Israels Justiz-Reformplan erklärt

Wie Israel in die am meisten polarisierende öffentliche Debatte in Jahren verwickelt wurde; was die Reformen tun würden und warum manche gegen sie sind.

David Rosenberg, Israel National News, 14. März 2023

Yariv Levin (rechts) und Simcha Rothman (links) (Foto: Yanatan Sindel/Flash90)

Von gestern auf heute stimmte die Knesset dafür die „Override Clause“ [Aufhebungsklausel] voranzubringen; die Vorlage wurde mit einer Mehrheit von 61 gegen 52 Stimmen in erster Lesung angenommen.

Der Gesetzestext, vielleicht der umstrittenste Teil des umstrittenen Justiz-Revisionsplans der israelischen Regierung, würde die Knesset ermächtigen mit einer Mehrheit von 61 Stimmen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs mit einem Veto zu belegen, die Gesetze der Knesset aufheben.

Er würde auch zum ersten Mal das Recht des Obersten Gerichtshofs in Israel verankern Gesetze juristisch zu überprüfen – eine Tatsache, die von den Gegnern der Reform nur allzu oft ignoriert wird.

Verfassungsrecht in Israel

Als Israel im Mai 1948 seine Unabhängigkeit erklärte, forderte die Erklärung die Zusammenkunft einer Verfassung gebenden Versammlung zum Entwurf einer Verfassung, die nicht später als bis zum 1. Oktober desselben Jahres abgeschlossen sein sollte.

Wie es so oft geschieht, kam allerdings die Realität dazwischen und zwar in Form eines massiven arabischen Einmarschs, was nicht nur den Entwurf einer Verfassung verzögerte, sondern auch die Wahl der Verfassung gebenden Versammlung.

Wahlen wurde erst Ende Januar 1949 abgehalten, was zur Folge hatte, dass die Verfassung gebende Versammlung zur Folge hatte, die später die erste Knesset genannt wurde.

Nachdem die ursprüngliche Frist vom Oktober 1948 bereits verpasst wurde, rang die Knesset darum eine Vereinbarung zur Verabschiedung einer Verfassung zu erreichen, wobei sich religiöse und säkulare Abgeordnete um Fragen von Religion und Staat stritten und der damalige Premierminister David Ben-Gurion war gegen die Ratifizierung eines jeglichen Dokuments, von dem er das Gefühl hatte, es würde sie von den unmittelbaren, konkreten Problemen des jungen Staates ablenken.

Bis 1950 war offensichtlich geworden, dass während der Amtszeit der ersten Knesset keine Einigung zu einer umfassenden Verfassung erzielt werde könnte, was zur Harari-Lösung führte.

Entworfen von Yizhar Harari und von der Knesset verabschiedet, beauftragte der Beschluss den Knesset-Ausschuss für Verfassung, Recht und Justiz mit dem Entwurf einer Verfassung, mit der Anweisung das stückchenweise zu tun, über einzelne Grundlagengesetze, die eines Tages zusammen als Verfassung Israels ratifiziert werden würden.

Die erste Knesset weist den Ausschuss für Verfassung, Recht und Justiz an einen Verfassungsentwurf für den Staat vorzubereiten. Die Verfassung wird Abschnitt für Abschnitt aufgebaut werden, auf eine Weise, dass jeder davon ein eigenes Grundlagengesetz darstellt. Die Abschnitte werden der Knesset vorgelegt, wenn der Ausschuss seine Arbeit beendet und alle Abschnitte zusammen werden die Verfassung des Staates ausmachen.

In den Jahrzehnten seit der Verabschiedung des Textes hat die Knesset 13 einzelne Grundlagengesetze verabschiedet, die Gesetze zahllose Male ergänzt; die letzte Ergänzung wurde im Vorfeld der Bildung der neuen Regierung im letzten Dezember gemacht.

Die Verfassungs-Revolution

Die nächsten 45 Jahre interpretierte die israelische Justiz die einzelnen Grundlagengesetze nicht als de facto-Verfassung und nahm nur eine sehr begrenzt substanzielle gerichtliche Überprüfung vor, die in zwei bahnbrechenden Fällen 1969 und 1974 definiert wurden.

Im ersten hob der Oberste Gerichtshof eine Regelung auf, die die staatliche Finanzierung der Wahlkämpfe politischer Parteien einschränkte. In seinem Urteil im Fall von Aharon A Berman gegen den Finanzminister entschied das Gericht, weil das Grundlagengesetz des vierten Absatzes der Knesset eine absolute Mehrheit von 61 Abgeordneten zur Ergänzung benötigt (statt einer einfachen Mehrheit der abstimmenden Abgeordneten) ist dieser Teil des Grundlagengesetzes im Verfassungsrecht verankert.

In einem Nachfolge-Urteil des Negev-Falls von 1974 stellte das Gericht klar, dass es nicht das Recht hat gerichtliche Überprüfungen aufgrund anderer, nicht verankerter Grundlagengesetze vorzunehmen.

Das änderte sich allerdings mit Israels Verfassungs-Revolution in den 1990-er Jahren, als der Oberste Gerichtshof für sich massive Macht juristischer Überprüfungen einsetzte, zusammen mit einer massiven Erweiterung der Verwendung des Angemessenheits-Standards, um administrative Entscheidungen und Ernennungen aufzuheben.

Aharon Barak, damals ein beisitzender Richter am Obersten Gerichtshof, behauptete, dass die Verabschiedung zweier neuer Grundlagengesetze 1992 – das Grundlagengesetz Freie Berufswahl und das Grundlagengesetz Menschenwürde und Freiheit – dem Obersten Gerichtshof breite Machtbefugnisse für gerichtliche Überprüfungen etabliere.

Es wurde zwar keiner der beiden Gesetzesvorschläge mit einer Mehrheit von 61 Stimmen verabschiedet, aber der erste beinhaltete eine Klausel, die nur mit 61 Stimmen Mehrheit ergänzt werden konnte.

Das Grundlagengesetz Menschenwürde und Freiheit bot keine Stimmengrenze für Änderungen, sondern beinhaltete eine Klausel, die die Verabschiedung von Gesetzen einschränkte, die das neue Grundlagengesetz verletzen auf „ein Gesetz, das den Werten des Staates Israel angemessen ist, für einen angemessenen Zweck erlassen wurde und in einem Ausmaß, das nicht größer ist als erforderlich“.

1995 unternahm das Gericht seinen ersten konkreten Schritt zu Bestätigung seines eigenen Rechts auf umfassende gerichtliche Überprüfung mit dem Fall Bank Mizrahi vs. Migdal Kooperativendorf; hier entschied es, dass eine einzelne Knesset zukünftige Knessets verpflichten kann, was die Souveränität jeder Knesset als konstituierende Versammlung Israels einschränkt.

Ab 1997 nutzte der Oberste Gerichtshof sein neu erklärtes Recht zu juristischer Überprüfung und hob 20 von der Knesset verabschiedete Gesetze auf.

Die gerichtliche Überprüfung wurde in den 1990-er Jahren nur zweimal angewendet, in späteren Jahren dann regelmäßiger, wobei das Gericht in den 2000-ern vier Gesetze und in den 2010-er Jahren 12 Gesetze aufhob. 2020 hob das Gericht dann zwei Gesetze auf.

Der Vorstoß zu Justizreform

Die schnelle Ausweitung des juristischen Aktivismus im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte löste, insbesondere bei der Rechten, eine Gegenreaktion nicht nur gegen die Verwendung der juristischen Überprüfung durch das Gericht aus, sondern gegen eine ganze Latte langjähriger Probleme, einschließlich der Zusammensetzung des Gerichts und der Rolle, die die Richter bei der Ernennung ihrer eigenen Nachfolger spielen.

Israelische Richter werden von einem neunköpfigen Komitee ernannt, zu dem zwei Minister gehören, zwei Knesset-Abgeordnete (traditionell kommt einer davon aus der Koalition und der andere aus der Opposition), zwei Mitglieder der israelischen Anwaltskammer und drei Richter des Obersten Gerichtshofs.

Das hat den fünf nicht gewählten Vertretern im Komitee ein de facto-Veto über Ernennungen zum Gericht gegeben, obwohl eine Reform im Jahr 2008 den Einfluss der Regierung etwas erweiterte, indem eine Mehrheit von sieben Stimmen zur Bestätigung von Kandidaten erforderlich wurde.

Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte hat das Vertrauen in den Obersten Gerichtshof beträchtlich abgenommen; eine Mehrheit der Israelis glauben, die Richter des Gerichtshofs werden stark von ihren eigenen politischen Ansichten geleitet.

Eine Meinungsumfrage des Israel Democracy Institutes stellte 2019 fest, dass 59% der Befragten, einschließlich Arabern und Juden, sagen, die professionellen Entscheidungen der Richter werden enorm oder beträchtlich von ihren persönlichen politischen Ansichten beeinflusst; im Vergleich dazu sagen nur 32%, das die Urteile entweder nicht oder nur etwas von ihren Ansichten beeinflusst werden.

Dieser Rückgang des Vertrauens ist auch nicht nur auf den Obersten Gerichtshof beschränkt geblieben.

Eine Umfrage der Universität Haifa von stellte 2021 allgemein einen beträchtlichen Rückgang des Vertrauens in Israels Justiz fest.

Die Israelis gaben der Justiz 2016 einen Durchschnittswert von 3,25 auf einer Skala von 1 bis 5, aber dieser Wert fiel bis 2020 auf 2,67. Das Vertrauen in den Obersten Gerichtshof fiel von 3,18 im Jahr 2016 auf 2,74; das Durchschnittsniveau des Vertrauens in den Generalstaatsanwalt fiel von 3,05 auf 2,53; und das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft fiel von einem Durchschnitt von 3,11 auf 2,5.

Während das Thema Justizreform seit Langem diskutiert wird, hat der Vorstoß zu einer umfassenden Überarbeitung nach einer Reihe wichtiger Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs an Dynamik gewonnen, die die große Wählerschaft der Recht verärgerten.

