Der General, der daran glaubt, dass Kriege gewonnen werden müssen

Die letzten zwei Jahrzehnte ist Gershon Hacohen ein einsamer Abweichler in den obersten Rängen der IDF gewesen. Leider hat sich gezeigt, dass er recht hatte.

Armin Rosen, Tablet Magazine, 28. Februar 2024

Gershon Hacohen beaufsichtigte eine Fallschirmspringer-Übung, 2012 (IDF via FLICKR)

Viereinhalb Monate nachdem Hamas-Kommandos die Polizeiwache im Zentrum von Sderot überrannten, ist alles, was bleibt, ein staubiger Haufen verdrehter Bewährungsstäbe. Obwohl die Polizei der Stadt mehr als zwei Dutzend Terroristen tötete, bevor die IDF am späten Vormittag des 7. Oktobers eintraf, brauchte es mehr als ein Dutzend Panzergranaten, um die gekaperte Wache zum Einsturz zu bringe, wo zahlenmäßig unterlegene Polizisten die in einer blutigen, ausweglosen Situation gegen die Nukhba-Kräfte der Hamas gekämpft hatten. Ein israelischer Panzer hatte noch nie im Kampf auf ein israelisches Gebäude auf israelischem Territorium geschossen.

Ein frisch gemaltes Wandbild direkt neben der ehemaligen Stelle der zerstörten Wache gedenkt dieses beispiellosen Bruchs der nationalen Realität des jüdischen Staates: Ein Panzer, der das Gebäude vor dem Hintergrund eines gespenstisch farbenprächtigen Himmels beschießt. Über der Szene schwebt das numinöse Bild einer offenen Thora-Rolle, die an das geschändete Glück des Feiertags erinnert, an dem der Kampf stattfand. Am Tag, an dem ich den Ort Anfang Februar besuchte, befand sich eine amerikanische Familie auf einer Führung, wenige Meter von einer Gruppe mehrere Dutzend uniformierter Polizisten, die ebenfalls auf einer Art organisierten Besuch am neuesten nationalen Schrein ihrer Truppe befanden. Am 11. Februar berichtete die Times of Israel, dass Schutt der Wache, die am Morgen des 8. Oktobers eingeebnet wurde, in einem Naturschutzgebiet nördlich der Stadt abgeladen worden war.

Ist die Schlacht von Sderot etwas, das kanonisiert oder begraben werden soll? Es überrascht nicht, dass die Antworten, wie sie gegenwärtig gegeben werden, so bizarr inkohärent sind. Eines der Hauptkennzeichen des Kriegs, der am 7. Oktober begann, ist sein anhaltender Mangel an Klarheit. Israel mag kurz davor zu stehen die Hamas im Gazastreifen zu besiegen – oder es könnte nur Wochen von dem jähen strategischen Rückschlag der amerikanischen Anerkennung eines Palästinenserstaats entfernt sein. Während die Demobilisierung der Reservisten und einem neu verkündeten Zeitplan der Regierung für die Rückführung der Bevölkerung in die Grenzregion am Gazastreifen das Gefühl eines aktiven Notfalls zum Teil gelindert hat, droht eine noch schlimmere Krise in Form eines potenziellen Kriegs mit der Hisbollah, eine Bedrohung, die bisher verhindert, dass 60.000 obdachlose Israelis in ihre Zuhause im Norden zurückzukehren.

Monate nachdem die Hamas eine 30 Jahre alten Illusion zerstörte, es könne eine über Vereinbarungen festgemachte nationale Existenz geben und der Diskreditierung der meisten derer, die für deren Theorie und Umsetzung verantwortlich sind, gibt es einen Konsens in der gesamten Gesellschaft, dass die Hamas besiegt werden muss und Nebel zu fast allem anderen. Es gibt relativ wenige leitende Linke, die sich als qualifiziert erwiesen haben im dem Morast Durchblick zu haben. Von diesen wenigen verbliebenen Generälen, Regierungsministern und Leitern von Organisationen, die es noch wert sind ihnen zuzuhören, hatte fast keiner eine so hohe Position im Sicherheitsapparat inne wie Generalmajor (d.Res.) Gershon Hacohen.

