -Bürgern 1979, die von militanten Islamisten ausgeführt wurde.

Jason Brodsky, politischer Direktor von United Against Nuclear Iran mit Sitz in den USA, sagte der Post: „Hossein Schariatmadari ist dem iranischen Establishment bei dieser Art von Themen oft einen Schritt voraus. Er hat sich z.B. seit Jahren dafür eingesetzt, dass der Iran sich aus dem NPT [Atomwaffenwaffensperrvertrag] zurückzieht, was die Islamische Republik aber formell nicht gemacht hat. Er befindet sich damit oft außerhalb seiner Kompetenzen und dass er einen solchen Text abdruckt, heißt nicht notwendigerweise, dass das die offizielle Haltung Teherans ist.

„Trotzdem gibt es in Anbetracht der Geschichte des Iran diesbezüglich – Stürmung der US-Botschaft 1979 und Plünderung der britischen Botschaft 2011 – Grund zur Sorge. Zusätzlich hat es vor kurzem eine Risikoeinschätzung für Auslandsbotschaften gegeben, besonders nach dem Anschlag auf die aserbaidschanische Botschaft in Teheran vor einigen Wochen. Daher würde ich raten, dass die europäischen Regierungen sich besonders auf diese besorgniserregenden Trends einstellen.“

Eine Iranerin geht an der früheren US-Botschaft mit einem antiamerikanischen Wandbild darauf vorbei (Foto: Majid Asgarpour/WANA/Reuters)

Er fügte hinzu: „Es hat mich ermutigt zu sehen, dass Deutschland als Reaktion auf das unfassbare Todesurteil zwei iranische Diplomaten ausgewiesen hat. Aber es hätte der Sache mehr Gewicht verliehen, wenn der Rest der EU-Mitgliedstaaten aus Solidarität mit Berlin iranische Diplomaten aus ihren Hauptstädten ausgewiesen hätte.
Diese koordinierten Schritte im Großen haben eine bessere Chance die Aufmerksamkeit der iranischen Entscheidungsträger und Meinungsmacher zu erhalten und hätte in Anbetracht der inakzeptablen Liste vom Regime als Geiseln festgehaltener europäischer Bürger schon vor langer Zeit unternommen werden sollen. Geiselnahme ist auch ein weiterer Datenpunkt dafür, warum die EU die IRGC (Iranischen Revolutionsgarden) als Terror-Organisation eingestuft werden sollte.

Scheina Vojoudi, eine in Deutschland lebende iranische Dissidentin und Associate Fellow für das Gold Institute for International Strategy, sagte der Post: „Das ist der letzte Versuch der Islamischen Republik sich vor dem Sturz zu retten. Ich kann nicht aufhören Deutschland wegen seiner Beziehungen zur Islamischen Republik zu kritisieren, aber zumindest kennen wir, die Iraner, die Methoden der Islamischen Republik sehr gut, dass diese Anschuldigungen gegen Deutschland und natürlich gegen Jamschid Scharmahd zur Rechtfertigung der Anklagepunkte gegen Jamschid Scharmahd haltlos sind.
Aber der wichtigere Grund ist, Deutschland zu zwingen von seiner Position gegen die Menschenrechtsverletzungen und Terroraktivitäten der Islamischen Republik Abstand zu nehmen. Die Vorwürfe der Islamischen Republik gegen Deutschland haben mehrere schwerwiegende Gründe. Ich kann nur ein paar davon anführen: die Münchener Sicherheitskonferenz ohne die Teilnahme des Repräsentanten der Islamischen Republik und die Einladung des iranischen Kronprinzen Reza Pahlevi zur Konferenz ist der jüngste Versuch Deutschlands Jamschid Scharmahd zu retten.“

Sie sagte, dass es für Deutschland nicht zu spät ist weitere Sanktionen gegen die Islamische Republik zu verhängen.

„Jahrzehnte lang hat Deutschland verhandelt und Umgang mit dem islamischen Regime im Iran gehabt, trotz all der Verbrechen, die dieses Regime an den Iranern und der Menschheit begangen hat.
Deutschland sollte sich endlich auf die richtige Seite der Geschichte stellen und diesem kriminellen Regime nicht erlauben Deutschland zu erpressen, sondern im Gegenteil mutiger agieren und die Botschaft der Islamischen Republik in Deutschland schließen, alle Diplomaten des Regimes ausweisen und auch alle islamischen Zentren schließen, die zur Islamischen Republik Iran gehören.
Der Vorschlag eines Reiseverbots für deutsche Botschaftsmitarbeiter durch den Iran ist mit anderen Worten Geiselnahme, mit der sich Islamische Republik auszeichnet.“

Irans Einflussbereich in Deutschland

Der Stadtstaat Hamburg erlaubt den Betrieb des Khamenei gehörenden und von ihm kontrollierten Islamischen Zentrums und der Blauen Moschee. Das Islamische Zentrum und die Blaue Moschee fördern Antisemitismus und betrauerten, dass die USA den von den USA und der EU als Terroristen eingestuften Qassem Soleimani umbrachten, den Kommandeur der Quds Force der Islamischen Revolutionsgarden, der bei einem Drohnenangriff der USA in Bagdad am 3. Januar 2020 getötet wurde.