Der Gerichtshof hat insbesondere den Zorn hareidischer Wähler auf sich gezogen, zum Teil weil er 2012 und 2017 zwei einzelne Gesetz aufhob, die die Zurückstellung von Jeschiwa-Schülern schützten.

Ein ganzer Katalog an Urteilen, die Abrissanordnungen für israelische Gemeinden in Judäa und Samaria bestätigten, habe einen ähnlichen Effekt auf die Unterstützung einer Justizreform in der religiös-zionistischen Öffentlichkeit beeinflusst, so das Urteil, das 2002 ein Gesetz aufhob, das die Radiosendungen von Arutz Sheva normalisierte und das Urteil von 2020, mit dem ein Gesetz zur Legalisierung unkontrollierter israelischer Orte in Judäa und Samaria aufgehoben wurde.

Urteile zu sozialen Fragen, einschließlich der Erweiterung der Anerkennung der Reform- und konservativen Bewegungen in Israel – insbesondere im Hinblick auf Konversionen, die von den beiden Gruppen durchgeführt werden – haben die Unterstützung hareidischer und religiös-zionistischer Abgeordneter für eine Justizreform nur weiter gestärkt.

Es überrascht nicht, dass die Unterstützung des Juristenaktivismus des Obersten Gerichtshofs stark negativ mit Religionsausübung korreliert.

Laut dem Voice Index des Israel Democracy Institutes vom Dezember 2022 glauben nur 15% der hareidischen Befragten, dass der Oberste Gerichtshof die Macht zu juristischer Überprüfung haben sollte, anders als 27,5% der religiösen Zionisten und 35% der traditionell religiösen Juden.

Von den traditionellen Juden, die sich nicht als religiös einordnen, unterstützen 56% das Recht des Gerichts zu juristischer Überprüfung, ebenso 76% der säkularen Juden.

Eine von Radio Kol Hai am Dienstagmorden veröffentlichten Umfrage stellte noch höheres Niveau an Unterstützung für dien Justizreform-Plan der Regierung fest; 90% der Befragten unterstützten die Überholung und 86% sagten, sie seien gegen jeden Versuch eine Kompromissregelung mit der Opposition zu erzielen.

Was der Justiz-Reformplan tun würde

Der Plan zur Überarbeitung des Justizsystems hat sich etwas weiterentwickelt, seit er von Justizminister Yarif Levin (Likud) im Januar erstmals angekündigt wurde, mit Änderungen an den beiden von Levin vorgelegten Gesetzesentwürfen und einem Parallelentwurf, der vom Vorsitzenden des Ausschusses für Verfassung, Recht und Justiz Simcha Rothman (Religiös-Zionistische Partei) formuliert wurde.

Der Grundentwurf des Plans ist weitgehend intakt geblieben, trotz der Aufweichung gewisser Bestimmungen; darin werden fünf Grundbereiche angesprochen:

1. Zunahme des Regierungseinflusses auf den Ausschuss zur Auswahl von Richtern durch dramatische Zunahme der Zahl der von der Regierung ernannten Mitglieder.

2. Anhebung der Schwelle, damit das Gericht Gesetze der Knesset aufheben kann, und dem Gericht gänzlich zu verbieten Grundlagengesetze oder ihre Ergänzungen aufzuheben. Das Gericht müsste als Ganzes seine Meinung zu einem Gesetz in die Waagschale werfen, damit es aufgehoben wird und eine Supermehrheit der Richter wäre nötig, um dem Urteil zuzustimmen, damit das Gesetz aufgehoben wird. Der genaue Umfang dieser Supermehrheit ist seit dem ursprünglichen Entwurf modifiziert und von 100% auf 80% reduziert worden; über eine weitere Reduzierung wird diskutiert.

3. Angebot einer „Aufhebungsklausel“, die es der Knesset ermöglicht Urteile des Obersten Gerichtshofs zu überstimmen, die Gesetze der Knesset aufheben.

4. Regierungsministerien Unabhängigkeit vom Justizministerium zu gewähren, was jedem Ministerium die Macht gibt eigene Rechtsberater einzustellen und zu entlassen, deren Meinungen nicht länger juristisch bindend sein würden.

5. Beendigung oder beträchtliche Einschränkung der Verwendung des Angemessenheits-Standards, um administrative Entscheidungen und Ernennungen aufzuheben. Während Levins Version der Reform die Verwendung des Standards zur Aufhebung jeglicher Entscheidungen verbieten würde, würde Rothmans Entwurf dem Gericht erlauben Entscheidungen nicht gewählter Bürokraten aufzuheben, aber nicht die der gewählten Regierungsvertreter.

Argumente dafür und dagegen

Das vielleicht umstrittenste Element des Plans, die Aufhebungsklausel, würde sowohl das Recht des Obersten Gerichtshofs auf gerichtliche Überprüfung einschränken, als es auch gleichzeitig in Israels Rechtskodex verankern.

In Verbindung mit der Klausel, die die Bedingungen definiert, unter denen das Gericht Knesset-Gesetze aufheben kann, ist die Aufhebungsklausel die erste Anerkennung der Knesset, dass das Gericht das Recht hat Gesetze aufzuheben – was selbst eine stillschweigende Anerkennung des Verfassungsstatus der Grundlagengesetze des Landes ist.

Das hat einige Juristen, die die Verwendung der juristischen Überprüfung durch das Gericht kritisch sehen, darunter Yoram Sheftel, dazu gebracht die Aufhebungsklausel als de facto-Zugeständnis an das Lager der juristischen Aktivisten abzulehnen.

Die häufigere Kritik an der Klausel ist jedoch, sie würde die gerichtliche Überprüfung praktisch komplett beenden, was jeder Regierung mit einer Funktionsmehrheit erlaubt das Gericht nach Belieben zu überstimmen. Einige Gegner des Plans der Regierung argumentieren, dass für die Aufhebung von Urteilen des Obersten Gerichtshofs eine höhere Schwelle festgelegt werden sollte.

Wieder andere argumentieren, dass die Aufhebungsklausel angesichts der übrigen geplanten Reformen, einschließlich der Beschränkungen für die Aufhebung von Gesetzen durch den Obersten Gerichtshof völlig unnötig ist.

Unterstützer sagen, die Klausel spricht eindeutig die beiden Kernpunkte an, die von Aharon Barak bei der Rechtfertigung der Anwendung des Grundlagengesetzes Freie Berufswahl und des Grundlagengesetzes Menschenwürde und Freiheit benutzte, um ein Recht auf gerichtliche Überprüfung zu beanspruchen – Klauseln, die eine Mehrheit von 61 Stimmen in der Knesset benötigen, um ergänzt zu werden und die bewusstes Handeln durch die Knesset „für einen angemessenen Zweck“ erfordern.

Befürworter sagten, eine Abstimmung mit absoluter Mehrheit in der Knesset, um ein Gesetz zu bestätigen, das vom Gericht aufgehoben wurde, würde beide Prinzipien aufrechterhalten, die Machtbalance zwischen Judikative, Legislative und Exekutive wiederherstellen.

Befürworter des Plans der Regierung argumentieren auch damit, dass die Verstärkung der Rolle der Regierung bei der Auswahl neuer Richter die israelische Demokratie stärken statt schwächen würde, weil Israel damit näher an das amerikanische System gebracht würde, in dem die Bundesrichter von der Exekutive vorgeschlagen und vom oberen Haus der Legislative, dem Senat, bestätigt werden.

Eine solche Veränderung würde auch die ideologische Diversität der Judikative vergrößern, die Jahrzehnte lang ihre eigenen Nachfolger ausgesucht hat.

Gegner warnen, der Schritt könnte das Gericht politisieren und politischen Führungskräften überzogene Macht verschaffen, einschließlich derer, die wie Premierminister Benjamin Netanyahu vor Anklagen oder einem Gerichtsverfahren stehen, deren Regierungen möglicherweise ihre eigenen Richter aussuchen könnten.

Die wahre Bedrohung der Demokratie Israels

Universalismus hat sie von innen wie von außen untergraben. Op-Ed.

Melanie Phillips, Israel HaYom, 2. März 2023

Die riesigen Demonstrationen, die in Israel weitergehen und diese Woche gewalttätige wurden, werden von der Behauptung geschürt, das Justizreform-Paket der Regierung würde das Ende der israelischen Demokratie bedeuten.

Es ist natürlich mehr als unsinnige eine demokratisch gewählte Regierung mit Aufrufen zu „Blutvergießen auf der Straße“ und „Bürgerkrieg“ auf der Grundlage zu Fall zu bringen, dass „laut den Organisatoren des „Tags der Störung“ von Mittwoch – die Regierung ein „Regime“ ist, das versucht einen „Staatsstreich“ gegen die Demokratie zu unternehmen.

Diese Proteste gründen auch auf einer Reihe von Missverständnissen zu den Reformen.

Die Situation ruft nach politischer Führung. Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu muss der Öffentlichkeit genau sagen, warum diese Reformen eine undemokratische Schieflage korrigieren solle, die von Übergriffigkeit der Justiz verursacht ist.

Aber Netanyahu ist davon abgehalten worden das zu tun. Wie er beim Treffen der Konferenz der Präsidenten am letzten Sonntag in Jerusalem ironisch bemerkte, hat Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara ihm einen „Maulkorb“ verpasst.

Zu ihren Anweisungen gehört eine Meinung ihres Stellvertreters, dass die Reform „dem Premierminister bei der Führung seines Prozesses helfen“ würden und es der Regierungskoalition erlauben Gesetze voranzutreiben, die ihn leichter unterstützen könnten.

Das ist lediglich eine Meinung. Es gibt dafür keinerlei Beweise. Darüber hinaus hat Baharav-Miara selbst sich öffentlich gegen die Reformen gestellt; sie behauptet, sie würde der Exekutive und der Legislative „breite und effektiv unbegrenzte Autorität“ geben, dabei ist es sie, die hier einen Interessenkonflikt zu haben scheint.