Hacohen wurde im Jahr 2000, als er die Abteilung für Training und Doktrin des IDF-Generalstabs leitete, gebeten eine Abhandlung dazu zu schreiben, wie Israel sich ohne Kontrolle über das Jordantals verteidigen könne, das im Zuge von Friedensplänen von Premierminister Ehud Barak an einen zukünftigen Palästinenserstaat abgetreten werden sollte; fast die gesamte oberste Führung der IDF und die israelischen Führungskräfte der nächsten Jahrzehnte fanden nicht, das sei unverantwortlich. „Mein Aufsatz war sehr kurz: Das ist so, als sage man einem F-15-Piloten, er solle ohne Triebwerk losfliegen“, erinnerte er sich. „Keine Chance.“

In den Jahren vor seinem Rücktritt aus dem aktiven Dienst Mitte der 2000-er trat Hacohen, der auch Kommandeur des Nationalen Verteidigungshochschule Israels war, als einer der stärksten und ranghöchsten internen Abweichler der IDF hervor. Hacohen, heute 69, behauptete mir gegenüber, dass er der einzige General im aktiven Dienst war, der treffsicher vor den wahrscheinlichen Sicherheitsfolgen der Abkoppelung aus dem Gazastreifen 2005 warnte, einer Operation, die dann ihm übertragen wurde.

In einem Kriegsspiel im April 2005, vier Monate vor dem Abzug, simulierte der IDF-Generalstab ein Szenario, in dem Terroristen in dem Küstenstreifen Raketen auf Aschdod, Sderot und Aschkelon schossen. Hacohens Rat mitten in der Übung bestand darin Premierminister Ariel Sharon zu sagen: „Wir haben keine Möglichkeit voll zurückzuschlagen, weil uns nicht erlaubt werden wird, jede Woche die Grenze zu überqueren, es wird uns nicht erlaubt sein mit Artillerie auf ein Flüchtlingslager mit 50.000 Einwohnern zu schießen, wir werden unbeteiligte Leute töten… daher sag ihm, dass das, was geschehen wird, eine Katastrophe sein wird und wir werden keine gute Möglichkeit haben zurückzuschlagen.“ Nachdem er seine Einschätzung äußerte, sagte Hacohen, er „wurde vom Generalstabschef [Mosche Ya‘alon] gewarnt, ich rede politisch. Ich sagte ihm: ‚Ich bin der Einzige hier, der wie ein Profi redet.‘“

Hacohen wurde ein Rahmen von Monaten gegeben, um die 9.000 verbliebenen israelischen Bürger des Gazastreifens fortzuschaffen, ein Job, den er in nur zwei Wochen erledigte. „Warum hatte ich Erfolg?“, fragte er. „Weil ich die Anführer der Siedler überzeugte sich mir in der Erkenntnis anzuschließen, dass sie kämpfen mussten, aber nicht bis zum verhängnisvollen Ende, denn auf diese Weise werden sie die Legitimation verlieren, die sie für den Hauptkampf um Judäa und Samaria brauchen.“ Bei der Umsetzung des Abzugs wurden keine Soldaten getötet, die Siedlerbewegung behielt ihre Glaubwürdigkeit in der israelischen Gesellschaft und gewannen dramatisch an Macht und es gab keine folgenden einseitigen israelischen Rückzüge aus der Westbank.

Hacohen ist in Bitchonistim aktiv, einer Organisation von mehr als 20.000 ehemaligen Sicherheits- und Verteidigungsbeamten, die gegen jegliche allzu riskanten Zugeständnisse an Israels Feinde sind, ganz besonders gegenüber den Palästinensern. 2022 legte die Organisation eine detaillierte Sicherheitseinschätzung vor, in der sie für die strategische Notwendigkeit einer Zwangsentwaffnung des Gazastreifens argumentierte. Yoav Gallant, der aktuelle Verteidigungsminister, nahm an der Erstveröffentlichungsveranstaltung des Textes teil – General a.D. Amir Avivi, Gründer von Bitchonistim, arbeitete eng mit Gallant und Hacohen zusammen, als sie in der Armee waren. Mitglieder von Bitchonistim werden – zurecht oder zu Unrecht – als mit Zugang zur aktuellen Regierung wahrgenommen, die im Verlauf des Krieges informell auf ihren Rat zurückgegriffen hat.

