„Sie luden Leichen aus dem Auto – wie im Holocaust“: Arzt, der eine Krankenstation einrichtete, erinnert sich an dramatische Moment des 7. Oktobers

Am 7. Oktober richtete der Arzt Gedalya Fandel schnell ein Ad hoc-Triage-Zentrum an seinem Haus in Schuva ein, um Opfer zu behandeln, während seine Frau provisorische Unterkunft für obdachlose Einwohner koordinierte, darunter verwaiste Kinder, die hungrig vor ihrer Tür standen, nachdem sie auf tragische Weise bei dem Hamas-Angriff ihre Eltern verloren hatten.

Shirit Avitan Cohen, Israel HaYom, 6. Mai 2024

Gedalya Fandel (Foto: Eric Sultan)

Die Hintergrundgeräusche des Interviews sind unglaublich. Das ständige Zwitschern von Vögeln in der Luft, die Papageien in dem großen Käfig an der Eingangstür singen und eine Art von Ruhe, die man richtig hören kann, nur gelegentlich unterbrochen von einer entfernten Explosion. Es ist schwer vorstellbar, dass die Familie Fandel im Hof des stillen Hauses im Moschaw Schuwa eine private Rettungsstation betrieb, die zum ersten H alt wurden, an dem Überlebende des Massakers vom 7. Oktober auf freundliche Augen, ein Spiel Rummycup, Toast und Flipflops trafen.

Während Merav, die Mutter der Familie, das Kommando im Haus übernahm – vor dem Haus, an der zum Moschaw führenden Straße, richtete Gedalya Fandel eine improvisierte Notfallambulanz ein und leitete sie. Er rief mich, einen Kindheitsfreund aus Sderot, sechs Monate nach den Ereignissen um die die nicht erzählte Geschichte zu berichten und beschrieb sehr ausführlich die Leichen, die Verletzten, die psychisch vom Krieg gezeichneten Soldaten und die Kinder der Familie Idan, die er nur Augenblick, nach ihrer Rettung aus Kfar Aza traf.

„Um 6:30 Uhr wachte sich durch Tzeva Adom (das Sirenensystem) und eine irrsinnige Zahl dumpfen Knallen auf. Zufällig hatte die ganze Familie in dieser Nacht in unserem Zimmer geschlafen. Ich zog meine guten Sachen an, wie ich sicher war, dass sie in den Schutzraum gehen würden und von dort in die Synagoge. Wir rannten hinunter und Sushi (unser deutscher Schäferhund) befand sich schon darin. Wir waren nach a 18 Monaten in Eilat gerade wieder nach Schuva gezogen. Unsere jüngeren Kinder erinnerten sich nicht an die Sirenen und die älteren waren immer noch von den früheren Angriffen traumatisiert. Nach zehn Minuten im Schutzraum ging ich auf die Terrasse und sah das gesamte Schauspiel direkt vor mir, in einer direkten Sichtlinie zum Gazastreifen. Ich sah die Raketen, die auf das Zentrum des Landes und auf Sderot geschossen wurden und die Eiserne Kuppel. Ich erkannte, dass die Situation diesmal ernst war. Dann begann ich ununterbrochen Gewehrfeuer zu hören, als käme es aus unserem Garten und Raketen pfiffen über das Haus. Ich holte unsere Kinder nach draußen und sagte ihnen: ‚Schaut, das sind unsere Flugzeuge. Habt keine Angst.‘“

Fandel (zur Verfügung gestellt)

An diesem Punkt begannen WhatsApp-Nachrichten bruchstückhaft Informationen über den Angriff zu geben. Die Bilder aus Sderot sah für ihn aus wie Science-Fiction. Sein Schwager rief an und bot ihm an nach Samaria zu kommen. Im Nachhinein wurden sie dadurch gerettet, dass ihnen die Fahrt auf der blutigen Straße zwischen Sderot und Otef [Gemeinden im Umfeld des Gazastreifens] erspart blieb, wo Hamas-Terroristen zu dieser Zeit ungezügelt agierten. Später am Morgen, als das Tempo der Alarme es zuließ, ging Fandel nach draußen. „Ich bin Mitglied des Reaktionsteams des Moschaws, hatte aber keine Waffe, weil sie mehr Angst vor Einbrüchen hatten als vor dem Sicherheitsrisiko. Ich ging auf die Hauptstraße und traf zwei weitere Freunde, die Waffen hatten. Sie lehnten am Tesla, ich bot ihnen Kuchen und etwas zu trinken an [das war am Morgen von Simchat Thora] und dann erkannte ich, dass sie noch nicht auf den neuesten Stand gebracht worden waren und nicht wussten, was ablief. Sie bewachten einfach aus der Ferne das Tor des Moschaw.