Baharav-Miaras Maulkorb-Anweisung ist daher ein hoch politisches Manöver, um einen demokratisch gewählten Premierminister in seiner Fähigkeit das Land zu regieren an die Kette zu legen. Es handelt sich um ein Beispiel der heftigen Übergriffigkeit der Justiz, die Netanyahus Regierung zu korrigieren versucht.

Daher ist es äußerst ironisch, dass die Anweisung ihn daran hindert seine Sache für die Justizreform zu begründen, womit seine Handlungsmöglichkeit auf die Ermahnung der Demonstranten beschränkt wird ihre Gewalt und Störungen zu beenden.

Die allgemeine Hysterie wird von Leuten getrieben, die eine ausdrückliche Agenda haben Netanyahu loswerden zu wollen. Die meisten der Protestler kommen aus der politischen Linken, für die Netanyahu den Status eines Dämonen hat. Sie betrachten auch eine „rechte“ Regierung per Definition als Beleidigung der natürlichen Ordnung.

Teilweise ist das Folge von Netanyahus Verhalten, als er das letzte Mal im Amt war. Während dieser Zeit konzentrierte er zunehmend Ministermacht auf sich selbst. Darüber hinaus sind einige Aspekte der Reformen tatsächlich besorgniserregend.

Professor Mosche Koppel, Leiter des Kohelet Policy Forum und ein Schlüsselarchitekt der Reformen, hat sich selbst gegen den umstrittensten Aspekt ausgesprochen: Den Vorschlag, der der Knesset erlauben würde Urteile des Obersten Gerichtshofs mit einfacher Mehrheit zu überstimmen.

Zweifellos werden Kompromisse gebraucht und einig werden bereits vorgeschlagen. Sie werden die Protestierenden allerdings kaum zufriedenstellen. Es gibt tiefer gehende Gründe für ihre Überzeugung, dass die israelische Demokratie vor dem Ende steht.

Israels Justiz-Übergriffigkeit begann in den 1990-er Jahren, als der damalige Chefrichter des Obersten Gerichtshofs Aharon Barak begann die Grenzen zwischen Recht und politischem Aktivismus zu verwischen.

Er nahm allerdings nur einen Haltung ein, die in Großbritannien während der 1970-er und 1980-er Jahre stetig mehr Fuß gefasst hatte. Sie wurde zur vorherrschenden Orthodoxie linker Politik und der juristischen Welt und schließlich der progressiven Kreise überall im Westen.

Das war die Entwicklung des universellen Menschenrechts-Gesetzes. Internationale Menschenrechts-Konventionen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von Anwälten entwickelt, die glaubten, der Nationalsozialismus habe gezeigt, dass nationales Recht Tyrannei nicht verhindern kann. Universelle Gesetze waren nötig, um die Rechte der Völker zu schützen.

Die Absicht war zwar bewundernswert, aber die Idee war von schweren Fehlern behaftet.

Rechte entstammen früheren Verpflichtungen, ohne sie können sie nicht existieren. Von der hebräischen Bibel wurde der Welt wahre Menschenrechte gegeben; in ihr ließ der Glaube an menschliche Würde Gerechtigkeit, Mitgefühl und das Netzwerk an Verpflichtungen entstehen, die eine Gesellschaft freier Einzelner schafft.

Ohne in einem Netzwerk aus Pflichten verankert zu sein, kommen Rechte nichts als Forderungen gleich. Entsprechen halfen universelle Menschenrechte eine „Opferkultur“ zu schaffen, wobei Gruppen auf der Grundlage ihrer angenommenen Machtlosigkeit um Vorzugsbehandlung konkurrierten.

Menschenrechts-Gesetzte sind von Natur aus für „machtlose“ Minderheiten und gegen die „mächtige“ Mehrheit voreingenommen. Das wurde vom angesehen englischen Richter Lord Bingham bestätigt, der 2008 in einer Rede sagte, Menschenrechts-Gesetzgebung sei „in gewissem Sinn undemokratisch, weil sie sich gegen Mehrheiten richtet“, da ihr Zweck im Schutz der politisch Machtlosen besteht.

Auf die Mehrheit einzudreschen wurde auf diese Weise mit Tugend gleichgesetzt. „Machtlosigkeit“ gab sich selbst als solche identifizierenden „Opfergruppen“ eine Freistellung von eigenen Verpflichtungen, während es ihnen gleichzeitig erlaubte von der Gesellschaft Privilegien für sich zu fordern.

Das ist das, was hinter Identitätspolitik und „Intersektionalität“ steckt, die zunehmend alle terrorisierte, die dem Nachgeben gegenüber diesen Forderungen im Weg standen.

Menschenrechts-Gesetze sind jedoch nicht universell, sondern von Richtern vermittelt, deren Urteile konkurrierende Rechte in Einklang bringen müssen und von den vorherrschenden kulturellen Einstellungen abhängig sind.

Weil aber Menschenrechte mit Tugend identifiziert werden, kommen Richter dazu zu denken, dass sie nicht nur die Hüter der einheimischen Gesetze sind, sondern Verteidiger des Guten gegen das Böse.

Das ist der Grund, warum Aharon Barak seine Justiz-Revolution in Israel anführte, die es der Justiz erlaubte sich beim Niederschlagen politischer Handlungen, die ihnen nicht gefielen, moralisch tugendhaft fühlte.

Darüber hinaus untergräbt der Universalismus, der zum standardmäßigen politischen Glaubensbekenntnis linker Politik wurde, das Konzept der Nation, das der Demokratie zugrunde liegt.

Der Universalismus hält die Nation für inhärent exklusiv, engstirnig und unterdrückerisch. Nationale Gesetze müssen deshalb universalen Prinzipien untergeordnet werden.

Als die universellen Menschenrechts-Gesetze geschaffen wurden, warnten einige Anwälte, dass solche Gesetze, die in keinem nationalen Rechtssystem verankert waren, ein potenzielles Risiko für die Gerechtigkeit darstellen könnte.

Die Warnung wurde ignoriert. Aber das ist genau das, weshalb Menschenrechts-Gesetze gegen Israel zu Waffen gemacht wurden.

Das ist der Grund, warum Menschenrechts-NGOs in der Lage gewesen sind sich als das Gewissen der Welt zu positionieren, obwohl sie Israelis böswillig als Menschenrechtsverletzer diffamieren und die völkermörderischen Anschläge der palästinensischen Araber entschuldigen.

Das ist der Grund, dass der UNO-Menschenrechtsrat unverhältnismäßig und ungerechterweise gegen Israel schießt, während tyrannische Regime reingesprochen werden – von denen einige sogar Mitglieder des Rats sind.

Das ist der Grund, warum die palästinensischen Araber beim Internationalen Gerichtshof oder den Internationalen Strafgerichtshof ärgerliche Maßnahmen anfachen kann.

Die Kultur der Menschenrechte hat „Lawfare“ gegen Israel geschaffen, gegen Gerechtigkeit und gegen die Demokratie. Sie hat Richter von Hütern der Rechtstaatlichkeit in Täter der Herrschaft durch Anwälte verwandelt.

Die Bedrohung der Demokratie in Israel kommt nicht aus der Regierung Netanyahu, sondern von den tausenden auf den Straßen. Letztlich handelt es sich um einen Angriff auf die Idee eines durch Konsens der Mehrheit regierten Nationalstaats, der über demokratische Gesetze zum Ausdruck gebracht wird.

Deshalb überrascht es nicht, dass diese Proteste vom New Israel Fund gestützt werden, dessen aktuelle Versuche Israels Regierung zu stürzen, mit seiner unermüdlichen Aushöhlung Israels selbst einhergehen.

Und das ist der Grund, dass diese Schlacht eigentlich der dritte solche Krieg um die Idee der Nation im Westen.

Die erste war Großbritanniens Abstimmung 2016 die Europäische Union zu verlassen, als das britische Volk für nationale Unabhängigkeit und Demokratie gegen Universalismus stimmte.

Die zweite war später im selben Jahr die Wahl  von US-Präsident Donald Trump, als die Amerikaner für die Wiederherstellung der amerikanischen Außergewöhnlichkeit gegen diejenigen stimmten, die ihre Nation untergraben wollten.

Jetzt ist die dritte derartige Erschütterung auf den Straßen Israels ausgebrochen, weil der Universalismus die Demokratie einmal mehr herausfordert und Sprachgebrauch, Wahrheit und Vernunft auf den Kopf stellt.

Wessen Demokratie ist das überhaupt?

Die Gesamtzahl der Protestler gegen die Justizreform entspricht kaum der Zahl, die für einen Knessetsitz nötig ist.

Douglas Altabef, JNS.org, 19. Februar 2023

Wäre man gerade von einem weit entfernten Planeten kommend in Israel gelandet, würde man wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass diese kleine Land wegen der Inhaberschaft, des Schutzes und Führung von etwas namens „Demokratie“ zerrissen wird.

Das wäre eine scharfsinnige Einsicht. Die laufenden Proteste gegen die Justizreform zu sehen, heißt zu dem Schluss zu kommen, dass die  Autokraten vor der Tür stehen, die Theokraten ihre Muskeln spielen lassen und nur der Oberste Gerichtshof – als Führer einer furchtlosen, objektiven, allfürsorgenden Justiz – die Invasion aufhalten kann. Aber auf der anderen Seite sagen die angehenden Reformer, dass auch sie daran arbeiten die Demokratie wiederherzustellen und zu ehren.

Daher missverstehen wir entweder, was Demokratie ist oder eine der beiden Seiten eignet sich das Konzept zynisch an, um ihre politischen Ziele zu erreichen.

Fangen wir ganz vorne an. Black’s Law Dictionary, ein recht zuverlässige Quelle, definiert Demokratie wie folgt: „Die Regierungsform, der die souveräne Macht innewohnt und von der Gesamtheit freier Bürger direkt oder indirekt über ein repräsentatives System ausgeübt wird.2

Das ist eine sehr direkte und aufschlussreiche Definition. Die Schlüsselworte lauten „souveräne Macht“. Souveräne Macht bedeutet Kontrolle und Inhaberschaft und die vertretbare Ausübung der Mittel beides beizubehalten.