Israel ist ein Land in dem Ex-Generäle, auch die still einflussreichen, über keine besondere Aura verfügen – innerhalb des militärischen und jüdisch geprägten Egalitarismus der israelischen Gesellschaft könnte ein ehemaliges Mitglied des Generalstabs mit einem Professor oder Bauern oder Busfahrer verwechselt werden. Hacohen unterscheidet sich selbst von der typischen Art ehemaliger Amtsträger. Er spricht ein hypnotisierend langsames, gleichmäßiges und hell klingendes Englisch und der schlaksige Offizier im Ruhestand sieht und klingt oft wie ein Dichter oder Wüsten-Eremit, der nur zufällig mehr als 40 Jahre lang Männer im Kampf kommandierte. Ich traf ihn Mitte Februar an einem späten Donnerstagabend in Tel Aviv in einem weitgehend menschenleeren Café in der Nähe des Hauptquartiers des Verteidigungsministeriums. Ein paar Stunden zuvor hatten Demonstranten den Verkehr vor dem Ministerium blockiert und Neuwahlen sowie einen sofortigen Deal zur Freilassung der Geiseln gefordert, obwohl es dazu keinen realistischen Vorschlag gibt. Die Demonstration war die einzige krasse Anomalie in der Stadt: Die Dizengoff-Straße war sogar noch voller als vor dem Konflikt; mein Hotel in Ramat Gan war komplett mit Israelis belegt, die auf dem Weg zu einem Konzert in der nahegelegenen Menora Mivtachim-Arena waren.

„Tel Aviv war zu Beginn des Krieges leer wie eine tote Stadt. Es brauchte Zeit sie wieder zum Leben zu erwecken. Was du jetzt sehen kannst, ist ein Wunder“, sagte Hacohen. War das Wunder die Leistung der IDF im Gazastreifen? Das wagte ich zu fragen, weil die Armee sich langsam der vollen Kontrolle des Gebiets nähert und Raketenfeuer aus dem Streifen die Stadt seit Wochen nicht mehr bedroht hatte. „Nein“, antwortete er, „das ist wegen der Lebenskraft.“

Dass in Kriegszeiten in Tel Aviv auch nur einer oberflächlich normalen Existenz Bestand hatte, war für den ehemaligen Militär ein zerbrechliches Wunder und das nicht nur wegen der großen Reichweite der Raketen, die die Hisbollah auf die Stadt geschossen hat. „Die Die von Präsident Biden einen Palästinenserstaat aufzubauen ist eine genauso starke Bedrohung für die Existenz Israels wie die Atombombe im Iran – definitiv“, sagte er. „Und wenn Israel nicht gegen diese Idee ankämpft, dann öffnen wir da einfach die Tür für das fatale Ende Israels.“

Hacohens Einlassungen mögen über Gebühren schwarzseherisch erscheinen. Aber andererseits sahen wenige professionelle Militärs am Vorabend des Abzugs aus dem Gazastreifen den Albtraum am voraus und viele ernst zu nehmende israelische Sicherheitsleute glauben, dass die Operation Wächter der Mauern vor ein paar Jahren sei ein bahnbrechender Sieg gewesen, der Israels technologische Überlegenheit und Fähigkeit seinen Feinden Befehle zu erteilen demonstrierte. „Die Tatsache, dass Tel Aviv immer noch voller Leben ist, ist der Tatsache geschuldet, dass wir Judäa und Samaria kontrollieren“, sagte Hacohen. Der Verlust dieser Kontrolle würde Israel in eine existenzielle Krise stürzen.

