Im Jemen des späten 19. Jahrhunderts baute Suleiman Habschusch ein erfolgreiches Handelsimperium auf und spannte seinen Erfolg ein, um bedürftigen Mitgliedern der lokalen jüdischen Gemeinschaft zu helfen. Später, als sein Enkel die Firma erbte, half die Familie die Gemeinschaft nach Israel zu bringen.
Chen Malul, the Librarians, 21. März 2023

Suleiman Habschusch wurde 1856 in Sana’a im Jemen als jüngster von fünf Söhnen einer jüdischen Familie geboren. Als er acht Jahre alt war, verstarb sein Vater. Suleiman arbeitete in seiner Jugend als Kupferschmied, so wie seine Brüder und sein Vater vor ihm. Dennoch rang er darum, mit seinem Gebiet seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und wechselte bald in den Handel. Suleiman verließ Sana’a und begann das große kaufmännische Netzwerk, das eines Tages im Jemen zu einem vertrauten Namen werden sollte.
Suleiman, der in seinen frühen Jahren Armut und Mangel kannte, beschloss, es sei nicht in Ordnung, dass seine Familie allein die Früchte seines Erfolgs genießen sollte. Bei seinen Reisen durch das Land war der den Schwierigkeiten ausgesetzt, unter denen die Juden überall im Jemen litten – Verwahrlosung, Verfolgung durch muslimische Obrigkeit und Arbeitslosigkeit. „Als er erkannte, dass es die Notwendigkeit gab die Gemeinschaft zu vertreten, nahm er das heimlich auf sich“, schrieb Suleimans Enkel Yechiel Habschusch.
Suleiman weitete sein Handelsnetzwerk schrittweise aus, das neben seinen Geschäftsaktivitäten auch als Hilfsnetzwerk diente. Während der verheerenden Belagerung Sana’as 1905 kam Suleiman der Gemeinschaft zu Hilfe. Er beschrieb diese furchtbare Zeit in seinem Buch Eschkolot Merurot, in dem er vermerkte, dass „rund zwei Drittel der Einwohner bei dieser Belagerung umkamen“.
Die geschäftige Atmosphäre und die Großzügigkeit, die in Suleimans Haus in Sana’a geübt wurde, sind bestens bekannt und wurden seinem Enkel Yechiel eingeflößt, der ein paar Jahre nach der Belagerung geboren wurde. Im Vorwort zu dem Buch, das Yechiel als Erwachsener schrieb, beschrieb er das Heim der Familie während seiner Kindheit als zu jeder Tages- und Nachtzeit voller Besucher.
„Es gab kaum Privatleben im Sinne des Wortes. Die Türen unseres Hauses waren fast den ganzen Tag bis spät in die Nacht offen, wobei die Häuser als Wohnsitze wirkten, in denen die Familien aßen und schließen, außerdem als Zentrum für Handel im Jemen und im Ausland, Lagerhaus vor Ort für die Waren und als Büros. Von den frühen Morgenstunden an war die Straße der Familie Habschusch, die auf einer Seite geschlossen war, mit Besuchern gefüllt. Die Straße war gesäumt mit Pferden, Maultieren und Eseln, die den Besuchern, Telegrammboten und Postboten, Regierungsvertretern, Maklern, Kaufleuten, Käufern und Verkäufern aus Sana’a und dem gesamten Jemen gehörten, Unruhestiftern, Geschäftsleuten, Menschen, die um Hilfe baten, Leuten, die mittags auf die Verteilung von Brot warteten sowie Gästen aus dem Jemen und im Ausland. Ein Ratshaus für Weise und Geschäftsleute, Hochzeiten und Brit Milah-Feiern und auch – leider – für Trauerrituale und dergleichen. Das gesamte Haus war ständig belebt.“
Suleiman starb 1922 und das von ihm gegründete Handelsnetzwerk ging an seine Söhne und Enkel über, die es in „Suleiman Habschusch & Söhne“ umbenannten und in andere Länder ausdehnten. Wie die Geschichte es wollte, wurde die Handelsfirma in der Zeit berühmt, die manche „die zweite Rückkehr nach Zion“ nannten – die Ära der großen Wellen jüdischer Immigration ins Land Israel und der Gründung des Staates Israel.