Solche Kontrolle wurzelt in der Staatsbürgerschaft und wird durch im Fall einer repräsentativen, anders als in einer direkten Demokratie, in den gewählten Vertretern der Bürgerschaft. Eine echte, authentische repräsentative Demokratie spiegelt daher die Wünsche und Weisungen der Mehrheit der Bürger, die mutmaßlich die Mehrheit der Repräsentanten entsprechend ihrer Überzeugungen wählen.

Damit würde eine Bedrohung der Demokratie als Bedrohung der Mehrheit zum Schutz seiner souveränen Macht erscheinen. Per Definition kann es keine Situation geben, in der eine Minderheit die Entscheidungen der Mehrheit verwirft. Eine solche Ablehnung könnte eine wahrgenommene Empörung oder Unterdrückung spiegeln, aber die freie Ausübung der Macht durch die Mehrheit kann keine Bedrohung der Demokratie sein. Tatsächlich ist das das Wesen der Demokratie.

Diese Analyse der Bedeutung des Wortes „Demokratie“ soll nicht pedantisch oder launenhaft sein, sondern den Protesten der Opposition die Fassade nehmen, um sie als das zu sehen, was sie tatsächlich ist. Mit dem Beweis, dass die freie Ausübung der Souveränität durch die Mehrheit keine Bedrohung der Demokratie sein kann, müssen wir zu dem Schluss kommen, dass anderes zu behaupten schlicht ein rhetorischer und emotionaler Schlachtruf ist, der keine Basis in der Realität hat.

Was die Gegner der Justizreform tatsächlich sagen, ist, dass die Mehrheit etwas tut, was eine Bedrohung ihrer Macht und Privilegien ist, zusammen mit dem Status quo, auf den sie sich seit Jahren verlassen, um die von ihnen bevorzugte Politik durchzusetzen.

Der Schrei, die Demokratie sei bedroht, ist klassisches Schüren von Angst, die zivile Version davon in einem voll besetzten Theater „Feuer“ zu brüllen.

Dieser Schrei ist jetzt zum Zentrum einer auf Angst gründenden Kampagne geworden, in der Verbündete der Opposition düstere Vorhersagen machen: Israels Kredit-Ranking wird leiden, Unternehmen werden abziehen, wir werden unsere Besten und Klügsten ans Ausland verlieren und natürlich noch unheilvoller warten diese Religionstypen einfach nur darauf unsere Rechte einzuschränken und uns zu zwingen ihre Einschränkungen einzuhalten.

Die Ironie lautet, dass die linke Opposition mit der Vorstellung dieser dystopischen Vision der Zukunft Israels die Bürgerschaft daran erinnert wird, wer die Linke von der Macht absetzte, indem die grundlegendsten demokratischen Rechte ausgeübt wurden – das Wahlrecht. Der Grund dafür ist, dass die Linke keine Vision, keine Lösungen und kein Vorwärtskommen bot, nur Vorhersagen von Untergang und Not.

Die Linke beharrt weiter auf ihrer negativen Weltanschauung mit großen Kundgebungen, die sowohl beeindrucken als auch einschüchtern sollen. Die Folge ist, dass die wahre Mehrheit sozusagen die Opposition unterstützt und sie zu ignorieren katastrophal wäre.

Immerhin sind das unsere aufgeklärten Leute, die da protestieren. Wie das Gericht, das sie schützen, sind sie weiser und tugendhafter als die groß Ungewaschenen, die zufällig die Mehrheit unserer Bürger stellen.

Worüber sich die Opposition also tatsächlich aufregt, ist, das nicht die selbsternannt leistungsorientierte Aristokratie das Sagen hat.

Das ist die wahre Bruchlinie: Macht und Kontrolle werden von denen ausgeübt, die passiv und ehrerbietig sein sollen.

Ja, die Zahl der Protestierenden ist eindrucksvoll. Das waren auch die Zahlen, die 2020 zu Kundgebungen von Trump auftauchten, während Biden Wahlkampf aus seinem Keller führte. Wie ist das ausgegangen?

Dazu ist festgestellt worden, dass die Größe der Menschenmenge etwa ein Mandat in der Knesset repräsentiert. Ein Mandat macht keine Mehrheit.

Statt das Ende der Demokratie vorauszusagen, deutet die aktuelle Kontroverse auf eine starke und lebhafte israelische Demokratie hin, in der die Bürger keine Bedenken haben ihre Einstellungen und Gefühle kundzutun.

Glücklicherweise wird zur Bestürzung der Protestler die Justizreform Israels robuste Demokratie nicht schädigen. Im Gegenteil, die Reform wird die Ausübung der souveränen Macht in Israel fördern – die eigentliche Definition von Demokratie.

Esther Hayuts Krieg gegen die Demokratie

Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs hat aus dem Gericht einen Super-Gesetzgeber gemacht, der die Konditionen von Gesetzen auf der Grundlage der Werte der Richter diktiert.

Caroline Glick, Israel National News, 22. Januar 2023

Der Freitagmorgen brachte die erste gute Nachricht des israelischen Obersten Gerichtshofs seit Jahren. Yediot Ahronots Top-Schlagzeile verkündete, dass die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Hayut, vor hat zurückzutreten, sollte die Knesset das Justizreform-Paket von Justizminister Yarif Levin verabschieden.

Hayuts Führung des Gerichts in den letzten sechs Jahren ist beschämend und zerstörerisch gewesen, sowohl für das Gericht selbst als auch für den Staat Israel. Das Hayut-Gericht ließ sogar die Vorspiegelung von Urteilsfähigkeit fallen. Hayut brachte das Gericht auf eine Richtung des ideologischen Radikalismus und der Politisierung, die nirgendwo auf der Welt Ihresgleichen hat.

Hayuts Radikalismus war in der juristischen Gemeinschaft durchaus bekannt. Sie war nicht die erste Wahl der damaligen Justizministerin Ayelet Shaked für den Top-Posten des Gerichts. Aber Shaked durfte in der Sache nicht mitreden. Israels derzeitiger Auswahlprozess für Richter schirmt Richter vor Rechenschaftslegung gegenüber der Öffentlichkeit und seiner gewählten Repräsentanten ab. Richter am Obersten Gerichtshof können gegen Kandidaten für das Gericht ein Veto einlegen, also muss jeder, der vom Auswahlkomitee für Richter grünes Licht bekommt, einschließlich anscheinend konservativer Juristen, die organisatorische Kultur und Werte amtierenden Richter akzeptieren.

Die Richter kontrollieren auch, wer als Präsident dient. Laut des aktuellen Auswahlsystems ist, wenn der Präsident das Rentenalte erreicht, der stellvertretende obere Richter der Präsident. In dem kontrolliert wird, wer wann ernannt wird, sind die Richter in der Lage vorherzubestimmen, wer der neue Präsident wird. 2017 versuchte Shaked den Auswahlprozess der oberen Richter zu beenden was aber fehlschlug; dann wurde Hayut befördert.

Hayut (Flash 90)

Beobachter von außen wurden Hayuts Radikalismus sofort ausgesetzt, noch bevor sie das Amt übernahm. Sie legte das im September 2017 in einer Rede vor der Anwaltskammer dar. Ganz ohne Understatement zu betreiben verglich Hayut sich und ihre Kollegen mit Gott.

Sie formulierte es so: „Es gibt einen Nachteil, den wir Richter aus Fleisch und Blut verglichen mit dem Schöpfer des Universums haben. Selbst in den Situationen, in denen wir recht schnell das Dilemma verstehen, das die Kläger vor uns brachte, kommt es oft vor, dass die Lösung, die wir als gerecht und angemessen betrachten, gemäß der Praxis und den Anforderungen des Rechts nicht möglich ist. Diese Situationen gehören aus meiner Sicht zu den schwierigsten und komplexesten, mit denen wir als Richter zu kämpfen haben.“

Sie fuhr fort: „Wie überbrücken wir die Kluft zwischen dem Recht und dem was richtig ist? Finden eine Antwort auf diese Frage, entdecken das Geheimnis … ‚Beimischung‘ ist vielleicht eine der größten Aufgaben, die vor uns als Richtern liegt.“

Als Hayut ihre Rede hielt, war der Hang des Gerichts für politische Entscheidungen bereits gut dokumentiert und im Kontext dieser Urteile wurden ihre Absichten offensichtlich. Am Vorabend ihrer Amtseinführung als Präsidentin erklärte Hayut, dass das Gericht das Gesetz ignorieren würde, wann immer es den Werten der Richter widerspricht. Und angesichts der ideologischen Konformität des Gerichts würden diese Werte fraglos an den linken Rand der israelischen Gesellschaft angepasst sein, einem Rand, der nie je eine Wahl gewinnen würde.

Im Verlauf der letzten Jahre folgte das Hayut-Gericht buchstabengetreu ihrer nicht legalen Rechtsphilosophie. Die Untersuchung einer Auswahl ihrer Urteile reicht aus um zu demonstrieren, wie das funktioniert hat.

Im März 2020 befahlen die Knesset, Hayut und ihrer Partner ohne eine Spur juristischer Zuständigkeit und in klarer Verletzung des Grundlagengesetzes Knesset-Präsident Yuli Edelstein das Knessetplenum einzuberufen, um über seine Ersetzung abzustimmen.

Nach der dritten von vier Knesset-Wahlen, die zwischen April 2019 und März 2022 stattfanden und nachdem Benjamin Netanyahu nicht in der Lage war eine Koalition mit 61 Sitzen zu bilden, wurde der Auftrag eine Regierung zu bilden dem Parteichef Benny Gantz von Blau und Weiß übertragen. Als es offensichtlich wurde, dass Gantz ebenfalls daran scheitern würde eine Regierung zu bilden, beschloss Gantz‘ Partei dem politischen Strudel noch Sprengstoff hinzuzufügen.

Gemäß Israels Grundlagengesetz bleibt der unter der vorigen Knesset gewählte Knessetpräsident während der Amtszeit einer Übergangsregierung der Knessetpräsident. Das heißt: Ab dem Augenblick, an dem eine Regierung die Vertrauensabstimmung in der Knesset verliert und Neuwahlen angesetzt werden, bis eine neue Regierung vereidigt ist, bleibt der amtierende Knessetpräsident im Amt.