Hacohen ging dann schnell zu der größeren Frage über, warum es das Land überhaupt geben muss. Sicherheit ist überall eine Grundvoraussetzung für Leben, sagte er, aber das war der Punkt jüdischer Souveränität im Land Israel. „Wenn die amerikanische Administration glaubt, wir seien nur wegen Sicherheit hier, wie sie uns immer erzählen, dann sage ich ihnen immer, dass unsere Geschichte nicht die von Sicherheit ist. Wenn alle deine Ängste nur Sicherheit betreffen, warum nicht versuchen, diese in New Jersey zu finden? Was gibt es dort Schlimmes? Warum hier seit mehr als 100 Jahren kämpfen, nur wegen Sicherheit, die immer noch nicht erreicht ist? Sicherheit ist nur das Mittel für ein anderes Ziel. Das Hauptziel ist Erlösung… Tel Aviv ohne ein Tor nach Jerusalem ist nichts mehr als ein Brooklyn am Mittelmeer.“

„So habe ich in der Armee immer geredet“, sagte Hacohen. Das Religionsregister war einst ein alltäglicher Bestandteil der Weltanschauung und des Vokabulars israelischer Militärs, die heute als Ikonen er erloschenen Ära des hoffnungsvollen säkularen Liberalismus des Landes gelten: „Das war die Art, wie Mosche Dayan sprach. Yitzak Rabin redete so“, sagte Hacohen. Mit der Zeit ließen dieses Gefühl für die Gefahr und den Sinn nach, obwohl sich die Grundrealitäten des Landes nicht wirklich geändert hatten. Aus Sicht von Hacohen verlor die Elite des Landes den Blick auf die Kontinuitäten in der Lage Israels, das Wesen des Krieges und die Verbindung zwischen Krieg und nationalem Überleben, eine Massenwahnvorstellung die von der Hamas auf fürchterliche Weise zerschlagen wurde.

Hacohen begann seine Karriere in der Arme Anfang der 1970-er Jahre und war einer der ersten Soldaten, die im Yom Kippur-Krieg den Suezkanal überquerten. Eines Tages lud er 1977 als Kompaniechef an der Frontlinie auf den Golanhöhen ein Dutzend Panzer auf Tieflader, um sie zu einer Übung mit scharfen Schüssen in der Nähe zu bringen. General Rafael Eitan, der bald darauf Generalstabschef werden sollte, war vor Ort und befahl plötzlich eine andere Art von Übung: Hacohen sollte sich vorstellen, die Syrer würden genau in diesem Moment über die Kontrolllinie angreifen, was bedeutet, er musste die Panzer so schnell wie nur menschenmöglich von den Tiefladern herunterbekommen. „Er machte das, um zu betonen, dass der Feind überraschend kommt. Alles konnte ausgerechnet im definitiv falschen Moment passieren, unerwartet“, sagte Hacohen.

„Das Grundprinzip der Verteidigung lautet, dass du im Feld nicht von einem Alarm abhängig bist“, fuhr er fort. Es ist Teil der Militärberufs als Kommandeur, dass du das Ritual der Bereitschaft beibehältst.“

Das Ritual verfiel, zusammen mit der Kultur und die Denkweise, die es überhaupt erst möglich gemacht hatten. Selbst heute, Monate nach dem 7. Oktober, ist es möglich sich vorzugaukeln, dass Eitans spontane Übung auf dem Golan in ein anderes Zeitalter der Kriegsführung gehörte. Es stimmt schon, dass die syrische Armee der späten 1970-er Jahre, welche unzähligen Fehler sie auch immer hatte, zumindest war sie eine uniformierte reguläre Armee mit einer Doktrin, die auf tatsächlichem Kampf und einem Gefühl der Ehre gründete, die sie verpflichtete gegen andere Soldaten anzutreten und zu kämpfen. Im Gegensatz dazu flohen die Hamas-Kommandos am 7. Oktober vor aktiver Konfrontation mit bewaffneten Israelis, um die Zahl der zivilen israelische Toten zu maximieren und die Taktiken der Gruppe im Gazastreifen basieren auf der Opferung der größtmöglichen Zahl palästinensischer Zivilisten, während Gefechte gänzlich vermieden werden. Aber wenn syrische Armee der Vergangenheit eine andere Art von Gegner als die Hamas von heute, so erfordert sie eine ähnlich einfallsreiche und aufgeschlossene Militärführung, um den Feind klar zu sehen. Hacohen glaubt, dass die Denkweise innerhalb der IDF so gut wie verschwunden ist.

