Den dritten Terrorkrieg begreifen

Caroline Glick, Jerusalem Post, 25. März 2011

Was sollen wir mit der Tatsache anfangen, dass sich niemand den Verdienst für den Bombenanschlag Mittwoch in Jerusalem ans Revers geheftet hat?

Der Bombenanschlag von Mittwoch war keine allein stehende Tat. Sie war integraler Bestandteil des neuen palästinensischen Terrorkriegs, der gerade in unser Blickfeld gelangt. Während Israel überlegt, wie es mit dem aufkommenden Angriff umgehen soll, muss darauf hingewiesen werden, wie er sich von seinen Vorgängern unterscheidet.

Auf der militärischen Ebene haben die Taktiken der Palästinenser bisher eine interessante Melange an Angriffen mit modernen Raketen und altmodischen Messer- und Bomben-in-der-Tasche-Anschlägen angewandt. Die breit gestreuten Taktiken demonstrieren, dass dieser Krieg eine Kombination aus einem Krieg von Stellvertretern des Iran und lokalen Spontan-Terrorzellen ist. Die Anschläge sind auch wegen ihrer geografischen Verteilung bemerkenswert und ebenso, weil bisher keine Selbstmord-Bombenanschläge vorkamen.

Für die Öffentlichkeit sind die neuen Taktiken nicht interessant und die von ihnen ausgehende Botschaft nicht neu. Mit oder ohne Selbstmord-Bomber begreifen die Israelis, dass eine neue Periode unablässiger Angst beginnt; wir begreifen, dass wir in Gefahr sind, egal, wo wir uns befinden. Ob wir im Bett liegen und schlafen, uns auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule befinden oder uns auf eine Parkbank oder in ein Restaurant setzen; ob wir in Rishon LeZion, Sderot, Jerusalem, Itamar oder Beer Sheva sind, wir befinden uns im Fadenkreuz der Palästinenser. Wir sind alle „Siedler“. Wir sind alle in Gefahr.

Die militärischen Innovationen sind für die IDF-Kommandeure interessant, da sie herausfinden müssen, wie man auf die Forderung der Öffentlichkeit nach Sicherheit antwortet. Sie müssen operationelle Schlüsse zu den Herausforderungen ziehen, die dieser Mix an taktischer und strategischer Architektur stellt.

Während die militärischen Erkenntnisse zu den verschiedenen palästinensischen Terroristen wichtig sind, ist der neue palästinensische Terrorkrieg in erster Linie ein politischer Krieg. Wie seine beiden Vorgänger, die 1987 bzw. 2000 begannen, besteht der Hauptzweck des neuen Terrorkrieges nicht in der Ermordung von Juden. Das Töten ist nur ein zusätzlicher Anreiz. Der Hauptzweck des neuen Krieges besteht in der Schwächung der politischen Ordnung Israels, um dessen schließlichen Zusammenbruch herbeizuführen.

Und das ist der politische Zusammenhang, in dem die Weigerung der verschiedenen Terrorarmeen die Verantwortung für den Anschlag Mittwoch in Jerusalem zu übernehmen und ihre Schachzüge einen Großteil der Verantwortung für ihre jüngste Terroraktivitäten zu in Zweideutigkeiten zu verhüllen bemerkenswert wird. In der Vergangenheit waren die Fatah, die Hamas und der Palästinensische Islamische Jihad schnell dabei die Urheberschaft für Massaker zu beanspruchen.

Zuerst schien es allerdings so, als würde diese Standardpraxis in der neuesten Runde der Morde weiter gehen. Die Al-Aksa-Märtyrerbrigaden der Fatah z.B. beanspruchten schnell das Massaker an der Familie Fogel in Itamar am 12. März für sich. Die Hamas schien um die Urheberschaft konkurrieren zu wollen, als ihre Kräfte am 13. März in Gaza Stadt eine öffentliche Feier der Gräueltat abhielten. Doch dann zog die Fatah ihren Anspruch auf die Verantwortung zurück und die Hamas hat ihn nie übernommen.