Der Oberste Gerichtshof hat keine legale Macht da zu intervenieren. Laut Grundlagengesetz legt die Knesset ausdrücklich fest, dass die Knesset „ihre Vorgehensweisen festlegt“. Und die Professorin Talia Einhorn damals erklärte, ist einzig der Knessetpräsident für die Umsetzung der Abläufe der Knesset verantwortlich.

Trotz des völligen Fehlens legaler Zuständigkeit akzeptierte der Oberste Gerichtshof das Gesuch von Blau und Weiß und ordnete in Rekordzeit an, dass Edelstein das Plenum auf der Stelle zusammenruft, um seinen Nachfolger auszusuchen. Weil er dem Gericht nicht offen trotzen wollte, indem er dessen illegale Entscheidung ablehnte, trat Edelstein zurück.

Nachdem das Gericht ihrer Vorgängerin Miriam Naor im Mai 2020 drei Gesetze aufhob, die illegale Ausländer überzeugen sollten das Land auf verschiedene Weisen zu verlassen, kippten Hayut und ihre Kollegen das einzige verbleibende Gesetz, das illegalen Ausländern Anreize geben sollte das Land zu verlassen. Das fragliche Gesetz, das „Kautionsgesetz“ genannt wurde, forderte Arbeitsmigranten auf ein Fünftel ihrer Verdienste und ihre Arbeitgeber, 16 Prozent ihrer Sozialversicherungsabzüge in ein Treuhandkonto einzuzahlen. Die Gelder sollten den Migranten mit Zinsen ausgezahlt werden, wenn sie Israel verlassen.

Das Gericht entschied, dies sei unfair, weil Migranten so wenig verdienen. Die Tatsache, dass das Gesetz absolut legal war, machte für die Richter keinen Unterschied. Das Gesetz gefiel ihnen nicht, also wurden Israels letzte Mittel beseitigt illegale Ausländer Anreiz zur Ausreise zu geben.

In seiner Justizrevolution der 1990-er beanspruchte Aharon Barak, der Vater der Justiz-Aristokratie Israels, für das Gericht illegal die Macht ordentlich verabschiedete Gesetze der Knesset aufzuheben, ohne die legale Zuständigkeit dafür zu haben. Letzten Monat rissen Hayut und ihre Kollegen die Macht der Knesset an sich Gesetze zu schreiben.

In einem atemberaubenden Urteil zur israelischen Staatsbürgerschaft wies das Gericht die Knesset an das Gesetz zu erweitern, mit dem vier Kategorien an Personen berechtigt sind die Staatsbürgerschaft zu erhalten, die die Knesset nicht eingeschlossen hatte. Das Urteil stellte einen Bruch aller Grenzen zwischen der Arbeit des Gerichts und den Gesetzgebern dar. Es verwandelt das Gericht in einen Super-Gesetzgeber, dem die Macht gegeben wird den vom Volk gewählten Repräsentanten auf Grundlage der Werte der Richter die Bedingungen von Gesetzen zu diktieren.

Letzen Mai gab das Gericht stellte sich das Gericht auf die Seite der Ukraine, um die Außerkraftsetzung der Macht des Innenministers aufzuheben die Einreise ukrainischer Bürger nach Israel zu regulieren. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine suchten Millionen Ukrainer Zuflucht im Ausland. Im Versuch zu verhindern, dass Israel mit zehntausenden Ukraine-Flüchtlingen überschwemmt wird, legte die damalige Innenministerin Ayelet Shaked eine Quote von 5.000 Ukrainern fest, denen die Einreise nach Israel gestattet würde. Letzten Juli stellte sich das Gericht auf die Seite der Ukraine gegen die Regierung und befahl Shaked die Quote aufzugeben und die Tore Israels für Ukrainer zu öffnen, als gebe es keinen Krieg und keine Flüchtlingskrise.

Die bisherige Krönung der Übernahme der Macht der Knesset und der Regierung durch Hayut kam letzte Woche, als sie und ihre Kollegen die ausschließliche Macht ordentlich konstituierte Regierungen zu genehmigen und die exklusive Macht des Premierministers Minister zu ernennen an sich rissen. Ohne rechtliche Basis entschieden Hayut und ihre Richterkollegen, dass Gesundheitsminister Aryeh Deri, der Parteichef der Schas nicht als Minister in der Regierung dienen darf.

Hayut und sechs ihrer Kollegen ignorierten die Tatsache, dass es keine Rechtsgrundlage für das Urteil gibt und beschlossen einfach, dass es „extrem unvernünftig“ sei, wenn Deri als Minister dient, weil er eine Geschichte strafrechtlicher Verurteilungen habe. Sechs Richter entschieden auch, dass Deri nicht erlaubt werden solle als Minister zu dienen, weil er bei einem Vergleich mit der Staatsanwaltschaft letztes Jahr zustimmte aus der Knesset auszuscheiden.

Die Staatsanwaltschaft verstand es damals so, dass sein Rücktritt aus dem Parlament nur für die 24. Knesset galt, nicht für zukünftige. Trotzdem behaupteten sechs Richter, mit dem Dienst als Minister breche Deri die Bedingungen für seine Abmachung mit der Staatsanwaltschaft (die an sich keine Auswirkungen auf seinen Dienst als Minister in der Regierung hat).

Beide Gründe für Deris Entlassung wurzelten in Hayuts Vorstellung, dass Richter am Obersten Gerichtshof mit Sonderbefugnissen ausgestattet sind, Richtig von Falsch zu unterscheiden, die gewöhnliche Sterbliche nicht haben. Die Entscheidung zu Deri kippte quasi das Urteil von 400.000 Schas-Wählern. Tatsächlich kippte sie die Wahlentscheidung von 2,3 Millionen Israelis, die für den Likud, die Nationalreligiöse Partei, Schas und Vereinigtes Thora-Judentum stimmten, mit dem Ziel die aktuelle Regierung Netanyahu zu bilden, in der, wie alle Betroffenen annahmen, Deri als Minister dient. Der juristisch aus den Fugen geratene Beschluss des Gerichts kippte das ausschließliche Recht der Knesset Regierungen zu genehmigen sowie die Macht des Premierministers seine Minister im Einklang mit dem Gesetz zu ernennen.

Die Verachtung des Hayut-Gerichts für die Öffentlichkeit und ihre gewählten Repräsentanten wurzelt in Hayuts pseudo-historischem Verständnis des Nationalsozialismus. Sie erklärte ihre Ansichten im Mai 2019 in Nürnberg bei einem Vortrag vor der Israelisch-deutschen Juristenvereinigung. Nach der Schilderung der Art, wie die deutschen Gerichte von den Nazis Anfang der 1930-er Jahre übernommen wurden, stellte Hayut die groteske Behauptung auf, wenn die deutschen Gerichte stärker gewesen wären, hätten sie die Übernahme Deutschlands durch die Nazis und den Holocaust verhindern können.

Hayuts revisionistische Geschichte war auf transparente Weise eigennützig und zutiefst feindlich sowohl der Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland als auch ihrem eigenen Volk gegenüber. Ihre implizite These lautete, dass jeder eine Nazi-Seite in sich trage. Wenn Demokratie unkontrolliert gelassen werde, wird sie, wo immer das praktiziert wird, wahrscheinlich Nazis an die Macht bringen. Die Politik, Kultur, Geschichte hätten keinen Einfluss auf das Wesen einer Nation. Die einzige Art, wie die Nazis in der Flasche gehalten werden könnten, ob nun in Deutschland oder in Israel, bestehe darin, dass die Geschichte mächtiger sind als die Öffentlichkeit und ihre Repräsentanten.

Hayut erklärte dann, wie Israels Justiz-Aristokratie ihrer Funktion als Schützer des Volks vor ihren inneren Nazis zu nachkommt. Deutsche Juden in den 1930-ern, argumentierte sie, waren nicht allzu besorgt, als Hitler an die Macht kam, weil die Verfassung der Weimarer Republik ihnen Bürgerrechte garantierte. Sie vertrauten darauf, dass die Nazis die Verfassung und die geltenden Gesetze respektieren würden. 1995 benutzte der israelische Oberste Gerichtshof die Grundlagengesetze: Menschenwürde und Freiheit und ein Mittel zur Verwandlung seiner selbst in den Beschützer der liberalen Ordnung vor den Politikern, deren interne Nazis unter der Oberfläche laufen. Immer.

Sie formulierte das so: „Eine der allgemeinen Lektionen, die es wert sind aus den historischen Ereignissen gelernt zu werden, die ich hier diskutierte, lautet, dass juristische Unabhängigkeit und das Fehlen einer gerichtlichen Rechenschaftspflicht auf der institutionellen und persönlichen Ebene einer der wichtigen Garanten ist, an die der Einzelne sich wenden kann, um seine Rechte zu schützen.“

Angesichts von Hayuts Umwandlung des Obersten Gerichtshofs von einem, der sich mit Gesetzen befasste, in deinen, in dem Richter ihren Leidenschaften nachgehen können die Macht der Knesset und der Regierung und des Volks zu usurpieren, wird deutlich, dass die dringendste Tagesordnung für die Knesset und die Regierung darin besteht, juristische Rechenschaftspflicht wiederherzustellen.

Israels Justizreform wird seine Demokratie stärken

Avi Bell, Newsweek, 9. Januar 2023

Yariv Levin, Justizminister der neu gewählten Regierung Israels, hat für die Justiz ein Reformpaket vorgeschlagen, das in Israel die Trennung der Mächte zurückbringen wird, die seine frühesten Jahre prägte. Aber noch bevor die Umrisse des Plans verkündet wurden, löste die Reform ärgerliche Kommentare politischer Gegner und Kritiker des Auslandes aus, die behauptete, sie würde für Israels lebendige Demokratie die Totenglocke läuten.

Das Gebrüll ist alarmistisch, übertrieben und ihm fehlt schlicht Kontext.