Aus Hacohens Sicht hat die Armee das institutionelle Erinnerung an das verloren, was es wirklich bedeutet „an einem riesigen Krieg teilzunehmen“, etwas, das die IDF seit dem israelischen Einmarsch in den Libanon 1982 nicht mehr gemacht hat. Mit der Zeit, sagte Hacohen, „hatten die meisten Kommandeure keine Erfahrung in Kriegsführung mehr“. Das Ende des Kalten Kriegs verleitete die führenden Militärs der Welt dazu zu glauben, dass Generäle über die Aussicht auf einen größeren Kampf von Militärführungen nicht mehr sonderlich nachdenken oder sich gar darum kümmern müssten, und dass Kriege ab jetzt klein und kontrollierbar sein würden – sie Hacohen feststellte, war sogar der bösartig unsentimentale Wladimir Putin war überzeugt, dass eine Handvoll Spezialkräfte die Ukraine innerhalb von ein paar Tagen erobern könnte.

Hacohen (rechts) spricht während der Abkoppelung vom Gazastreifen 2005 mit einem Siedler (Foto: Yagil Henkin/Alamy)

In der Ära der Oslo-Vereinbarungen nach dem Kalten Krieg war das israelische Establishment durch den Frieden mit Jordanien und den Beinahe-Frieden mit Syrien überzeugt, dass das Land seine letzte existenzielle Schlacht geschlagen habe. Die aufsteigende Generation IDF-Generäle bestand aus Leuten, die für die kleineren, eingedämmteren, weniger gefährlichen Kriege der posthistorischen Welt gut geeignet zu sein schienen. „Diejenigen, die befördert wurden, kamen aus den Sondereinsatzkräften“, sagte Hacohen. „Sie können Kriegsführung nicht auf die gleiche Weise verstehen, wie ein ausgezeichneter Gehirnchirurg die Allgemeinmedizin versteht.“

Laut Hacohen fütterte die Überzeugung, dass Krieg mit Massenmanövern ein Relikt der Militärhandbücher der Vergangenheit seien und dass die Fertigkeiten solche Konflikte zu führen nicht mehr relevant seien, eine zunehmende institutionelle Malaise innerhalb der IDF. Das strategisch komplexe, emsige sich Vorbereiten auf Frieden mit Yassir Arafat, geneierte sich selbsterfüllende Ausreden dafür, warum die Armee sich von dem harten Geschäft großer Konflikte entfernen müsse. Der Beruf eines IDF-Generals ging von existenzieller Kriegsführung zu „beherrschendes Feuer mit Abstand“ über, wie Hacohen erklärte – die Vorstellung, dass Feinde aus der Entfernung mit Spezialkräften, Luftmacht und technologischer Überlegenheit bekämpft werden könnten. Das war bequem, bedenkt man, dass Israel in diesen Bereichen bereits überragend war und dass sie für den neugefundenen wirtschaftlichen Wohlstand des Landes eine zentrale Rolle spielten.

Kandidaten für hohe Posten in der IDF wurden nicht für ihre Fähigkeit geschätzt kreativ zu denken oder Siege zu liefern – Sieg war ein veraltetes Konzept im neuen Zeitalter chirurgischer Operationen im Dienst des Friedens – sondern dafür gute organisatorische Funktionäre zu sein. Während der Krieg hoffnungslos abstrakt wurde, entfremdeten sich die Israelis, die für ihre Theorie und Praxis verantwortlich waren, zunehmend von ihrer zentralen bürgerlichen Funktion, die darin besteht sich auf das Undenkbare vorzubereiten, am Rande des nationalen Weltuntergangstags zu leben, damit das zivile Leben so geordnet und produktiv wie möglich ablaufen kann. Hacohen sagte, seiner Erfahrung nach, gäbe es die Chance in den USA zu studieren, würden die meisten aktiven israelischen Generäle sich entscheiden an der National Defense University in Washington Industriemanagement zu lernen statt Feldkommando am U.S. Army War College in Pennsylvania. Selbst Generalstabschefs, sagte Hacohen, betrachteten diese Zeiten in Washington als Chance für Offiziere sich für ihre Karrieren nach dem Militärdienst zu bilden.