Im Verlauf seines eigenen Lebens behielt Yechiel Habschusch das Familienerbe der Großzügigkeit und Philanthropie bei – Yechiel war ein Geschäftsmann und öffentlicher Aktivist sowie Schriftsteller, Dichter und Forscher zum jemenitischen Judentum. Er spendete schließlich das gewaltige Archiv der Familie der Nationalbibliothek Israels, was uns die Möglichkeit gab die breit gefächerten humanitären Aktivitäten der Familie Habschusch nachzuzeichnen. Hier erfuhren wir, dass Yechiel aus dem Hafen von Aden 1930 ins Mandat Palästina einwanderte. Er war drei Jahre zuvor aus Sana’a kommend in Aden angekommen und arbeitete daran Kontakte zum Büro der Jewish Agency in der Stadt zu entwickeln und vielen jüdischen Familien half ins Land Israel zu immigrieren.
Bei seiner Ankunft in Palästina schloss er sich sofort dem örtlichen Zweig der Handelsfirma der Familie in Tel Aviv an, der von seinem Onkel David Tov eröffnet wurde. In der Filiale in Tel Aviv konnten die im Land Israel lebenden jemenitischen Juden Geld an ihre Familien in Aden oder Sana’a schicken. Ohne Banken im Jemen war damals der schnellste und vielleicht einzige Weg Geld zu schicken der über Handelsfirmen. Wie funktionierte das? Ein Mensch konnte in der Filiale in Tel Aviv eine Geldsumme einzahlen und der Niederlassungsleiter in Sana’a oder Aden sollte dann die eingezahlte Summe an ihre Verwandten im Jemen weiterleiten.
Die Firma der Familie Habschusch führte ausführliche Aufzeichnungen zu diesen Zuwendungen und im Archiv gibt es hunderte handschriftliche Quittungen für die im Jemen erhaltenen Gelder. Am Rand dieser Quittungen fügte Yechiel Notizen an seine Brüder im Jemen hinzu, um „soundso viele Lira zu geben, die sein Verwandter ihm schenkte“.

Und was war mit denen, die dieses Glück nicht hatten? Was ist mit den Flüchtlingen und den Bedürftigen, die keine Familie im Ausland hatten, die ihnen Geld schicken konnten? Um zu helfen schlossen sich Yechiel und sein Cousin Meir Levi der Organisation Ezrat Ahim in Tel Aviv an, die sich den Belangen der jemenitischen Immigrantengemeinschaft im Land Israel gewidmet hatte. Was die Arbeit im Jemen selbst anging, so mobilisierten Yechiel eine Gruppe junger Männer, die er aus seinen Tagen in Aden kannte. Diese Verbindungen sollten eine entscheidende Rolle dabei spielen Juden nach Israel zu bringen, die immer noch im Jemen geblieben waren.
Eine komplette Akte im Archiv der Familie Habschusch bietet Belege für einen entscheidenden Teil der Aktivitäten von Ezrat Ahim, der der Versorgung jüdischer Waisen im Jemen gewidmet war. Laut lokalem islamischem Recht mussten Waisen, die beide Eltern verloren haben, in die Obhut einer muslimischen Familie gegeben werden, die sie entsprechend der Religion Mohammeds aufziehen würden. Um einer solchen Möglichkeit vorzubeugen, wurde ein Schmuggelnetzwerk organisiert, um die Waisen zu retten – zuerst, indem sie zu anderen jüdischen Gemeinden gebracht wurden und dann so schnell wie möglich weiter ins Land Israel.
Dank der Aktivitäten von Ezrat Ahim und der Hilfe der Jugend-Aliyah-Bewegung unter der Führung von Henrietta Szold wurden hunderte Waisen aus dem Jemen vor der Errichtung des Staats Israel ins Mandat Palästina gebracht.