Der Vorschlag der neuen Regierung zur Justizreform hat drei Schlüsselelemente. Das wichtigste wäre dem israelischen Obersten Gerichtshof die ausdrückliche gesetzlich festgelegte Befugnis zu erteilen Gesetze aufzuheben, während auch die Befugnis der Knesset bewahrt bleibt Gesetze zu erlassen. Ein zweites Element würde Israels bestehenden Prozess der Ernennung neuer Richte durch ein Beamten-Komitee und amtierender Richter leicht modifizieren, indem dem Komitee mehr gewählte Repräsentanten hinzugefügt werden. Das Dritte würde die Fähigkeit des Obersten Gerichtshofs reduzieren die Beschlüsse gewählter Vertreter nur aufgrund der politischen Vorlieben des Gerichtshofs aufzuheben.

Auf den Reformvorschlag wurde lange hingearbeitet. Israel ist seit seiner Gründung dem britischen Rechtsmodell gefolgt – einschließlich der parlamentarischen Obergewalt und dem Fehlen einer eigenen Verfassung. In seinen frühen Jahren galt  Israels Oberster Gerichtshof als liberal und aktivistisch, da er vom britischen Mandat übernommene Rechtsinstrumente zum Schutz der Grundrechte und Freiheiten entwickelte.

Aber vor rund 40 Jahren ist Israels Oberster Gerichtshof mit populistischem, manchmal progressiven und immer selbstverherrlichendem Verhalten einzigartig juristokratisch geworden – nicht gebunden an klare Regeln und mit Macht, die für jede andere moderne Demokratie beispiellos ist.

Der Wendepunkt der Übergriffigkeit des Gerichts kam in den 1990-er Jahren, als es eine „Verfassungsrevolution“ verkündete, mit der es sich selbst skrupellose und unbeschränkte Macht verlieh parlamentarisch beschlossene Gesetze aufzuheben. Das war für eine westliche Demokratie ein nie dagewesener Schritt.

Zuerst rechtfertigte der Gerichtshof seine Machtergreifung damit, dass Israels Grundlagen-Gesetze – Gesetze, die für eine in Zukunft möglicherweise zu schreibenden Verfassung vorgesehen sind – waren selbst zu einer Quasi-Verfassung geworden, die es dem Gerichtshof erlaubt Verfassungsautorität ins Feld zu führen, um gewöhnliche, von der Knesset verabschiedete Gesetze zu kippen. Aber im Lauf der Zeit erhob sich der Gerichtshof auch über die Grundlagen-Gesetze – nicht nur indem er sie umschreibt, sondern auch indem er sich zum obersten Schiedsrichter dafür erklärt, ob sie überhaupt gültig sind. In den letzten Jahren hat der Gerichtshof den Rahmenwerk der Grundlagen-Gesetzte insgesamt verworfen und angekündigt, dass er Grundgesetze und andere Gesetze aus jedem beliebigen Grund streichen kann, z.B. wenn er die Gesetze für „zu politisch“ oder „unzureichend durchdacht“ befindet.

Mit unkontrollierter Macht bewaffnet setzt Israels Oberster Gerichtshof ständig seine politischen Vorlieben gegen die der Gesetzgeber Israels durch, sei es zu außenpolitischen Fragen, militärischen Entscheidungen, Haushaltsprioritäten, Steuern, Sozialleistungen, Radio- und Fernsehprogrammen oder jeder anderen bedeutenden Regierungsentscheidung. Das schließt die Macht ein Parlamentspräsidenten, Minister der Regierung, Armee-Generale und Bürgermeister zu ernennen oder zu feuern. Der Oberste Gerichtshof  beratschlagt aktuell, ob der Finanzminister der neuen Regierung entlassen werden soll, weil eine „vernünftige“ Regierung jemand anderes ernannt hätte.

Masken gegen den COVID-19-Virus tragende Richter und Angestellt des israelischen Obersten Gerichtshofs am 4. Mai 2020 bei einer Sitzung des Obersten Gerichtshofs in Jerusalem. Abir Sultan/Pool/APF via Getty Images

Am erstaunlichsten ist vielleicht, dass der Oberste Gerichtshof sich so positioniert, dass er bei allen politischen Entscheidungen das letzte Wort hat, statt das der israelischen Öffentlichkeit oder ihren gewählten Repräsentanten zu überlassen. Der Gerichtshof hat den Generalstaatsanwalt und nachrangigere Juristen mit diesem Aktivismus beauftragt, was ihnen mehr Macht gibt die Politik der gewählten Vertreter mit einem Veto zu belegen, zu der sie Einwände haben.

Damit ist die „juristische“ Klärung von Regierungsentscheidungen funktionell zu einer ideologischen statt einer juristischen Überprüfung durch Justiziare geworden.

Der Oberste Gerichtshof war einmal die Institution Israels, der das meiste Vertrauen entgegengebracht wurde. Aber heute, wo sich die Justiz der juristischen Beschränkungen entledigt hat,  vertraut eine Mehrheit der Öffentlichkeit ihm nicht mehr. Aktuelle Umfragen zeigen noch alarmierende Missbilligung des übrigen ernannten Justizsystems: Lediglich einstellige Prozentsätze der israelischen Öffentlichkeit sprechen dem Generalstaatsanwalt, Regierungsanwälten und der Polizei noch ihr Vertrauen aus.

Es überrascht nicht, dass Aufrufe nach einer Justizreform seit der „Verfassungsreform“ der 1990-er eine Facette der israelischen Gesellschaft gewesen ist.

1994 übernahm Israel eine Verfassungstechnik aus Kanada, indem es einem seiner eigenen Grundlagen-Gesetze eine „Aufhebungsklausel“ hinzufügte. Diese Klausel erlaubte der Obersten Gerichtshof das Grundlagen-Gesetz zu verwenden, um Gesetze zu kippen, während es der Knesset erlaubte die Gesetze wiederherzustellen, um es mit der Stimmenmehrheit ihrer Mitglieder wieder in Kraft zu setzen. Levins Vorschlag gilt mehr für eine allgemeine Aufhebungsklausel, die eine Justiz-Reform einführt, die seit Jahrzehnten vorgeschlagen wird. Seine vorgeschlagene Klausel würde einiges von der Macht, die sich der Gerichtshof angeeignet hat, bestätigen, aber auch seine heftige Übergriffigkeit zügeln.

Im Widerspruch zu den demokratischen Untergangspropheten würden diese Maßnahmen Israel tatsächlich näher Regierungstätigkeit anderer Demokratien wie Kanada und den USA bringen. Ironischerweise würden sie auch Israels demokratische Praxis vor der „Verfassungs-Revolution“ der 1990-er Jahre wiederherstellen.

Bis zu den jüngsten Wahlen kamen Aufrufe nach einer Justizreform aus allen Teilen des politischen Spektrums in Israel. Aber mit den Reformen, von denen erwartet wird, dass eine rechte Regierung sie umsetzt, machen voreingenommene Gegner jetzt genau die Reformen, die sie früher unterstützten, als angeblichen Untergang der israelischen Demokratie.

In Wirklichkeit ist Israels radikal demokratische politische Kultur gesund und dynamisch. Die Justizreform wird sicherstellen, dass das so bleibt.

Avi Bell ist Jura-Professor an der University of San Diego und der Bar Ilan-Universität und Gründungsdekan jährlichen Programms zu Gesetz und Demokratie des Israel Law and Liberty Forum.

In Europa ist der Versuch Juden zu töten eine Geisteskrankheit

„Viele Menschen, die psychotisch sind, lesen den Koran.“

Daniel Greenfield, FrontPageMag, 10. Dezember 2019

Martin Colmans verkaufte Möbel auf dem Albert Cuyp-Markt in Amsterdam, als er in den Oberschenkel gestochen wurde. Sein Sohn Sharon rannte hinaus, um ihm zu helfen und seine Mutter zu schützen und wurde in den Rücke und die Brust gestochen. Aber er hatte den Stecher erfolgreich davon abgehalten an seine Mutter Orly heranzukommen.

Tarik Ghani, der Muslim, der auf ihn einstach, betrieb auf dem Markt ein Schischa-Geschäft. Das Opfer sagte, er habe eine plötzliche Veränderung bei seinem Angreifer bemerkt, nachdem dieser aus dem Nahen Osten zurück kam und oft gesehen wurde, „wie er den Koran liest“. „Er redete nicht mehr mit uns, rasierte sich den Kopf und betete ständig. Er begann auch uns gehässige Blicke zuzuwerfen.“ Andere Verkäufer auf dem Cuyp-Markt gaben an, dass Tarik Juden hasste. Es hatte Warnungen gegeben, dass er gewalttätig werden und jemanden angreifen könnte. Diese Warnungen wurden allerdings ignoriert.

Statt ihn ins Gefängnis zu schicken, verurteilte ein niederländischer Richter Tarik zu einem Jahr psychiatrischer Behandlung. Die Colmans hatten den Richter gebeten seinen Antisemitismus mit zu berücksichtigen, stattdessen akzeptierte der Richter Tariks Behauptung, er sei psychisch krank und habe Stimmen gehört. Für diese Behauptung gab es keine Beweise.

„Viele psychotischen Leute lesen den Koran“, erklärte ein Psychiater.

Tarik hatte den Koran vor dem Angriff nicht obsessiv gelesen, weil er Terrorist war, sondern weil er psychotisch war.

Um dieselbe Zeit, in der ein niederländisches Gericht Tarik von der Verantwortung für seinen antisemitischen Anschlag freisprach, ließ ein französisches Gericht Kobili Traore den brutalen Mord an Sarah Halimi durchgehen.

Sarah, ältere Leiterin einer jüdischen Kindertagesstätte, wurde in ihrer Wohnung brutal angegriffen. Ihr Bruder hatte gesagt, der Mörder haben sie vorher als „dreckige Jüdin“ bezeichnet. Vor dem Angriff war die Polizei gerufen worden. Sie hatte Kobili laut Verse aus dem Koran skandieren hören. Verstärkungen wurden gerufen, aber die Polizei unternahm nichts. Derweil kletterte Kobili durch das Fenster in Sarahs Wohnung.