Was das Raketen-Sperrfeuer aus dem Gazastreifen angeht, so beanspruchte die Hamas die 58 am letzten Samstag auf das südliche Israel abgefeuerten 58 Projektile. Doch dann ließ sie den Islamischen Jihad den Verdienst für die Katjuscha-Anschläge größerer Reichweite auf Rishon LeZion, Beer Sheva, Gedera und Aschod von dieser Woche beanspruchen. Und dann beanspruchte wieder niemand den Bombenanschlag in Jerusalem am Mittwoch

Was sagt uns dieser Anfall an Bescheidenheit darüber, wie die palästinensischen Terrorherren den aktuellen Ansturm gegen Israel sehen? Was lehrt sie uns zu ihrer Einschätzung ihrer politischen Herausforderungen und Ziele?

In den beiden früheren Terrorkriegen hatten die Terrorgruppen zwei Motivationen die Verantwortung für ihre Anschläge zu beanspruchen. Der erste Grund war, dass sie ihre Popularität stärken wollten. In der palästinensischen Gesellschaft bis du um so beliebter, je mehr Juden du tötest.

Der Hauptgrund dafür, dass die Hams 2006 die Palästinenserwahlen gewannen, war, dass die Palästinenser glaubten, der Hamas-Terror sei verantwortlich für Israels Rückzug aus dem Gazastreifen im August 2005. Obwohl die Fatah von 2000 bis 2005 in der Tat mehr Juden tötete als die Hamas, heimste die Hamas mehr „Belohnung“ für ihre Anschläge ein, weil ihre Bilanz nicht von politischem Engagement mit Israel befleckt war.

Der zweite Grund, dass verschiedene Gruppen sich immer schnell den Verdienst für Anschläge anrechneten, bestand darin, dass sie ihren staatlichen Sponsoren zeigen wollten, wie gut sie ihre Waffen, ihr Training und ihre finanzielle Unterstützung verwendeten. Saddam Hussein und die saudischen Royals zahlten ansehnliche Belohnungen an die Familien getöteter und verletzter Terroristen. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte haben Iran, Syrien und die Hisbollah Hunderte Millionen Dollar für die Bewaffnung, das Training und die Finanzierung palästinensischer Terrorzellen der Fatah, der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihad gleichermaßen ausgegeben.

Die Tatsache, dass heute weder die Hamas noch die Fatah daran interessiert sind sich den Verdienst für den Bombenanschlag vom Mittwoch oder für das Massaker an der Familie Fogel anzuschreiben, ist ein Signal, dass sich in der politischen Dynamik zwischen den beiden Parteien etwas fundamental verändert hat. Bevor wir darüber nachdenken, worin der Wechsel besteht, ist ein Wort der Erklärung über den Palästinensischen Islamischen Jihad angebracht.

Der Islamische Jihad wurde 1988 im Iran gegründet. Anders als die Hamas und die Fatah hat der Islamische Jihad keine politischen Ziele. Er hat keine politischen Funktionäre und er ist damit zufrieden seine Operationen auf den Terrorismus zu beschränken. Nachdem die viel größere und mächtigere Hamas 2005 sich mit ihrer Befehlsstruktur der Kontrolle des Iran unterwarf, ist der Islamische Jihad nicht mehr als ein Subunternehmer der Hamas gewesen. Er führt Anschläge aus und beansprucht sie für sich, wenn die Hamas das gerade nicht machen will.

Es gibt zwei plausible interne palästinensische Erklärungen für die von Fatah und Hamas neu gefundene Zurückhaltung und sie schließen sich gegenseitig aus. Die erste Erklärung ihres Schweigens ist, dass das jüngste Gerede darüber ernst ist, die Hamas und die Fatah würden eine Einheitsregierung bilden. Dass der Fatah am Donnerstag verkündete, sie habe im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag in Jerusalem zwei Terroristen des Islamischen Jihad verhaftet, ist dabei bemerkenswert. Es signalisiert, dass die Fatah sich nach vier Jahren Kampf gegen die Hamas in Judäa und Samaria nach einer politisch brauchbareren Gruppe der gewöhnlichen Verdächtigen umsieht.