„Kriegsführung ist ein Bereich der Unsicherheit“, sagte Hacohen. „Sie ist definitiv ein anderer Beruf. Die meisten der Generäle sind gar nicht für den Beruf der Kriegsführung geeignet. Sie sind nicht genug ausgebildet und eigentlich mögen Generäle in Israel auch keine Kriegsführung. Sie mögen ihren Beruf auch nicht. Sie lernen nicht darüber – lernen nicht genug.“

Stattdessen, sagte er, lernen sie „Bullshit, Management, studieren im Wexner-Programm in Harvard – wissen, wie man schön redet“.

Ich war früher diesen Monat in Israel, als Teil eines Faktenfindungs-Auftrags, der von Middle East Forum aus Philadelphia organisiert wurde. Ich traf Hacohen am Abend, nachdem das Programm beendet war. Früher auf der Reise bekamen wir ein anschauliches Gefühl für das, was die Hamas innerhalb der strategischen blinden Flecke der Abstands-Doktrin der IDF erreichte, von dem Hacohen sagte, die Islamisten hätten Mitte der 2000-er Jahre begonnen hatten sie zu kontern, indem sie Planen über die Straßen von Khan Junes hängten, was eine höchst effektive, kostengünstige Abschirmung gegen israelische Aufklärungsflüge schuf.

Die Gruppe sah eine Ausstellung von Waffen, die vor kurzem aus Tunneln im Gazastreifen geholt wurden. Die Dutzenden kurze Metall-Zylinder mit abgeflachten Kegeln an der Spitze waren Antipanzerminen; ein breites, mit einem schlauchartigen Zünder verbundenes Plastikrohr war eine Tunnelbombe, die in den Rand zwischen einem Höhlengang im Untergrund und der Straße darüber einzementiert wurde. Es gab wie Frisbees geformte Antipersonenminen sowie einen metallenen Sprengrahmen, der zum Durchbrechen von Zäunen verwendet wurde. Die Hamas fand heraus, dass ein Gartenschlauch mit einer kleinen geschickten Modifikation als Abschusssystem für einen Streifen TNT genutzt werden kann. All diese Vorrichtungen wurden im Gazastreifen hergestellt, wo die Hamas eine Fähigkeit entwickelt hatte, weil selbst das großzügigste Zweistaaten-Ergebnis keinen Palästinenser einschloss, der eine einheimische Militärindustrie besitzt, die durch die Massenproduktion „improvisierte“ Waffen eine gewaltige Armee für taktische oder sogar strategische Siege über den israelischen Feind ausrüsten kann.

Die Strategie der Hamas gründet darauf [dem Gegner] „Überlegenheit zu verweigern“, sagte Cohen, was strategisch, wenn auch nicht taktisch an Ägyptens Gebietsverweigerungsstrategie von 1973 erinnert, bei der in der Sowjetunion hergestellte Panzerabwehr- und Flugabwehrraketen während des Vormarschs der ägyptischen Armee über den Suezkanal israelische Panzer und Kampfflugzeuge aufhielten. In der heutigen Welt kann weit gewaltiger Ungleichheit in militärischer Macht durch noch einfachere Mittel überbrückt werden. Ein Gegner braucht kein einziges Kriegsschiff mehr, um die US Navy erfolgreich zu bekämpfen – er braucht nur in China, Russland oder dem Iran produzierte Flugkörper, wie sie sie Houthis im Jemen haben, die die Vorteile der Marine gegenüber einer kleineren Streitmacht zusammenfallen lassen, zumindest im Kontext der aktuellen Kriegführungs-Doktrin der US-Marine im Roten Meer. Ähnlich droht ein großer Teil der vergleichsweisen Stärke der IDF gegenüber der Hamas sich zu verflüchtigen, wenn sie zu den Bedingungen der Terroristen kämpft – die Größe und Ausgereiftheit der Invasionsstreitkräfte könnte keine Rolle spielen, sollte die Hamas den Vormarsch der IDF verlangsamen und im Untergrund lange genug aushalten, dass die USA oder die internationale Gemeinschaft eine Einstellung aller israelischer Operationen befehlen.