Die Post schickte ausführliche Presseanfragen an die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz, in denen um eine Antwort auf die Forderung des Kayhan-Artikels gebeten wurde, deutschen Diplomaten solle die Ausreise aus dem Iran verboten und sie vor Gericht gestellt werden. Die Post fragte auch, was die deutsche Regierung tut, um die Freilassung von Scharmahd zu tun gedenkt.

Die Post fragte, ob die deutsche Regierung den Druck auf das Regime des Iran erhöhen wird, um die Hinrichtung von Schamahd zu unterbinden, indem die diplomatischen Beziehungen zu Teheran abgebrochen werden, die IRGC als Terror-Organisation verboten werden und den Handelsbeziehungen mit dem Iran von mehr als $1 Milliarde der Stecker gezogen wird.

Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums sagte gegenüber der Post: „Die Themen, zu denen Sie Fragen stellen, sind in der Regierungs-Pressekonferenz wiederholt diskutiert worden.
Auch Außenministerin Baerbock äußert sich regelmäßig zum Iran, viermal allein diese Woche. Zum Beispiel am letzten Samstag auf der Münchener Sicherheitskonferenz, Montag im EU-Außenministerrat und zweimal diese Woche nach dem inakzeptablen Todesurteil gegen Herrn Scharmahd.“

Die Post schickte eine zweite Anfrage, mit Bitte an den Sprecher, er möge Kopien der Diskussionen auf der Regierungs-Pressekonferenz zuschicken, sowie auf Dr. Kazem Moussavis Kritik an der Deutschland vorgeworfenen Appeasement-Politik gegenüber dem Iran zu antworten. Die in der Anfrage der Post aufgebrachten Themen werden auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes nicht angesprochen. Das Auswärtige Amt postete zwei Presse-Stellungnahmen von Außenministerin Baerbock, die das Regime drängen Scharmahd nicht hinzurichten. Sie führte keine Strafmaßnahmen an, die gegen Teheran verhängt werden, um Scharmahds Freilassung sicherzustellen, die über die Ausweisung zweier iranischer Diplomaten aus Berlin und die Einbestellung des Chargé d’Affaires der iranischen Botschaft hinausgehen.

Traditionell wird Deutschland als schwächstes europäisches Glied bei den Bemühungen Europas und der USA betrachtet, das Regime des Iran zu isolieren und seinen Terrorismus, illegale Atomwaffen-Forschung, Menschenrechtsverletzungen und Entführungstaktiken aufzuhalten.

Kazem Moussavi, Sprecher der Grünen Partei im Exil, sagte gegenüber der Post: 2Als politische Geisel wurde der deutsche Staatsbürger Jamschid Scharmahd das Opfer der Appeasement-Politik. Nach mehr als zwei Jahren unter Folter und Isolationshaft wurde er gnadenlos in den illegitimen Schauprozess des Terror-Regimes gebracht und am Ende rücksichtslos zum Tod verurteilt.“

Er fügte hinzu: „Ich kritisieren die deutsche Regierung dafür, dass sie im Verlauf der letzten zwei Jahre alle Aufrufe Schamahd zu helfen ignoriert hat und behauptete, sie würde diplomatische Mittel einsetzen, um die Geisel zu befreien; um die deutsch-iranischen Beziehungen und die Atomgespräche mit den Mullahs nicht zu gefährden, könnte Scharmahd jetzt jeden Moment hingerichtet werden, was davon abhängt, ob sein Todesurteil vom Obersten Gericht des Mullah-Regimes aufrecht erhalten wird oder nicht.“

Moussavi fuhr fort: „Mit dem Todesurteil gegen Scharmahd will das Regime nicht nur die Regimegegner einschüchtern, sondern auch die Bundesregierung erpressen.2

Moussavi sagte, wenn Kanzler Scholz Scharmahds Leben retten wolle, „dann muss Scholz dem Regime ernsthaft mit dem konsequenten Abbruch der deutschen Beziehungen zu Iran und dem Atomdeal drohen, sowie damit, die Revolutionsgarden sofort in Deutschland und der EU als Terroristen einzustufen, sollte Scharmahd nicht auf der Stelle freigelassen werden. Sollte Scharmahd hingerichtet werden, wird Deutschland beträchtlicher Schaden an seinem politischen Image zugefügt.“

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