Ich sagte ihnen, dass Dörfer eingedrungen worden war. Sie sahen mich schockiert an und glaubten mir nicht. Ich sagte ihnen, dass sie keinen Grund hatten auf der Straße zu sein. ‚Ihr werdet als erste sterben‘, sagte ich. ‚Ihr müsst auf die Dächer gehen.‘ Dann schloss ich mich dem Team an, das sich in den Obstgärten am Ende des Moschaws versteckten, Richtung Alumim, um zu entdecken, ob jemand kam. Ich sagte Merav: ‚Du schließt dich im Schutzraum ein. Niemand geht rein oder raus und du hältst den Türgriff fest.‘“

Gerüchte über die Kämpfe und das Massaker, das in nur wenigen Minuten Entfernung von unserem Moschaw in Re’im, Be’eri, Kfar Aza und Sderot abspielten, kamen herein und Mitglieder unseres Reaktionsteams verschärften die Wachsamkeit. „Es gab Gerüchte, dass sie nach Zimrat (dem nächsten Moschaw) kamen und dass es ein Konflikt bei Tekuma gab. Sie waren auch auf der Straße zu uns, schafften es aber nicht so weit. Während wir uns zwischen den Bäumen in den Obstgärten versteckten, sagte mir einer der Jungs, dass er zum Feiertagsessen mit seiner Familie gehen würde und gab mir seine Schusswaffe. Er verstand nicht, was vor sich ging“, wiederholt Gedalya sein damaliges Gefühl der Notlage, anders als die anderen, die bei ihm waren. „Wir beobachteten tatsächlich die Straße außerhalb des Moschaws, gegenüber eines runden Spiegels. Als wir ein Fahrzeug kommen sahen, schauten wir, wer es zuerst sehen konnte und man muss begreifen, dass jedes Fahrzeug mit Waffen versehen war. Soldaten in Privatautos. Wir trugen alle Sabbat-Kleidung, also war es leicht die Leute zu identifizieren.“

Treffpunkt

Angesichts einer möglichen Infiltration erhielten die Mitglieder des Reaktionsteams die Meldung, dass zwei Terroristen sich dem Moschaw näherten und sie waren bereit. „Ich schickte einem Freund im Moschaw Schokeda eine Nachricht und bat um Waffen. Er antwortete: ‚Bro, wir haben nichts.‘ Dasselbe passierte mit einem Freund aus Kfar Maimon. Es war ein irrsinniges Gefühl der Hilflosigkeit. Einen Augenblick später fuhr ein Auto mit Soldaten vorbei, wir hörten Schüsse und erkannten, dass das ein Schusswechsel war und dass die Bedrohung beseitigt worden war. Dann wurde ich angerufen: ‚Gedalya, wir holen euch raus. Die Verletzten und Toten haben angefangen an der Kreuzung anzukommen.‘“

Frage: Wer hatte angerufen?

„Ein Mitglied des Reaktionsteams. Zusammenmit einem weiteren Arzt verließen wir den Moschaw und fuhren zu der Kreuzung. Es war unheimlich, aber wir begriffen das Ausmaß des Geschehens immer noch nicht.“

Frage: Warum wurden die Verletzten ausgerechnet zu dir geschickt?

„Wir waren die erste Kreuzung ohne Terroristen. Es gab Schlagabtäusche in Sa’ad, es gab Gefechte in Re’im, Be’eri und Alumim zwar dazwischen. Sie begannen in Krankenwagen und Privatautos anzukommen und das hörte nicht auf. Die Toten, Verletzten, psychisch Angegriffenen. Wir begannen sie zu behandeln, obwohl wir nicht genug  Ausrüstung hatten, eine nicht organisierte Miltärtruppe auf der Straße vor dem Moschaw. Irgendwann brachte meine Frau meine gesamte medizinische Ausrüstung hinaus und ich bat einen der Nachbarn mir mein Stethoskop zu bringen. Später kam das Team von Ihud Hatzala [United Hatzala] an und brachte weitere Ausrüstung und eine Militäreinheit schloss sich unserem Standort an.“

Frage: Ihr wurdet also die Ersthelfer-Notaufnahme für die Kibbuzim und Moschawim?