Der Muslim schlug sie, bis ihr Nachthemd von Blut bedeckt war, während er „Allahu akbar“, Koranverse und antisemitische Sprüche schrie. Nachbarn riefen die Polizei und beschrieben, was vorging. Die Polizei unternahm nichts. Irgendwann während des brutalen Angriffs schlug der Mörder Sarah den Schädel mit einem Telefon ein. Schließlich schrie er, dass sein Opfer verrückt sei und Selbstmord begehen wolle.

Und dann warf er sie aus dem Fenster und kehrte in seine Wohnung zurück.

Das war 2017. Seitdem haben zahlreiche Gerichte geurteilt, dass Kobili Traore für sein Tun nicht verantwortlich war, weil in seinem Körper Cannabis gefunden worden war. Er hatte Pot geraucht. Und das hatte angeblich eine Art psychotischen Vorfall verursacht, der verhinderte, dass er für sein Tun verantwortlich ist. Wie Tarik Ghani wird er wahrscheinlich in einem Krankenhaus bleiben, bis die Seelenklempner beschließen ihn freizulassen.

Kobili hatte drei psychiatrische Untersuchungen, von denen keine einer der anderen zustimmte, aber alle behaupten er sei nicht zurechnungsfähig.

Der Versuch Sarahs Ermordung nachträglich wie einen Selbstmord aussehen zu lassen, zeigte, dass er wusste, was er tat. Er hatte ihre Wohnung früher an diesem Tag kalkuliert ausgekundschaftet und hatte sich ausgerechnet, wo er sie fallen lassen musste.

Die Vertuschung des Mordes begann schon bevor er überhaupt stattfand. Statt Kobili ins Gefängnis zu bringen, brachten ihn die Polizisten in ein Krankenhaus. Ein Urintest stellte in seinem Körper Cannabis fest. Und die Geschichte wurde festgezurrt. Und doch gab der Mörder zu, dass er von seinem Hass auf Sarahs Jüdisch sein motiviert gewesen war.

Er sagte Ermittlern: „Als ich die Thora und die Menora in ihrer Wohnung sah, fühlte ich mich unterdrückt.“ Mit „Thora“ meinte er wahrscheinlich eine Bibelausgabe in der Wohnung seines Opfers. (Sein Verweis auf die Menora, die die Juden an Hanukkah anzünden, ist von den französischen Medien nicht hilfreich als „Lüster“ übersetzt worden.)

Der Psychiater argumentierte, dass Kobili sowohl antisemitisch als auch geistesgestört sein könne, denn „während Wahnepisoden bei Muslimen ist ein antisemitisches Thema alltäglich“. Der Psychiater plädierte dafür, dass der Killer nicht schuldig sei, weil Muslime inhärent antisemitisch sind und er aufgrund dieses inhärenten Antisemitismus handelte, aber nicht wirklich sein Tun kontrollierte, weil er davor 10 Joints geraucht hatte.

Muslime sind durch ihre Religion und Kultur prädisponiert Juden zu hassen, aber Kobili hätte das nicht gemacht, hätte er keinen psychotischen Aussetzer gehabt. Das Argument charakterisiert Muslime als gleichzeitig antisemitisch, während es antisemitische Mörder als Form von Geistesgestörtheit entschuldigt, unter denen Muslime auf einzigartige Weise leiden.

Mörderischer muslimischer Antisemitismus wurde als Form psychischer Erkrankung diagnostiziert. Sahara wurde wegen „der Tatsache, dass sie Jüdin war“, getötet, aber der Killer war für sein Tun nicht verantwortlich.

Derweil wurde, was Kobili vor dem brutalen Mord machte – abgesehen davon, dass er Pot rauchte – ingoriert.

Vor dem Mord hatte Kobili die Omar-Moschee in Paris besucht, deren früherer Imam Mohammed Hammami wegen Förderung für Terrorismus und Antisemitismus des Lands verwiesen wurde. Die Moschee war von Tabligh Jamaat aufgebaut worden, einer islamistischen Gruppe im Zentrum des Terrorismus in Frankreich. Es ist geschätzt wordne, dass die Mehrheit der islamischen Terroristen in Frankreich mit der Bewegung verbunden ist.

Viele Mitglieder der Tablilgh Jamaat schlossen sich Al-Qaida an. Dazu gehören Zacarias Moussaoui, der 20. Flugzeugentführer sowie der Schuhbomber Richard Reid. Al-Qadia war in der Lage die islamistische Organisation als Tarnung für ihre Mitglieder zu nutzen. Und sie ist bei Weitem nicht die einzige islamische Terrororganisation, die zum Umfeld von Tabligh Jamaat gehört.

Tabligh Jamaat ist zudem berüchtigt dafür problembeladene junge Männer zu rekrutieren und sie ausgiebiger Gehirnwäsche zu unterziehen. In einem Bericht beschrieb ein Mann aus Mali, auch das Herkunftsland des Mörders, wie Rekruten durch lange Zeiten des Skandierens und Betens wach gehalten wurden, bis sie den Kontakt zur Realität verloren. Das hat ominöse Ähnlichktien zum Verhalten von Kobili Traore, dem obsessiven Skandieren am Abend des Mordes an Sarah.

Sarahs Mörder hatte eine antisemitische Moschee besucht, die mit einer kultartigen islamistischen Bewegung in Verbindung stand, die problembeladene junge Männer rekrutiert, wie zum Beispiel Kolibi, der im Gefängnis rekrutiert worden war, und sie in Ekstasen treibt, während sie sie lehrt, dass es ihre Pflicht ist die Welt für den Islam zu erobern. Und das ist genau das, was Kobili in Paris machte.

Es gibt ein tragisches und übles Muster.

2015 griff Farid Haddouche Rabbie Acher Amoyal, seinen Sohne und einen weiteren Mann an, die die am Sabbat die Synagoge in Marseille verließen. Farid hatte „Allahu Akbar“ gebrüllt und einen der Männer in den Bauch gestochen. Er wurde nach einer psychiatrischen Beurteilung als nicht verhandlungsfähig befunden, obwohl seine Mutter zugab, dass er keine Geschichte geistiger Störung hatte. Aber er war damals betrunken gewesen. Proteste der jüdischen Gemeinde führte schließlich zu einem tatsächlichen Verfahren und der wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

2003 wurde Sébastien Selam, ein jüdischer DJ, von Adel Amastaibou erstochen. Der muslimische Mörder sagte den Polizisten, es sei der Wille Allahs. Er prahlte gegenüber seiner Mutter: „Ich habe einen Juden getötet! Ich werde ins Paradies kommen.“

Vor dem Mord hatte Adel einen Rabbiner angegriffen und eine schwangere Jüdin bedroht. Aber er wurde wegen Geistesgestörtheit als verfahrensunfähig befunden.

Wie Kobili hatte Adel sich high gemacht. Die Droge seiner Wahl war Haschisch.

Adel wurde ins Krankenhaus eingewiesen, aber in einer Vorahnung, wie wenig das in den Fällen von Kobili und Tarik zu bedeuten hatte, wurden ihm Freigänge aus dem Krankenhaus gewährt und er konnte Partys besuchen.

Nicht nur in Europa kommt mörderischer islamischer Antisemitismus psychiatrisch durch. Ahmed frehani, der einen Bombenanschlag auf eine Synagoge in New York plante, wurde zu einem populären progressiven Fall. The Nation behauptete, dass er ein geistig kranker Mann war, der von der Polizei überlistet worden war. Nach einem Selbstmordversuch veranstaltete das Zentrum für Verfassungsrechte eine Mahnwache für den mörderischen Antisemiten.

Die giftige Kombination aus Drogenmissbrauch – Ferhani hatte Drogen verkauft um den Amoklauf zu finanzieren – Behauptung der Geistesgestörtheit und einem Komplott Juden zu töten, wird allgegenwärtig. Genauso der allgemeine Versuch einzelne islamische Terroristen als geisteskrank schönzufärben, weil ihr Verhalten irrational erscheint.

Zwischen verrückt und böse kann eine sehr schmale Linie sein. Und einiges Verhalten, das in der muslimischen Welt nicht abweichend ist, zum Beispiel Kobilis Angst vor Dämonen, kann in unserem Kontext Geistesgestörtheit gleichen. Aber wie Jamie Glazov in seinem neuesten Buch Jihadist Psychopath festhält: Es gibt hier nicht notwendigerweise einen Widerspruch.

Die Eile Mörder aufgrund von Geistesgestörtheit zu entlasten, weil sie Alkohol oder Cannabis in sich haben, weil ihre brutalen Verbrechen der Vernunft trotzen und weil es leichter ist als den Verbindungen zu Orten wie der Omar-Moschee zu folgen, die die Behörden nicht gehen wollen, spornt islamische Gewalt an.

In Straßburg wurde 2016 Chalom Levy von einem Angreifer niedergestochen, der „Allahu Akbar“ brüllte. Levy trug auf seinem Kopf eine Kippa, eine jüdische Kappe und bereitete sich auf den Sabbat vor.

Levy, der vorher zu einem brennenden Auto geeilt war, um eine darin festsitzende Frau zu retten, konnten den Angreifer abwehren und um Hilfe rennen. Sein Möchtegern-Mörder wurde vor einem Café verhaftet, in das Levy entkommen war.

Die Behörden und die Medien beschrieben eilig die Angreifer als psychisch krank. Und tatsächlich hatte er bereits Zeit in einer Psychiatrie verbracht, nachdem er 2010 einen anderen Juden niedergestochen hatte.

Statt ihn ins Gefängnis zu schicken, wurde er für verhandlungsunfähig erklärt und kam in ein Krankenhaus.

Das geschieht, wenn Mord an Juden durch Muslime aufhört ein Verbrechen zu sein und zu einem psychischen Problem wird, das mit ein wenig Zeit mit dem Spiel mit Puppen, Reden über seine Träume und Pillen schlucken gelöst werden kann.

