Persönliches vom 1. deutschen Israelkongress

Zuerst bekam ich ein wenig „Israel-Gefühl“: Vor dem Eingang eine (zum Glück um 11. Uhr noch nicht allzu) lange Schlange, die sich langsam auf die Sicherheitskontrolle zu bewegte. Das kennt man vom Flughafen, das kennt man aus Israel, wenn man dort eine größere Einrichtung wie ein Einkaufs- oder Veranstaltungszentrum betreten will. Und doch ist es immer wieder erschreckend, dass es in Deutschland nötig ist Synagogen und jüdische sowie proisraelische Veranstaltungen auf diese Weise zu schützen. Auf der positiven Seite – wenn auch nur am Rande wegen dieser Kontrollen, sondern hauptsächlich wegen der anwesenden Leute – konnte man ohne Bedenken seine Sachen (Jacke, Rucksack, Fotoapparat usw.) einfach irgendwo stehen/liegen lassen und sich sicher sein, dass alles noch da war, wenn man wiederkam.

Die Kontrollen sorgten allerdings auch dafür, dass der Kongress nur mit einer riesigen Verspätung eröffnet werden konnte, weil so viele Menschen noch draußen warteten – insgesamt waren nach Angaben des Veranstalters rund 1.100 Personen angemeldet; aber man sah auch reichlich Leute mit handschriftlich beschriftetem Namensschild, dem Erkennungszeichen, dass sie nicht angemeldet waren.

Im Folgenden beschränke ich mich auf die politischen (Podiums-)Diskussionen

Da der Zeitplan mit der Verspätung von ca. 45 Minuten ohnehin völlig aufgelöst war, musste improvisiert werden, was die Podiumsdiskussionen und andere Vorträge anging, vor allem, weil einige der Politiker weitere Termine hatten, zu denen sie sich rechtzeitig auf den Weg machen mussten. So wurden nicht alle Grußworte gesprochen und Volker Beck nahm nicht am Podium „Israel, Islamismus und die westliche Politik“ teil (er musste mit dem Menschenrechtsausschuss nach Kairo fliegen), sondern sprach deshalb ein Grußwort.

Darin gab es nette Worte wie: „Inzwischen ist es so, dass man sagen muss, man muss auch mal die Hamas kritisieren dürfen“, statt zu behaupten, Kritik an Israel sei verboten. Im Gegensatz zu diesen wahren Worten ließ er sich dann allerdings auch dazu aus, dass die Siedlungen das Haupthindernis zu Friedensgesprächen seien und die jetzige Regierung Israels auch nicht gut sei. Dazu griff er einem Diskussionsthema vor, von dem er wusste, dass es später noch angesprochen werden würde. Er verteidigte den Bundestagsbeschluss zur Murmelschiff-Affäre als richtig, darin stünde nichts Falsches – was ihm reichlich Unmut einbracht. (Ich hätte am liebsten gepfiffen ob solcher Arroganz und Verlogenheit.) Er führte an, dass aber auch einiges nicht in dieser Resolution stand und fügte an, es habe „keinen Sinn, wenn wir uns als politische Lehrmeister hinstellen“ (womit er deutsche Politiker meinte, nicht die Kongressteilnehmer). Das Dumme ist, dass deutsche Politiker, Medienschaffende und sonstige „Eliten“ aber genau das tun.

Nach Becks terminbedingtem sofortigen Abgang nahm Sacha Stawski kurz Stellung zu dessen Äußerungen; Hauptaugenmerk: Es ist schon ein Widerspruch, wenn man sich zur Sicherheit Israels bekennt und gleichzeitig will, dass die Übergänge zum Gazastreifen komplett und bedingungslos geöffnet werden. (Denn genau das hatte Beck mit seiner Stellungnahme vertreten – der Bundestag in seiner Resolution ebenso.)

Es folgte Frau Nancy Faeser (stellv. SPD-Landtagsfraktions-Vorsitzende), die in Vertretung von Torsten Schäfer-Gümbel (SPD-Fraktionschef im hessischen Landtag) weitgehend politische Worthülsen von sich gab; dazu gehörte etwas von der „Pflicht zur Kritik“ (auch an Israel).