Der zweite Grund, dass Hamas und Fatah über die Verantwortung Stillschweigen bewahren, ist, dass sie beide wissen, wer es war und den Terror benutzen, um jeder dem anderen gegenüber am Verhandlungstisch einen Vorteil zu erzielen. Wenn die Hamas die Anschläge durchführt, können ihre Führer sie einfach dazu nutzen, ihre Verhandlungsposition bei den Einheitsgesprächen zu stärken. Die Fatah weiß, dass die Beliebtheit der Hamas in Judäa und Samaria, wenn sie den Anschlag für sich beansprucht, steigen wird. Und wenn die Fatah sie ausführt, können ihre Führer sie benutzen der Hamas zu zeigen, dass es ihnen ernst damit ist das Kriegsbeil mit dem palästinensischen Zweig der Muslimbruderschaft zu begraben.

Die internen politischen Kräftespiele der verschiedenen palästinensischen Terrorgruppen sind interessant, aber sie nicht der wichtige Teil des Spiels. Sowohl für die Fatah als auch die Hamas ist die wichtigste Zielgruppe Europa. Doch bevor wir uns darüber unterhalten, wie die Bewertung Europas durch die Palästinenser mit ihrem Schachzug die organisatorische Verantwortung für den Terror zu verschleiern verbunden ist, muss über das konkrete politische Ziel ihres neuen Terrorkriegs nachgedacht werden.

Die Fatah befindet sich inmitten einer globalen Kampagne zum Aufbau internationaler Unterstützung für eine einseitige Ausrufung der Unabhängigkeit eines Palästinenserstaats im September. Aus der Sicht Israels ist diese Kampagne aus zwei Gründen gefährlich. Erstens wird ein einseitig ausgerufener Palästinenserstaat sich in einem de facto-Kriegszustand mit Israel befinden. Zweitens wird, wenn die Palästinenser internationale Anerkennung ihres „Staates“ in Jerusalem, Judäa, Samaria und dem Gazastreifen sicherstellen, dieser Zug 500.000 Juden, die in diesen Gebieten leben, ins internationale Fadenkreuz bringen.

Ein großer Teil der Diskussion um dieses Ziel hat sich darauf konzentriert, ob US-Präsident Barack Obama eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats, die eine solche Ausrufung begrüßt, mit einem Veto belegen wird oder nicht. Und aufgrund des bisher von Obama an den Tag gelegten Verhaltens haben die Palästinenser gute Gründe anzunehmen, dass er ihren Zug unterstützen wird. Doch in Wahrheit ist die Diskussion darüber, wie die USA auf die geplante palästinensische Erklärung antworten werden, ziemlich unerheblich. Der Punkt der angedrohten Erklärung ist nicht eine unterstützende Resolution des UNO-Sicherheitsrats zu bekommen. Der Punkt ist, die EU dazu zu bringen weitere Sanktionen gegen Israel zu erlassen.

Und das bringt uns zurück zur neuen Politik die Verantwortung für Anschläge gegen Israel nicht zu reklamieren sowie zu der Entscheidung einen neuen, allgemeinen Terrorkrieg zu beginnen. Oberflächlich betrachtet sollte es so scheinen, dass die Palästinenser in einer für sie diplomatisch derart sensiblen Zeit ihre traditionelle „guter Cop Fatah/böser Cop Hamas“-Routine aufrecht erhalten und die Hamas die den Verdienst für die jüngsten Anschläge einheimsen lassen. In der Tat sollte es so scheinen, dass die Palästinenser sich mit Anschlägen überhaupt zurückhalten wollen sollten, bis sie ihre Unabhängigkeit erklärt haben.

Die Tatsache, dass weder Fatah noch Hamas mit dem Angriff bis nach September gewartet haben, noch dass sie sich von einander distanziert haben, während die Anschläge sich in einen neuen Terrorfeldzug zusammenfügen, deutet stark darauf hin, dass die Palästinenser nicht länger die Notwendigkeit verspüren vorzugeben, sie seien gegen Terror, um europäische Unterstützung für ihren Krieg gegen Israel aufrecht zu erhalten.

Die Palästinenser bewerten es so, dass Europa sich eilig auf den Punkt zubewegt, an dem es nicht länger vorgeben muss Israel gegenüber fair zu sein. Die Stimme der Briten, Franzosen und Deutschen zugunsten der Antiisrael-Resolution der Palästinenser im UNO-Sicherheitsrat im letzten Monat waren das letzte Zeichen, dass die europäischen Schlüsselregierungen eine offen feindselige Politik gegenüber Israel übernommen haben.