„Ich weiß nicht, wie man das nennen soll. Ein Feldlazarett. Es gibt einfach keine Definition. Wir sind Ärzte und eine Krankenschwester kam aus dem Moschaw und wir begannen jeden zu behandeln, der zu uns kam. Zuerst waren es meist Soldaten mit allen möglichen Verletzungen. Es gab einen jungen Soldaten, der einen Schuss in die Hoden bekommen hatte und als leicht verletzt eingestuft wurde; und Thais mit Verletzungen und Schrammen. Sie waren wahnsinnig dünn und man konnte eine gebrochene Rippe von außen erkennen. Es war irre. Es gab eine riesige Zahl an Schussverletzungen, Bauchverletzungen und die Toten. Aus Alumim wurde eine schlimm verbrannte Leiche gebracht. Ein Fahrzeug kam mit einem Anhänger mit Leichen darauf. Direkt neben uns luden sie die Leichen in Haufen ab, genauso wie im Holocaust.“

Frage: Was meinst du? Sie luden die Leichen einfach neben dir ab?

„Dutzende Leichen. Ich konnte sie nicht zähen, aber wir brachten sie alle in den Graben neben der Straße und hatten zwei Möglichkeiten zu bedenken: dass wir den Platz auf der Straße brauchten, um die Opfer zu behandeln und auch, dass es viele Soldaten mit Kampfschock ab und wir nicht wollten, dass sie die Leichen sahen. Irgendwann begriffen die Leute, dass sich an der Kreuzung die Leitung hatte und man wandte sich an mich. Da war jemand aus der Armee, der die Soldaten managte und sie registrierte; festhielt, wer kam und mit welchen Verletzungen. Am frühen Abend kam ein Bus voller Soldaten an der Kreuzung an und als sie den Kofferraum öffneten, begannen wird die Leichen herauszuziehen. Es war unfassbar!“

Schilder für die Kommunalwahlen hingen an den Seiten der Kreuzung, an den Zäunen. Fandel sammelte sie ein und bedeckte damit die aufgestapelten Leichen am Rand der Straße.

Frage: waren alle Verletzten und Toten jung?

„Ja. Junge Soldaten. Willst du, dass ich dir sage, wie weit wir das Ausmaß des Geschehens begriffen? Anfangs kamen die die verletzten Soldaten und ich versuchte immer noch mit ihnen zu scherzen – ‚Oh, ihr 800-er Narren [der Spitzname des 890. Fallschirmjäger-Bataillons – Anmerkung des Autors], wenn ihr im 101. wärt, dann hättet ihr es bis zum Ende geschafft.‘ Aber ich konnte sie nicht zum Lächeln bringen. Ich konnte mit meinem Sinn für Humor normalerweise das Eis brechen, aber ich sah nur starre Gesichter und verstand nicht, was vor sich ging. Ein schwer verletzter Mann kam an, der mit einem Arzt evakuiert werden musste und ich begleitete ihn. Wir stiegen mit drei weiteren Schwerverletzten in den Krankenwagen, einer von ihnen wurde beatmet und sie sagten mir: Behandle nicht uns, kümmere dich um ihn. Wir kamen zur Heletz-Kreuzug in Richtung Sderot wo ich weitere Krankenwagen und einen Arzt traf, der sie in Krankenhäuser brachte. Dann kehrte ich nach Schuva zurück.“

Frage: Wusstest du nicht, dass die Straßen voller Terroristen waren?

„Die Straßen waren frei und die Szenen waren furchtbar. Leichen auf der Straße, verbrannte Fahrzeuge, ein umgekippter Kinderwagen, Kindersitze, die aus den Autos geworfen wurden. Das war sehr schwierige anzusehen da an der Kreuzung Scha’ar Negev. Weiter runter gab es Verletzte, die auf der Straße lagen. Ich versuchte herauszufinden, ob es unsere waren oder von der Hamas, aber ich sagte dem Krankenwagenfahrer einfach: ‚Fahr, fahr.‘ Ich erhielt Berichte über einen Streifenwagen, der gekapert worden war und die Straße entlang fuhr und begann das Szenario etwas besser zu begreifen. Ich kam mit einem Anästhesisten an der Kreuzung an. Ich sagte ihnen, dass wir in Schuva einen größeren Platz hatten und dass sie dorthin verlegen sollten. Da war es schon 16 Uhr.“