Ganz anders zu Beginn ihr Parteigenosse Uwe Becker, Stadtkämmerer von Frankfurt/M. Der fand klare Worte, u.a.: „Wer Israels Existenzrecht in Frage stellt, der erklärt – nicht völkerrechtlich, aber intellektuell – Israel den Krieg.“

Auch Charlotte Knobloch fand eindeutige Worte. Noch klarer war Yohanan Plesner, Generalsekretär der Kadima, der ein wenig über die Hintergründe von Entscheidungen Israels erläuterte und für mehr Verständnis für israelisches Handeln warb – womit er im Grunde Eulen nach Athen trug (um nicht sagen zu müssen, er predige den Bekehrten), denn im Saal und davor befanden sich schließlich Leute, die Israels Position unterstützen und nicht heuchlerisch verleumden. Aber es war gut, das einmal so zusammengefasst zu hören – es gibt Grundlagen für eigenes Streiten für Israel.

Das erste Podium behandelte „Israel, Islamismus und westliche Politik“ und war nach den Einführungen der Teilnehmer auf dem Podium erst einmal bestimmt vom Streit um die Bundestags-Resolution zur Gazaflottillen-Aktion am 31. Mai, angestoßen von Gert Weißkirchen. Dieser hatte kritisiert, dass ein solcher einstimmiger Beschluss des Bundestags überhaupt zustande kommen konnte. Damit griff er die Solidaritätsbekundungen von Jerzy Montag und Gitta Connemann an, die vorher erstens davon schwärmten, dass die deutsch-israelische Parlamentariergruppe die zweitgrößte des Bundestags ist (nach der deutsch-amerikanischen) und daraus folgerten, dass die Solidarität der Abgeordneten mit Israel stark ist und täglich gelebt wurde. Weißkirchen: Wenn wir Solidarität mit Israel üben, dann üben wir Solidarität mit uns selbst. Die Resolution vom Juli zeigt keine positive Haltung gegenüber Israel, schon gar keine solidarische. Es ist nicht der Auftrag des deutschen Bundestages solche Entscheidungen gegen Israel zu treffen.

Jerzy Montag vom Bündnis90/Die Grünen und Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe verteidigte den Beschluss vehement. Man habe keine Forderungen an Israel gestellt; alle Resolutionen des Bundestages richteten sich an die Bundesregierung und niemanden sonst. Gitta Connemann von der CDU beschrieb dagegen den Beschluss als einen „Unfall“; sie selbst war bei der Abstimmung aus persönlichen Gründen nicht anwesend gewesen, wisse aber von Kollegen, dass die Kommunikation unter den Abgeordneten und den Fraktionen ganz schlecht und falsch gelaufen sei. Man wisse jetzt, was falsch gelaufen sei und müsse daran arbeiten, dass das nicht wieder passiert.

Ich nehme das Frau Connemann für sich persönlich ab – aber wenn es stimmt, dann muss gefragt werden, warum das nicht in die Öffentlichkeit transportiert wurde/wird! Sind die Abgeordneten zu feige Fehler zuzugeben oder ist es eben doch nicht so, dass es ein „Unfall“ war? Könnte es sein, dass diese Resolution eben doch die Meinung zumindest der überwiegenden Mehrheit der Abgeordneten (auch in der hoch gelobten Parlamentariergruppe) widerspiegelt?

Diskussionsleiter Jochen Feilcke hatte eine weitere Nuss für die Abgeordneten: Der Bundestag hat eine Resolution vorliegen, in der die Freilassung Gilad Shalits gefordert wird. Hierzu war klarzustellen, dass die Entscheidung über diese Resolution letzte Woche von der Tagesordnung genommen wurde, um sie nicht angesichts eines Entschluss-Marathons und der großen Aufmerksamkeit für die Atompolitik untergehen zu lassen. Das ist zu begrüßen, hätte aber dabei aber auch besser kommuniziert werden müssen, denn es hatte zu heftiger Kritik aus proisraelischen Kreisen geführt, die jetzt im Nachhinein so nicht gerechtfertigt ist. Der Entwurf bezieht sich ausdrücklich auf einen Entschluss des Europaparlaments, der Israel auffordert, zur Herstellung eines guten Klimas und Vertrauens auf Seiten der Terroristen (meine Wortwahl) Araber freizulassen, um so eine Freilassung Shalits zu ermöglichen. Feilckes Frage an die Abgeordneten: Warum sind das EP und der Bundestag nicht in der Lage eine Forderung an die Palästinenser zu stellen, ohne von Israel gleichzeitig Vorleistungen zu verlangen?