Noch wichtiger ist: Diese Politik ist nicht die Folge palästinensischer Lobby-Anstrengungen; daher kann Israel nicht darauf hoffen sie durch Gegenlobby-Anstrengungen zu verändern. Dass Europa selbst den Anschein der Fairness gegenüber Israel aufgibt, ist das Ergebnis innenpolitischer Realitäten in Europa selbst. Zwischen der sich rapide ausbreitenden Macht der muslimischen Gemeinschaften Europas und den virulent antiisraelischen Haltungen, die praktisch von den gesamten europäischen Medien eingenommen werden, werden die europäischen Regierungen dazu genötigt immer feindseligere Positionen Israel gegenüber zu beziehen, um ihre Israel hassende Öffentlichkeit und muslimische Gemeinschaften zu beschwichtigen.

Nehmen wir das Beispiel des britischen Premierministers David Cameron. Als Cameron den Gazastreifen letztes Jahr „ein Freiluftgefängnis“ nannte, machte er das nicht, weil er gerade mit Fatah-Führer Mahmud Abbas gesprochen hatte. Und er handelte gewiss nicht aus Überzeugung. Cameron wusste sicher, dass seine Äußerung eine blanke Lüge war. Und er wusste ebenso sicher, dass die Hamas eine jihadistische Terrorgruppe ist, die die Ideologie ihrer der Muslimbruderschaft-Schwester-Ausgliederung Al-Qaida teilt. Doch für Cameron war eine Tatsache weit wichtiger als der relative Wohlstand im Gazastreifen und den völkermörderischen Zielen der Hamas: dass bei den letzten britischen Wahlen das Muslim Public Affairs Committee des Königreichs (MPAC-UK) erfolgreich sechs Parlamentsmitglieder aus dem Amt gebracht hatte, die Unterstützung für Israel zum Ausdruck gebracht hatten.

Die Palästinenser erkennen, dass sie nicht vorgeben müssen gut zu sein, um Europa dazu zu bringen sie zu unterstützen. Nachdem die Völker Europas von ihren Medien eine Gehirnwäsche bekommen hatten und von den muslimischen Gemeinschaften eingeschüchtert wurden, haben sie eine pawlowsche Antwort bezüglich Israel entwickelt, über die jede Erwähnung Israels sie das Land mehr hassen lässt. Es spielt keine Rolle, ob es in der Geschichte um das Massaker an israelischen Kindern geht oder Bombenanschläge auf Synagogen oder Kindergärten. Sie wissen, dass Israel der Schuldige ist und erwarten von ihren Regierungen es zu bestrafen.

Das palästinensische Schweigen dazu, wer welche Gräueltat beging, sagt uns, dass in diesem neuen Terrorkrieg die Palästinenser glauben  nicht verlieren zu können. Mit Europa im Schlepptau fühlen sich Fatah und Hamas frei ihre Kräfte zu vereinen und sowohl militärisch als auch politisch voran zu kommen.

3 Gedanken zu “Den dritten Terrorkrieg begreifen

  1. @“wir befinden uns im Fadenkreuz der Palästinenser. Wir sind alle „Siedler“. Wir sind alle in Gefahr.“

    Genauer kann man die palästinensisch-arabische Position in Bezug auf ganz Israel nicht ausdrücken.
    Alle Israelis sind in den Augen der Araber illegale „Siedler“ und müssen weg. Erst dann wird es Frieden geben.

    Warum das hier bei uns kaum jemand begreifen möchte und immer noch bei „besetzte Gebiete“ NUR an das Westjordanland denkt und darum das „Ende der Besatzung“ als Voraussetzung für den Frieden zwischen Israelis und Arabern verlangt, wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben!

  2. Caroline Glick ist eigentlich immer lesen- und sehenswert. Gute Analyse m.E., danke fürs Übersetzen, auf Deutsch ist auch mal nett. „[…]werden die europäischen Regierungen dazu genötigt immer feindseligere Positionen Israel gegenüber zu beziehen, um ihre Israel hassende Öffentlichkeit und muslimische Gemeinschaften zu beschwichtigen.“ Trefflich festgestellt und es sieht aus, als ob dies leider immer mehr trendy würde… war wohl schon unter Gerhard Schröder der Fall, wo stehen wir jetzt erst :-/ Ah, das Wetter ist viel zu schön für diese Sch***e.

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