„Hamas, Hisbollah und andere Milizen sind postmoderne militärische Organisationen“, erklärte Hacohen. „Sie brauchen keine Luftwaffe, keine Marine oder Artillerie und doch schaffen sie eine enorme strategische Bedrohung.“

Was sie brauchten, wurde unserer Gruppe gezeigt: massenproduzierte, einfach Sprengsätze, in Nordkorea hergestellte Werfer für raketenbetriebene Granaten, vor Ort hergestellte Raketen, im Iran gebaute Drohnen von nur wenigen Metern Länge. Wir bekamen die glücklicherweise seltene und psychologisch irritierende Gelegenheit einen echten Selbstmordgürtel aus nächster Nähe zu begutachten, bei dem die Eisbeutel-ähnlichen Sprengstoffe in Plastik eingewickelt waren, um sie gegen die feuchtwarme Atmosphäre in einem Gaza-Tunnel zu isolieren. Die Weste hatte zwei farbcodierte Aktivierungsstecke, die mit einer Aktivierungsstecke, die mit einer 5V-Batterie und einem Paar identischer, in schwarzen, rechteckigen Haltern versteckten grünen Knöpfe verbunden waren, eine Redundanz für den Fall einer der Mechanismen versagen sollte. Eine dieser Tasten zu drücken, ist der Gipfel eines gesamten Lebens. Auf ziemlich die gleiche Weise erfüllte die Entscheidung des Hamas-Kleinstaats einen selbstzerstörerischen, völkermörderischen Krieg gegen Israel zur führen, das beabsichtigte Endergebnis dessen, was objektiv das freieste und fortschrittlichste Projekt nationaler Autonomie ist. Die Weste war, wie der 7. Oktober, die Art des Feindes seine fundamentale Weltanschauung so laut wie möglich zu verkünden.

Hacohen glaubt nicht an Frieden mit den Palästinensern, aber er glaubt nicht, dass allein Gewalt Israels strategisches Dilemma lösen kann. Zwei Tage, bevor ich ihn traf, war die MEF-Gruppe im Norden Israels gewesen, hatte durch Ferngläser auf die schreckliche Stille der Gemeinden gesehen, die seit Anfang Oktober Geisterstunden gewesen sind. Mit bloßem Auge konnte man auf einem fernen Bergrücken ein weißes Gebäude erkennen, ein UNO-posten 80 Meter innerhalb des libanesischen Territoriums, wo die Hisbollah im April 2023 eine militärische Demonstration veranstaltete. Die Evakuierung von 60.000 Israelis aus 43 Orten innerhalb von 5km von der Grenze hatte den islamistischen Jihadisten ein freies Schussfeld geschaffen; seit Oktober haben sie mehr als 500 israelische Häuser gesprengt und in Kiryat Schmona früher am selben Tag einen 15-jährigen schwer verletzt haben. Ohne einen israelischen Einmarsch in den Südlibanon wird die vom Iran gestützte Miliz sich kaum über den Litani zurückziehen, die ihr am nächsten gelegen Position, die ihr laut der wertlosen Resolution des UNO-Sicherheitsrats, die den Libanon-Krieg von 2006 beendet, erlaubt ist.

Hacohen glaubt nicht, dass ein solcher Einmarsch leicht sein wird. „Erstens handelt es sich um bergiges Gelände“, sagte er. „Wir müssen von den alliierten Streitkräften lernen, den USA und den Briten auf ihrem Marsch unter dem Kommando von Patton von Sizilien zum Monte Cassino. Sie brauchten zu lange… die Deutschen konnten sie erfolgreich neun Monate lang am Monte Casino aufhalten.“ Der Südlibanon „ist ein Land, das eine sehr besondere Infrastruktur und ein Terrain hat, das einer kleinen Armee alle Umstände liefert gegen eine gewaltige Armee standzuhalten“, sagte er.

Selbst wenn die Hisbollah hinter den Litani gejagt würde, denkt Hacohen, würde Frieden unwahrscheinlich sein, weil ein Großteil des jüdischen Staats immer noch innerhalb der Reichweite des überlebenden Hisbollah-Arsenals läge. „Sie haben sich gezielt so aufgestellt, dass sie sogar kämpfen können, wenn sie diesen südlichen Teil des Libanon verlieren. Sie haben Tiefe“, warnte Hacohen. Die Hisbollah wäre in der Lage das Zentrum Israels zu bombardieren, selbst wenn die IDF es bis nach Beirut schaffen würde. Die Vorstellung, dass die Hisbollah mit Krieg fortsetzen kann, obwohl sie auf dem Schlachtfeld besiegt worden ist, ist eines der Dinge, die den Unterschied zwischen dem Krieg 1967 und jetzt erklärt“, sagte er.