Ich möchte anfügen: Sind diese Leute nicht in der Lage zu unterscheiden zwischen rechtmäßig und auch juristisch legal verurteilten Mördern und einem völlig unrechtmäßig und jeglichem Völkerrecht widersprechenden Festhalten eines jungen Israelis zu unterscheiden, der außerdem auf israelischem Staatsgebiet und nicht während Kampfhandlungen entführt wurde?

Jerzy Montag gab sich wieder widerborstig und empört. Der Entwurf für den Bundestag enthalte nichts, was sich an die israelische Regierung richte und mache auch keine Vorbedingungen. Es stünde eindeutig ausschließlich darin, dass Gilad Shalit freizulassen sei. Feilckes Angebot, die Passage vorzulesen, die den Rückgriff auf die EP-Resolution enthalte, lehnte Montag ab. Daraufhin gab es reichlich Unmutsäußerungen aus der Zuhörerschaft, die von Feilcke aber abgewehrt wurde – er werde die Passage im Anschluss vorlesen.
Auch Frau Connemann war nicht einverstanden mit der Darstellung des Entwurfs, er sei unvollständig verlesen worden. Sie holte das nach – bis auf die Passage, die auf den EP-Beschluss Bezug nahm. Dieser und der entscheidende Teil der aus dem EP wurden vom Moderator verlesen, hatten aber keinerlei Auswirkung auf die Aussagen der Abgeordneten. Insbesondere bei Herrn Montag scheint Kritik nicht anzukommen. Es sei doch allen sonnenklar, dass Israel Palästinenser werde freilassen müssen, um Shalit freizubekommen. Ja, Herr Montag, aber vielleicht überlassen wir es den Beteiligten selbst, darüber zu diskutieren, statt ihnen Vorgaben zu machen, die von den Terroristen begeistert aufgenommen werden, während sie Israel unter Druck setzen?

Einen sehr treffenden Kommentar gab übrigens in Sachen „Friedensprozess“ (der auch am Rande angesprochen wurde) von Lothar Klein, Vorsitzender der Sächsischen Freunde Israels und CDU-Stadtrat in Dresden, der einen Freund zitierte: „Land für Frieden ist wie Geld für Liebe – dem ältesten Gewerbe der Welt.“

Aller Ehren wert waren die Versuche von Gert Weisskirchen und den Veranstaltern, die Stimmung vor allem gegen Jerzy Montag zu bremsen. Man sei froh über sein Engagement, dass er da war und teilnahm und danke ihm für seine Anwesenheit und seine Verteidigung Israels. Das und kontroverse Diskussion sind natürlich wichtig und richtig. Aber Glaubwürdigkeit wird Montag seitens der Kongressteilnehmer wohl nicht weiter attestiert werden.

Das zweite Panel fand unter der Leitung von Jörg Rensmann vom Middle East Freedom Forum zum Thema „Israel, Iran, Hamas und Hisbollah – Die Region im Mittleren Osten im internationalen Kontext“ statt. An den Mikrofonen saßen Dieter Graumann vom ZdJ, der israelische Diplomat Emmanuel Nahshon, Matthias Küntzel und der Historiker Yaacov Lozowick (über dessen gute Deutschkenntnisse ich überrascht war). Nahshon äußerte sich sehr konziliant zur Türkei als wichtigem Bündnispartner Israels, was Graumann kommentierte: „Herr Nahshon, Sie sind Diplomat. Ich bin kein Diplomat, ich kann Klartext reden.“ Was er auch tat, nicht nur zur Türkei. Alle Redner stellten dar, wie der Iran die Region unterwandert und dass die Schere zwischen Reden und Tun dem Mullah-Staat gegenüber ziemlich auseinander klafft. Es wurde sehr deutlich, dass die allgemeine Ansicht, die Lösung des Konflikts zwischen den Palästinensern und Israel würde auch die übrigen Konflikte und Probleme des Nahen Ostens lösen, absolut in die falsche Richtung zielt. Der arabisch-israelische Konflikt lässt sich erst lösen, wenn die Kriegstrieber Iran und Syrien ihren Einfluss verlieren. (Vor allem der Iran, denn Syrien dürfte dann „automatisch“ folgen.)

Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, der Deutsche Bundestag solle es dem niederländischen Parlament gleich tun, das die Revolutionsgarden auf die Liste der Terrorgruppen setzen lassen will, womit z.B. automatisch Sanktionen für jeden greifen würden, die mit irgendjemandem Handel treibt, der zu den Revolutionsgarden gehört – und das sind einige Firmen und Organisationen des Iran.

Matthias Küntzel gab noch eine sehr präzise Erklärung ab: „Wer die deutsche Iranpolitik nicht ändern will [d.h. die Sanktionen nicht will], der sollte von Israelsolidarität schweigen.“ Recht hat er!

Das letzte Panel hatte „Antisemitismus und Anti-Israelismus im täglichen Leben“ zum Thema. Alon Meyer als Präsident von TuS Makkabi Frankfurt berichtete aus dem Spiele-Alltag seines Vereins und Weigerung von Verbandsverantwortlichen auch im Vorfeld gegen Antisemitismus vorzugehen. Es muss immer erst etwas gewalttätiges passieren, bis die überhaupt aktiv werden. Gideon Römer-Hildbrecht berichtete über die Bundeswehr und was Juden dort erleben. Der Tenor war, dass es eigentlich recht in Ordnung ist, aber von altgedientem Personal immer wieder mal seltsame Äußerungen zu vernehmen sind. Im privaten Umfeld gibt es heftige Vorfälle (sein Beispiel involvierte muslimische Migrantenkinder). Ein DGB-Vertreter musste unbedingt Thilo Sarrazin einbringen und verdammen; das erschien mir als ein reichlich von Vorurteilen geprägtes Horror-Szenario, das politisch korrekt mit persönlicher Gier und nicht Sorge und dem ganzen Inhalt des Buches begründet wurde.

Für mich hatte der Abend – vor dem eigentlichen Ende des Kongresses mit den unterhaltsamen Tagesordnungspunkten – ein persönlich sehr schönes Ende, als ich mit Arye und zweien seiner Freunde noch einen Happen essen ging und ihn dann zum Flughafen brachte. Hoffentlich bleibt das keine Eintagsfliege, sondern wird – größer und regelmäßig – Fortsetzungen finden!

Erste Ergebnisse der Konferenz (eine Deklaration und ein Forderungskatalog) sind auf der Seite Israelkongress.de einzusehen.

6 Gedanken zu “Persönliches vom 1. deutschen Israelkongress

  1. Danke für den ausführlichen Bericht! Ich hatte schon den Verdacht, daß Lozowick gut Deutsch kann… 🙂

    Ja, in der Schlange stehen und dann eine Verspätung – das klingt fast wie in Israel… Ob wohl auch Israel-Skeptiker da waren?

    • Das war eigentlich das Erstaunlichste an der ganzen Veranstaltung: Es waren überhaupt keine Prostest-Trolls zu sehen, auch nicht vor dem Gebäude!

      • Naja das stimmt so nicht, vor dem gebäude tauchte gegen Mittag eine Gruppe Neonazis auf, die allerdings nach kurzem Parolengekreische schnell entfernt wurden..

        Außerdem tauchten noch einige Mitglieder der Gruppe „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ auch diese hatten nur ein kurzes Gastspiel…

        Im gebäude gab es auch einen kleinen Vorfall der eher seltsam war, ein verwirrter Mann brüllte irgendetwas unverständliches sah sich aber sofort einer größeren Gruppe Securitys gegenüber und wurde aus dem gebäude geführt…

        Alles in allem aber sehr angenehm, das es keine größeren Gegenaktionen gab.

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