„Die ersten Augen, die ich sah“

Gedalya ist der Sohn von Rabbi David Fandel, dem Leiter der Hesder Jeschiwa in Sderot; aber er sprach den ganzen Tag nicht mit seiner Familie. „Ich wollte sie nicht anrufen, aber ich war sehr in Sorge. Meine Schwägerin war eine Woche nach der Entbindung mit einem Baby dort, das ich persönlich beschnitten hatte. Sie waren alle in der Jeschiwa. Wären die Terroristen eine Stunde später angekommen, wäre das eine Katastrophe gewesen. Da wären Umzüge mit Familien und Kinderwagen und umherlaufenden Kindern gegeben. Erinnerst du dich, wie das ist? Es hätte ein extremes Massaker gegeben. Sie kamen nicht bis zur Jeschiwa. Vielleicht dachten sie, sie wären in Urlaub. Die IDF rief mich irgendwann den Tag an und ich sagte ihnen: ‚Hört zu, wir haben hier zu tun. Es gibt für mich keinen Grund zu euch zu kommen.“

Fandel und seine Familie (Foto: Eric Sultan)

Fandel beschreibt die Ereignisse dieses blutigen Tages natürlich in Ich-Form, aber er hatte viel Partner bei der Hilfe, die er bot. „Ich erinnere mich, dass da ein Mann in Schockzustand war, der war komplett erstarrt. Er sah mich an und konnte nicht reden. Ich wusste nicht, was ich mit ihm anfangen sollte. Ich nahm das Telefon und rief meinen Schwager an, der auf der IDF-Basis Ir Habahadim im Negev der Psychologie-Offizier ist. Ich gab dem Soldaten mein Telefon. Ich stellte es laut und von seinem Haus aus begann er Soldaten in Schockstarre zu behandeln. Im Nachhinein fand ich heraus, dass es sehr wichtig war sie so schnell wie möglich in Behandlung zu bringen. Er gab ihnen Anweisung – setz die auf die Straße, überprüfe, dass keine Terroristen da sind, alle möglichen irrelevanten Aufgaben. Ich erinnere mich deutlich an das Gefühl der Hilflosigkeit im Umgang mit ihnen. Und niemand konnte ihnen Aufmerksamkeit schenken, weil es andere verletzte Soldaten mit blutenden Wunden gab.“

Den ganzen Tag lang gab es an der Kreuzung drei bis vier Ärzte, darunter Gedalya., die Schwester Schira aus dem Moschaw, eine Militäreinheit, Ihud Hatzala und Sanitäter, die in Krankenhäusern kamen und gingen. Die gesamte Gegend war eine bewegliche Bühne aus Verletzten und Leichen: Ein Krankenwagen kam, hielt an der Einfahrt zum Moschaw an, kehrte in Schuva um du kehrte zurück, um weitere Verletzte zu finden.

Frage: Woher kamen die Verletzten?

„Aus Kfar Aza, aus Alumim, von den Straßen. Während des Abends kamen bei uns verschiedene Arten von Verletzten bei uns an. Jetzt waren es Zivilisten, Verletzte und Unverletzte. Ich erinnerte mich an sechs Undercover-Polizisten, die zur Kreuzung kamen; sie hatten Angst. Sie waren vom Verteidigungsministerium und arbeiteten in Kfar Aza. Sie waren den gesamten Abend im Schutzraum eingeschlossen und sehr frustriert. Sie waren Spitzenkämpfer und waren eingeschlossen und kamen nicht raus. Einer von ihnen sagte mir: ‚Gedalya, du verstehst nicht, was hier abgeht. Du hast hier nichts. Ihr kommt nicht hinterher. Holt mehr Ausrüstung. Ihr habe keine Vorstellung davon, was dort los ist. Ihr habt keine Vorstellung davon, was dort los ist…‘, wiederholte er.“ Den ganzen Tag über wurden die Verletzten von der Kreuzung per Krankenwagen evakuiert oder in dringenden Fällen mit Hubschraubern, die ständig auf dem Feld nebenan landeten.