Die Bemühungen der Familie Habschusch zur Werbung für den Zionismus im Jemen
Abgesehen davon, dass sie Flüchtlingen und Bedürftigen in den jemenitischen Gemeinden echte Hilfe boten, glaubten Yechiel und seine Familienmitglieder an ihre Sache, weil sie den Jemen nicht länger als Ort ansahen, der für Juden taugte. Vor und nach der Gründung des Staates Israel arbeitet Yechiel daran Rabbiner und jüdische Leiter im Jemen zu überzeugen, dass sie die zionistische Bewegung unterstützen. Im Archiv fanden wir ein anschauliches Beispiel dafür in einem Brief, den Yechiel an Rabbi Yosef Shemen schrieb, einen der letzten Leiter der jüdischen Gemeinde Sana’a, in dem er dem Rabbi die jüdische Nationalbewegung erklärte, die die Juden aufrief ins Land Israel einzuwandern.

Die Familie Habschusch legte großen Wert auf die Bildung der Kinder der Gemeinschaft. In den 1940-er Jahren wurde in Sana’a ein hebräische Schule für Jungen neben einer Schule für Mädchen gegründet. Das war eine außergewöhnliche Entwicklung, weil die Bildung von Mädchen in der jemenitischen jüdischen Gemeinschaft vorher weithin übersehen wurde. Die Schüler lernten sowohl religiöses als auch allgemeine Themen, sowie Hebräisch – vielleicht in Vorbereitung auf ihre Immigration. Die Schulen für Jungen und Mädchen wurden von den Leitern und Rabbiner von Sana’a mit Spenden der Familie Habschusch verwaltet, die ihre Gründung und ihren Betrieb finanzierten.
Bald verbreiteten sich in allen jemenitischen jüdischen Gemeinden Gerüchte über die Möglichkeit durch die britisch kontrollierte Hafenstadt Aden ins Mandat Palästina zu reisen. Menschen strömten in die Stadt. Die Zulassungszertifikate kamen nur langsam und die Infrastruktur konnte den Zustrom so vieler Menschen nicht tragen. Viele starben an Hunger und Krankheiten. Einmal mehr mobilisierte Ezrat Ahim Hilfe, um in diesen tragischen Umständen zu helfen.
Abgesehen von den Aktivitäten in Jemen selbst, sah Yechiel es als wichtig an dem Rest der hebräischen Siedlung zu erreichen und mit seinem scharfen Geschäftssinn initiierte er eine Reihe Willkommens-Initiativen. Unter anderem schlug er dem Bürgermeister von Tel Aviv vor einen Tag zu organisieren, der komplett der Sammlung von Spenden für Adens Flüchtlinge gewidmet war.

Das Material im Archiv der Familie Habschusch spiegelt das enorme Ausmaß der Aktivitäten von Ezrat Ahim. Es scheint so, dass die Organisation bei jeder Gelegenheit, zu der eines der Mitglieder der Gemeinschaft Hilfe benötigte, zu Hilfe eilte, so gut sie konnte. Zu der Hilfe gehörte: Anfragen vom öffentlichen Rundfunk die Auftritte „des geliebten Ansagers und Sängers Yechiel Adaki“ wieder aufzunehmen, Hilfe bei Wohnungsfindung und Miete für Immigranten-Familien, ein Appell an die Mandatsobrigkeit zugunsten jüdischer Häftlinge und viel mehr. Ezrat Ahim zögerte nicht in das Leben der Gemeinschaft im Jemen einzugreifen und forderte sie sogar auf jegliches Gezänk innerhalb der lokalen Gemeinschaft einzustellen und sich hinter der gemeinsamen Sache zu vereinen, um die Gemeinschaft zu retten.1985/86 veröffentlichte Yechiel ein Buch über die Familie Habschusch in zwei Bänden; darin sind viele Dokumente aus dem Archiv enthalten, die die Geschichte der Familie erzählen. Yechiel blieb aktiv, bis in den 1990-er Jahren der letzte Jude des Jemen nach Israel gebracht wurde. Er verstarb 2002 im Alter von 91 Jahren.