Die  Zeit wird kommen, in der der Möchtegernmörder wieder jemanden niedersticht. Und derjenige könnte nicht überleben.

Wenn, wie Tariks Psychiater behauptet, „viele Leute, die psychotisch sind, den Koran lesen“ und wie Kolibis Seelenklempner insistierte, „während Wahnepisoden unter Muslimen ein antisemitisches Thema üblich ist“, dann gibt es keine sinnvolle Unterscheidung zwischen muslimischem Terrorismus und Geisteskrankheit. Und wenn man Terrorismus gegen Juden als eine Form von Geisteskrankheit charakterisiert, dann sollte kein Muslim je ins Gefängnis kommen.

Juden oder sonst irgendjemanden im Namen des Islam zu ermorden, ist keine Form von Geistesstörung. Es ist Völkermord.

Der Wilders-Prozess und das inkompetente niederländische Justizsystem

ManfredGerstenfeldManfred Gerstenfeld (direkt vom Autor)

Ein neues Gerichtsverfahren gegen PVV-Parteichef Geert Wilders wird am 31. Oktober vor dem Gericht in Den Haag beginnen.[1] 2014 fragte er eine Gruppe Anhänger: „Was wollt ihr? Mehr oder weniger Marokkaner?“ Die Menge rief: „Weniger Marokkaner!“[2] Diese Antwort hat ein stereotypes Element, denn es bezog sich auf Marokkaner im Allgemeinen.

Es gibt in den Niederlanden im Vergleich zu ihren zwei Prozent Bevölkerungsanteil eine unverhältnismäßig große Anzahl Marokkaner unter den Verdächtigen bei Kriminalität.[3] Trotzdem ist es falsch allen Marokkanern für die Einstellungen dieser Einzelpersonen Vorwürfe oder sie dafür verantwortlich zu machen. Das zu behaupten, wie die Rufe es anzudeuten scheinen, ist Ausdruck einer ethnisch-rassistischen Meinung.

Es gibt jedoch in dem Zusammenhang mit diesem Prozess weitere Aspekte neben dem Augenscheinlichen. Einige dieser Facetten betreffen auch indirekt für Juden interessante Themen. Zuerst ein paar allgemeine Dinge. Im Oktober 2010 begann ein weiteres Verfahren gegen Wilders. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn der Beleidigung von Muslimen mit verschiedenen Äußerungen in den Medien und mit seinem Antikoran-Film Fitna.

Der Prozess erwies sich als heftige Niederlage des niederländischen Justizsystems. Wilders‘ Anwalt hatte den Erfolg, dass die Richter des ersten Gerichts zu einem frühen Zeitpunkt des Verfahrens ausgetauscht wurden.[4] Im Juni 2011 beantragte die Staatsanwaltschaft Freispruch für Wilders und die Richter kamen zu demselben Schluss.

Betrachtet man das in einem breiteren Kontext, dann lenkt auch der neue Wilders-Prozess Aufmerksamkeit auf das extreme Versagen von Polizei und Justizsystem des demokratischen Staates der Niederlande. Wilders benötigt bereits seit 12 Jahren massiven Schutz. 2004 ermordete Mohamed Bouyeri den Medienschaffenden Theo Van Gogh. Auf dem Computer des Mörders wurden Pläne zur Ermordung von Wilders gefunden. Letztes Jahr dankte Wilders seinen Personenschützern, dass er noch am Leben ist.[5]

Als er vor zehn Jahren ins Büro des Jerusalem Center for Public Affairs kam, fragte ich seine niederländischen Bodyguards, warum sie nur zu zweit waren. Sie antworteten: In Israel geschieht nichts. Als er ein paar Jahre später im Begin Center sprach, hatte sich die die Zahl seiner Personenschützer bereits auf sechs erhöht. In den Niederlanden ist Wilders heutzutage mit mehr Bodyguards unterwegs. Selbst im Parlamentsgebäude benötigt er Sonderschutz.

Die Zahl der Drohungen, darunter viele Morddrohungen, die Wilders im Lauf der Jahre erhielt, ist gewaltig. Darüber hinaus hat kein anderer niederländischer Politiker einen solchen Entzug an Privatsphäre über einen solch langen Zeitraum erdulden müssen.

Wenn die niederländische Polizei und das Justizsystem halbwegs angemessen wären, müssten wenigstens Hunderte von denjenigen, die Drohungen gegen Wilders ausstießen, im Gefängnis sitzen. Von ihnen wurde aber kaum einer verurteilt und die Höhe der zugemessenen Strafen fiel sehr gering aus.

Der niederländisch-marokkanische Rapper Mo$heb wurde 2009 von einem Gericht in Rotterdam zu achtzig Stunden gemeinnütziger Arbeit und zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Er hatte Wilders mit Mord gedroht; dabei sang er, dass, sollte er Wilders treffen, er diesen erschießen würde. Ein Jahr später sprach das Berufungsgericht in Den Haag den Rapper frei.[6] Der Oberste Gerichtshof entschied 2012, dass das Verfahren neu aufgenommen werden muss. Schließlich wurde er zu vierzig Stunden gemeinnütziger Arbeit und einem Monat Gefängnis auf Bewährung verurteilt.[7] 2014 wurde der Rapper Hozny, ebenfalls Muslim, zu achtzig Stunden gemeinnütziger Arbeit und zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. In einem Videoclip schlug Hozny vor, dass Wilders wegen seiner Äußerungen zum Islam als Geisel genommen und hingerichtet werden sollte.[8]

Im Verlauf der Jahre ist von Zeit zu Zeit der Ruf „Tod den Juden“ oder ähnliches von niederländischen Muslimen und anderen zu hören gewesen. Ein Beispiel ohne jüdische Aspekte gab es 2015, als mehr als 100 Menschen bei Krawallen, die im vorwiegend muslimischen Viertel Schilderswijk von Den Haag ausbrachen, „Juden, Mörder“ skandierten. Das geschah, nachdem ein von der Polizei verhafteter Mann im Polizeigewahrsam starb. Es gibt ein paar Juden, die in diesem Viertel in einer Enklave umgeben von Familien mit niedrigem Einkommen leben.[9] Selten, vielleicht auch nie, haben Drohungen gegen Juden zu Verurteilungen vor Gericht geführt.

Eine Studie unter niederländischen Jugendlichen stellte weit mehr Antisemitismus bei jungen Muslimen als bei anderen in ihrer Altersgruppe fest. Noch schlimmer ist die Feststellung, dass sieben Prozent der muslimischen Jugendlichen Gewalt gegen niederländische Juden rechtfertigen.[10] Es gibt in den Niederlanden mindestens zwanzigmal so viele muslimische wie jüdische Jugendliche. Die Zahl der Gewalt gegen Juden rechtfertigenden muslimischen Jugendlichen übertrifft damit die Zahl der jüdischen Jugendlichen in den Niederlanden beträchtlich.

Der heftigste antisemitische Vorfall in den Niederlanden war ein Raub, der 2015 von Kriminellen begangen wurden, die marokkanischer Herkunft zu sein schienen. Die Opfer waren zwei jüdische Holocaust-Überlebende Mitte achtzig in Amsterdam. Die Frau hatte Auschwitz überlebt. Die Räuber nannten sie „dreckige Juden“ und schlugen sie massiv.[11] Diese Kriminellen wurden nie gefunden.

Die zwei größten muslimischen Gemeinschaften in den Niederlanden sind die türkische und die marokkanische. Jeder zählt etwa ein Drittel der annähernd eine Million niederländische Muslime. Eine große Studie der amerikanischen Anti-Defamation League hat festgestellt, dass eine große Mehrheit der Erwachsenen in beiden Herkunftsländern dieser Gruppen Antisemiten sind.[12]

Da die Parlamentswahlen Anfang 2017 anstehen, könnte der Wilders-Prozess Einfluss auf den Wahlausgang haben. Zum Programm seiner Partei gehört das Verbot des Koran und die Schließung aller Moscheen in den Niederlanden. Angesichts all des oben Angeführten scheint ein fairer Prozess kaum möglich. Einerseits gibt es Dinge, die Wilders gegen eine ethnische Gruppe äußerte. Andererseits gibt es die viel schlimmeren Morddrohungen, die Wilders erhalten hat, die Auswirkungen, die sie auf sein Leben hatten und die winzigen Strafen, die gegen die wenigen verhängt wurden, die vor Gericht gestellt wurden. In diesem Kontext wäre ein Urteil von einer Stunde gemeinnütziger Arbeit für Wilders eine hohe Strafe.

[1] http://www.ad.nl/binnenland/wilders-zaak-over-minder-marokkanen-vertraagd~a944d639/

[2] http://www.nu.nl/politiek/3730669/geert-wilders-belooft-minder-marokkanen-in-haag.html

[3] https://www.cbs.nl/nl-nl/publicatie/2015/43/criminaliteit-en-rechtshandhaving-2014

[4] http://www.eenvandaag.nl/politiek/36540/rechtbank_gewraakt_in_proces_wilders

[5] http://www.ad.nl/binnenland/geert-wilders-bedankt-beveiliging-dat-hij-nog-leeft~a78b019b/

www.nrc.nl/nieuws/2010/11/10/moheb-vrijgesproken-van-bedreiging-wilders-in-rap-a1462660[6]

[7] http://www.nu.nl/binnenland/2914231/alsnog-taakstraf-rapper-bedreigen-wilders.html

[8] http://nos.nl/artikel/2002663-rapper-krijgt-80-uur-werkstraf-voor-bedreigen-wilders.html

[9] www.jta.org/2015/07/03/news-opinion/world/auto-draft-116

[10] Anne Frank Stichting en Verwey-Jonker Instituut, April 2015, S. 33. Ron van Wonderen/Willem Wagenaar: Antisemitisme onder jongeren in Nederland, Oorzaken en Triggerfactoren.

[11] http://nieuws.tpo.nl/2015/09/03/lichtgetinte-overvallers-tegen-bejaard-joods-echtpaar-jullie-vuile-joden-nu-is-het-van-ons/

[12] http://global100.adl.org