„Es kamen verletzte Soldaten und ich versuchte immer noch mit ihnen zu scherzen – ‚oh, ihr 800-er-Narren [ein Spitzname des 890. Fallschirmjäger-Bataillons], wenn ihr vom 101. Bataillon wärt, hätte ihr es bis zum Ende geschafft.‘ Aber ich konnte sie nicht zum Lächeln bringen. Gewöhnlich breche mit meinem Sinn für Humor das Eis, aber ich sah nur erstarrte Gesichter.“

Am Abend begannen Einwohner von Be’eri zu kommen. „Ich erinnere mich an den ersten Mann, der kam, Yitzhak. Im Nachhinein war das das aufregendste Ereignis, das ich an diesem Tag hatte. Er sagte mir, er sei aus Be’eri und ich antwortete: ‚Ich bin so glücklich euch zu sehen, ich war sicher, dass ihr alle ermordet worden wärt. Jemanden aus Be’eri gesund zu sehen, am Stück und unverletzt, war irre. Ich umarmte ihn und gab ihm Wasser. Er war 72 Jahre alt. Er kam mit seiner Frau, Aliza. Sie waren beide barfuß. Sie hatten nichts dabei. Ich nahm einen der Leute zur Seite und sagte ihm, er solle sie zu meinem Haus bringen.“

Ich nahem eine Waffe von einem der Toten

Das war eine Phase, in der das Haus der Familie Fandel zu einer Nachhutstation unter Meravs Kommando wurde. Immer mehr Überlebende aus Be’eri strömten ins Haus; Soldaten, die ausruhen mussten und zwei Kinder kurz nachdem ihre Eltern ermordet und ihre Schwester als Geisel in den Gazastreifen verschleppt wurden. Gedalya, der immer noch am Eingang zum Moschaw war, überprüfte, wer ins Krankenhaus gehen konnte und wer in seinem Haus ausruhen und sich erholen sollte. „Eine Frau, die einen Schuss in den Oberkörper erhalten hatte, kam in einem Krankenwagen an. Zwei Monate später traf ich sie in einem Hotel und sie sagte mir: ‚Du warst die ersten Augen, die mich bemerkten, die mir in die Augen sahen.‘ Sie wollte mit ihrer Freundin in einem Krankenwagen fahren, aber der Fahrer lehnte das ab. Schließlich konnten wir ihn überzeugen.

Sie sagte mir: ‚Mein Mann wurde direkt vor mir getötet und meine Freundin ist der einzige Mensch, den ich noch habe. Ich lasse sie nicht allein.‘“ Etwas später kamen Sapir, in der 40. Woche schwanger, und Ofir, ihr besorgter Partner, zu ihm, beide nach Stunden im Schutzraum in Be’eri, ohne Essen oder Wasser. „Sie sagte: ‚Ich habe seit heute Morgen Bewegungen gespürt, fast 12 Stunden lang. Wir hatten eine halbe Flasche Sprite für sechs Leute. Ich muss ins Krankenhaus.‘ Es war ihr erstes Kind und sie litt unter Beklemmungen. Es gab einen großen Streit zwischen mir und der Besatzung des Krankenwagens. Ich sagte ihnen, sie würde nicht weggehen würde und dass sie Schokolade und ein warmes Bett braucht.“

Frage: Warum sie denn nicht evakuieren?

„Sie war gesund und ich wusste, was damals in den Krankenhäusern los war. Es gab Überlastung und schwierige Szenen. Sie war bereits im Krankenwagen, als ich ihr sagte, wenn sie meine Frau wäre, würde ich ihr das anbieten. Sie stieg sofort aus dem Krankenwagen und ich schickte sie zu meinem Haus. Meine vier Kinder waren unglaublich und halfen Merav jeden zu behandeln, der dorthin kam. Sie servierten Wasser und Essen, das wir für Simchat Thora vorbereitet hatten. Zwei Soldaten, deren Fahrzeug beschossen wurde, kamen ebenfalls an. Sie waren praktisch außer Funktion gesetzt und sie schliefen drei oder vier Nächte bei uns, bis sie ihre Kraft wiedergewonnen hatten.“ Sapir und Ofir bekamen später eine Tochter und sie gaben ihr den Namen Arbel. Unsere zwei Familien, deren Schicksale miteinander verbunden wurden, wurden zu Freunden, genauso wie mit Yitzhak und Aliza.

Später am Abend kam die Journalistin Ilana Curiel mit zwei Kindern der Familie Idan zur Schuva-Kreuzung, die Zeugen der Ermordung ihrer Eltern geworden waren. Eine Folge der Fernseh-Dokumentation Uvda erzählte von ihren Erlebnissen an diesem Tag, aber hier beschreibt Gedalya zum ersten Mal, was in den ersten Stunden im Haus seiner Familie geschah. „Etwas später kamen zwei süße Kinder, der 9-jährige Michael und die 6-jährige Amalia, zu mir an die Kreuzung, zusammen mit Ilana Curiel. Ich stieg in das Auto und fragte sie: ‚Wie geht es euch?‘ Sie sagten: ‚Wir sind hungrig.‘ Ich rief sofort nach draußen: ‚Bringt Süßigkeiten!‘ Ich fragte Ilana auch, ob sie wusste, ob sie abends Süßes essen dürften.