Es gab eine weitere komplizierende Schicht: Die libanesische Armee, wie die Sicherheitskräfte der palästinensischen Autonomiebehörde, ist ein Projekt der Vereinigten Staaten, was bedeutet, dass Israels engster Verbündeter jetzt zwei regionale Streitkräfte unterstützt, die in Israel ihren Hauptfeind sehen und denen sie praktische Unterstützung und politische Deckung für vom Iran unterstützte Terrormilizen bieten. „Wir müssen zugeben, dass es enorme strategische Peinlichkeit gibt“, sagte Hacohen.

„Die erste Lösung besteht darin sich des Dilemmas bewusst zu sein“, erklärte er. Der Weg aus dem Morast heraus könnte sorgfältige Diplomatie mit den USA, clevere Kriegsplanung und eine hohe nationale Schwelle für Chaos erfordern – vor allem bedeutet es die israelische Öffentlichkeit auf eine zweite beispiellose nationale Krise innerhalb von sechs Monaten vorzubereiten.

Wenn Hacohen zu irgendetwas optimistisch ist, dann sind es die Israelis selbst, die nach dem 7. Oktober „beschlossen für die Ehre des jüdischen Volks zu kämpfen“. Hacohen, der sagte, er hat 50 Familienmitglieder im aktiven IDF-Dienst, schreibt die Erfolge der Armee im Gazastreifen den gewöhnlichen Soldaten statt ihren Kommandeuren zu. Die IDF hat drei Jahrzehnte damit verbracht massive direkte Kämpfe zu vermeiden. Ihre Soldaten haben jetzt ohne jeden Verlust an Moral drei Viertel der Hamas-Brigaden zerlegt und ihre Terroristen durch hunderte Kilometer beengter und mit Sprengfallen versehener Tunnel gejagt.

Hacohen brachte ein merkwürdiges Beispiel um zu veranschaulichen, wie dieser Überlebenskampf Israel verändern könnte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Marlene Dietrichs „Lili Marleen“ zu einem Lieblingslied der Soldaten sowohl der Alliierten als auch der Achse. Dietrich, die, wie Hacohen festhielt, 1960 in Israel auftrat, wusste, dass sie die letzte weibliche Stimme war, die tausende junger Männer jemals hören würden. Angesichts ihrer Bedeutung für das tödlichste Ereignis der Menschheitsgeschichte erwies sich ihre Hollywood-Karriere für Dietrich als unbefriedigend; sie eröffnete einen Club, in den Veteranen aus ganz Amerika strömten. Die deutsche Schauspielerin erkannte, wie die Soldaten, die ihre Stimme im Radio gehört hatten und die jetzt kamen, um sie persönlich singen zu hören, dass der Krieg mehr gewesen war als nur eine Episode und dass er zu einem definierenden Aspekt für ihre eigene Identität geworden war.

Der Punkt in Dietrichs Geschichte ist: „Wenn du ein wahrer Krieger bist, ein echter General, der an einem Krieg teilnimmt, der fast wie ein Unabhängigkeitskrieg ist, dann ist das einfach der Höhepunkt deines Lebens“, sagte Hacohen fast wehmütig. „Danach geht es nicht wirklich darum zu respektiere, was in dieser gewaltigen Herausforderung passiert ist, die du bewältigt hast, nur um etwas anderes zu sein.“

Hunderttausende Israelis haben seit dem 7. Oktober in seinem solchen Krieg für ihre nationale Existenz gekämpft. Wie sie verstehen, wofür sie gekämpft haben und warum könnte die Zukunft des Landes genauso bestimmen wie irgendein geopolitisches Ereignis. Vor dem Hintergrund eines manchmal düsteren Horizontes aus offiziellem Scheitern und sich abzeichnendem Konflikt ist die Stärke des israelischen Volks vielleicht die wichtigste verbleibende Unbekannte.