„Aber dann sagten sie: ‚Wir sind hungrig. Wir haben kein Abendessen gegessen, weil unsere Mama und unser Papa gestorben sind und wir nicht wissen, wie wir uns selbst Abendessen machen können. Wir sollten zu Oma und Opa gehen, aber unsere Mama und Papa sind gestorben und wir wissen nicht wie man Auto fährt“, erinnert er sich und unterdrückte Tränen. „Das war das erste Mal an diesem Tag, dass ich weinte. Ich schickte auch sie zu Merav und den Kindern. Ich dachte, es war eine richtige Entscheidung, dass sie nicht über die Straßen fahren sollten und dass es für sie gut wäre andere Kinder zu treffen. Amalias Kleid war komplett mit Blut befleckt.

Als sie zu uns kamen, waren die Kinder sicher, dass ihre Schwester Avigail getötet worden war. Sie gingen dort in den Schutzraum. Zusammen mit einem weiteren Nachbarn, der zu Hilfe kam, brachten unsere Kinder sie dazu die Geschichte wieder und wieder zu erzählen, weil das gemacht werden sollte. Bis heute könne sie sie nicht wieder hören. Aber in Echtzeit spielten die Erwachsenen mit ihnen Rummycub und Karten und meine Tochter Ahava lackierte Amalia die Nägel. Meine Kinder erinnern sich, dass sie nicht wissen, was sie tun sollten, fragen, ob sie Toast oder Fleischbällchen essen wollten und Amalia sagte, sie wollte Toast mit Fleischbällchen.“

Gedalya erinnert sich und ich werde in die Geschichte einer Familie hineingezogen, die in dem Massaker an diesem schwarzen Tag zu israelischen Helden wurde. Er füllt die fehlenden Details aus den stunden ein, die vergingen, bis der Onkel der Kinder kam um sie abzuholen. „Wir schickten schnell Nachrichten an die Moschaw-Gruppen, dass wir nach dem schönsten Kleid suchen, weil Ilana sagte, Amalia würde nur etwas Perfektes tragen. Wir brachten ein Kleid von den Nachbarn, das sie mochte, Kleidung für Michael und Schuhe in Größe 46 für den 72-jährigen Yitzhak und seine Frau. Wir holten jemanden, um mit Sapir zureden, die schwanger war. Michael und Amalia fuhren während der Nacht weg und die beiden Paare bleiben bis zum nächsten Morgen bei uns.“

Erst gegen 1 Uhr bekam das medizinische Personal an der Kreuzung das Gefühl, dass der Druck nachließ und Gedalya und ein anderer Arzt namens Schlomo gingen nach Be’eri, um dort zu helfen. Dieser Arzt hatte die geborgte Waffe schon nicht mehr. „Wir kamen in Be’eri an und dort setzte sich die Katastrophe fort – Verletzte, die aus Häusern kamen und ständig Schüsse. Wir evakuierten die Verletzten und brachen zwei Leichen von Soldaten nach draußen. Direkt zuvor kritisierte mich die Armee, wie ich ohne Schutzweste und Waffe umherging. Ich nahm von einem der Toten eine Waffe. Bei meinem Reservedienst im Gazastreifen benutzte ich fast 150 Tage lang dieselbe Waffe.

Von dort kehrten wir nach Schuva zurück und es kamen weiter Leichen und Verletzte an, genauso Hubschrauber, um sie zu evakuieren. Ich sah, das Ihud Hatzala begonnen hatte die Dinge abzuschließen und fragte Schlomo, was er machen würde. Ich fühlte mich dort alleine nicht sicher. Ich wusste nicht, was kommen würde. Er sagte mir, dass die Armee weggegangen sei und dass sie nicht ohne die Armee bleiben konnten. Es war 2:30 Uhr morgens und ich beschloss nach der Armee zu sehen. Jemand sagte, es seien viele Soldaten an der Sa’ad-Kreuzung. Ich suchte nach dem stellvertretenden Brigade-Kommandeur. Ich war sehr wütend und schrie ihn an: ‚Ihr habe mir die Verletzten gebracht und seid wieder verschwunden, so kann ich nicht arbeiten. Er sagte mir, dass ich einen Ort finden sollte, wo das Risiko überfahren zu werden weniger hoch ist, und wo man sich den Qassams entziehen kann, ohne der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, er würde eine Einheit schicken.“

Gedalya war Stunden lang auf den Beinen, funktionierte, bis Sonntagmorgen, dank dem, was er als „Hyperaktivität“ bezeichnet, was ihm auch tief im Gazastreifen in den ersten Wochen des Krieges gute Dienste leistete. Er nutzte diese angeborene Energie während des Transfers von Bahren und medizinischer Ausrüstung mitten in der Nacht und auch, um Kaffee und Kuchen an die innere Straße in den Moschaw zu bringen, ein Beitrag lokaler Einwohner; dort steht heute ein Stand, der Essen und Getränke für die Soldaten bereitstellt, die in den Gazastreifen gehen oder von dort zurückkommen. Es dauerte nicht lange, bis die Militäreinheit ankam und mit ihr auch Ehrenamtler der Ihud Hatzala.

Während wir die Kreuzung passieren, nachdem Gedalya mir den Graben zeigte, wo sie die Ermordeten ablegten und die Stelle, wo die Bahren für die Dutzenden Verletzten am 7. Oktober stundenlang standen, passieren wir auch den Stand mit Essen und Getränken für die Soldaten. Dort ist nichts von der Notaufnahme, die Bahren und den Leichen übrig, aber er verspricht eine Gedenkstätte für die zu erreichten, die ermordet wurden und in Erinnerung an die Rettungsoperationen, die dort für die vielen ausgeführt wurden, deren Leben gerettet wurde.

Frage: Stört die Lage von draußen deinen Arbeitstag?

„Nein. Jeder sagt, ich brauche eine Therapie und bis heute habe ich nicht die Zeit gehabt zu verarbeiten, was ich erlebt habe. Ich sage, ich habe es nicht erlebt und es ärgerlich das zu sagen. Vielleicht stimmt es auch nicht. Gegen Morgen kamen bald keine Verletzten mehr und auf den Straßen wurde es sicherer. Ich kam nach Hause und alle waren im Wohnzimmer. Merav packte ein paar Sachen den wir fuhren weg. Jeder stieg in sein Auto – Sapir und Ofir, Yitzhak und Aliza, vier Kinder, Merav und der Hund Sushi. Yahel, der 11-jährige, packte von sich aus eine Krankenhaustasche für Sapir.“

Und jetzt, auf in den Gazastreifen

Sonntag, 8. Oktober, 9 Uhr. Die Familie Fandel und Überlebende aus Be’eri fuhren ab nach Timna. Auf dem Weg klingelte Gedalyas Telefon: „Sie sagten mir: ‚Gedalya, ich habe erfahren, dass du die Kreuzung geleitet hat. Ihr habt da Leichen zurückgelassen. Was machen wir mit denen?‘ Es war surreal. Ich sagte: ‚Zaka anrufen? Wie sollte ich das wissen?‘ Ich rief danach sogar das Militär-Rabbinat an, um das herauszufinden.“ Sie setzen ihre Reisegefährten am Bahnhof in Beer Sheva ab und fuhren zu einem besonders warmen Willkommen weiter, das sie in Timna erwartete. Gedalya als Mitglied des Reaktionsteams hatte Pläne nach Schuva zurückzukehren, aber nicht bevor er sein Auto mit Lebensmitteln vollgeladen hatte, dank des Kibbuz, der Essen für die Soldaten schickte, die er unterwegs treffen würde.

„Ich blieb dort, bis ich einzogen wurde und ich hielt Wache auf dem Dach, mit Nachtsicht-Ausrüstung, die ich von der Armee bekam. Nachts schlief ich auf dem Dach. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht die Möglichkeit mich hinzusetzen und alles zu verarbeiten. Bis heute weiß nicht einmal Merav, was geschah. Danach, wenn ich gelegentlich aus dem Gazastreifen zurückkehrte und im Fernsehen die Geschichte sah, sagte ich: ‚Was ist meine Geschichte im Vergleich zu deren?‘ Während der ersten Wochen waren wir wirklich nur im ‚Überlebensmodus‘ und es gab keine Zeit zum Reden. Dann nahm ich an einem zweitägigen Kurs für Militärärzte teil und ging in den Gazastreifen.“

„Da war eine alte Frau und wir erkennten den Eingang zu einer UNRWA-Schule – was für eine Schule! –uns gegenüber. Wir schufen einen humanitären Korridor und ihre Familie ließ sie zurück. Wir brachten ihr Essen, Wasser, eine Matratze und Decken – und sie brachten sie weg.“

Als wären die ersten Wochen nicht intensiv genug gewesen, eilte Gedalya in die Schlacht im Gazastreifen. „Ich bat darum reinzugehen, so viel wie möglich dort zu sein. Mir wurde ein Merkava-Panzer der Golani angeboten und ich sagte, das reicht nicht. Ich wurden zu den Panzern geschickt. Ich sah den Panzer. Es ist fast unmöglich mit einem Panzer in einem Korridor zu sein. Sie sagten mir, dass bereits sieben Ärzte dort waren und absprangen. Das gab mir einen Pusch – ich bin klein und kompakt. Ich kann das. Wir gehörten zu den ersten, die in den nördlichen Gazastreifen eindrangen.“

In diesen Tagen schickte mir Gedalya als Reservesoldat Videos, die zeigten, wie er den Alten im Gazastreifen half. Und während Israel ich wegen seiner Freundlichkeit gegenüber einer Bevölkerung grolle, die die Morde an uns am Sabbat verherrlicht, ist es besonders er, der die Ergebnisse des Bösen aus nächster Nähe erlebte, der sich immer noch weigert sein Mitgefühl aufzugeben. „Da war eine alte Frau, die wir am Eingang zu einer UNRWA-Schule uns gegenüber erkannten – und was für eine Schule. Wir schufen einen humanitären Korridor und ihre Familie ließ sie zurück. Wir brachten ihr Essen und Wasser, eine Matratze und Decken – und sie brachten sie weg. Als es einen weiteren Korridor gab, erlaubte der Brigadeoffizier mir nicht eine Hauptstraße zu überqueren, die ziemlich offen für Heckenschützen war, aber ich bestand darauf. In der Schule waren Pferdekarren. Ich nahm einen auf meine Schultern und erst dann gab der Kommandeur Befehl mir zu helfen. Wir sagten dein Palästinenser, sie sollten sie auf den Karren heben. Wir brachten ihre eine Matratze und Decken – und sie brachten sie weg.“

Später kam Gedalya an den Ruinen eines Hauses vorbei, unter denen Leichen lagen. „Ich bat, dass versuch wird sie zu bergen; und als ich darum bat, begann ich zu weinen. Der Brigadekommandeur sagte: ‚Spar dir dein Mitleid und Gefühle für uns.‘ Aber al sich kleine Kinder Töpfe tragen und kleinere Kinder im humanitären Korridor sah und einen zweijährigen Jungen, der nicht weiter ging … da weinte ich auch.

Die ersten Tage der Kämpfe waren die intensivsten. Der Kompaniechef wurde von einem Mörsersplitter getroffen, der ihm in den Kiefer drang. Innerhalb von 30 Sekunden waren wir bei ihm und ein Soldat konnte ihn in den Panzer ziehen. Ich leistete ihm Erste Hilfe. Dann gab es noch eine Mörserbombe, von der Yedidya Eliyahu getötet und zwei weitere Soldaten von der Pioniereinheit verletzt wurden und die wie behandelten. Irgendwann, als wir nach Khan Junes kamen, erkannte der Brigadekommandeur, dass ich hyperaktiv war. Ich sagte ihm, es gebe zwei Möglichkeiten: Entweder du beginnst verletzt zu werden oder du beauftragst mich mit weiteren Aktivitäten.“

Frage: Gab es da nicht einen Punkt, an dem Merav dir sagte „Komm nach Hause“ bzw. ins Hotel?

„Die ganze Zeit. Aber immer kurz bevor ich daran war den Gazastreifen zu verlassen rief sie an und sagt: ‚Mach weiter, wir kommen klar.‘“

Gedalya möchte die Geschichte der Kreuzung und der Rettung zum Teil des Kampferbes der Gemeinden des Otef machen: „So, wie die Leute herkommen, um die Geschichte von Be’eri und Sderot zu hören, müssen wir alle die Geschichte der Schuva-Kreuzung kennen.“ Dieses Interview ist der erste Schritt und in den kommenden Monaten wird er seine persönliche Geschichte und die der anderen, die an der Rettung so vieler an diesem Sabbat beteiligt waren, weiter zu verbreiten, um sie in das Erbe Israels aufzunehmen.

Das Ausmaß von Gedalyas Optimismus für den Otef ist aus der Tatsache zu erfahren, dass er bei unserem Abschied immer noch versuchte mich davon zu überzeugen an diesem magischen Ort zu ziehen, an dem Vögel zwitschern, die Blumenpracht in voller Blüte steht und die Stille wieder Einzug halten wird.

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