Gush Etzion, Land der neun Leben

Besiedelt, zerstört und wieder besiedelt ist der Etzion-Block eine nicht unterzukriegende Quelle natürlichen, uralten und historischen Wunders, geteilt von einer Straße, über die einst die Patriarchen gingen. Aber hat König Herodes je die Seilrutsche benutzt?

Avia and Shmuel Bar-Am, Times of Israel, Nov. 24, 2012

1943 entschieden sich Pioniere sich in den biblischen Hebron-Bergen niederzulassen. Das war nicht der erste Versuch der Besiedlung in der Gegend, die man heute als Etzion-Block kennt. Die erste Gruppe kaufte Land und schlug dort 1927 Wurzeln; eine zweite kam sieben Jahre später. In beiden Fällen wurden sie während arabischer Krawalle angegriffen und mussten evakuiert werden. Und jedes Mal wurden ihre Häuser zerstört.

Während der 1940-er Jahre entstanden allerdings im Block vier religiöse und säkulare Gemeinden, die gediehen und sich ausdehnten, bis sie 450 Männer, Frauen und Kinder zählten. Dann, bald nachdem die UNO im November 1947 für die Teilung Palästinas stimmte, belagerten die Araber den Block. Ein paar Monate später griff die gut ausgerüstete jordanische Legion an, tötete und verwundete hunderte Pioniere und wischte schließlich Gush Etzion vom Angesicht der Erde, genau einen Tag, bevor der Staat Israel ausgerufen wurde.

Die Besiedlung wurde nach dem Sechstage-Krieg erneuert und heute hat Gush Etzion eine Bevölkerung von 65.000 Männern, Frauen und Kindern in 16 Gemeinden und zwei Städten aufzuweisen. Die Beziehungen zu den benachbarten arabischen Dorfeinwohnern sind allgemein freundlich und private Initiativen gehören zur Tagesordnung. Fakt ist, dass im Verlauf der letzten Jahre der Gush auch ein führendes Tourismuszentrum geworden ist.

Mit Geschichte durchtränkt, die auf unsere Vorväter zurückreicht, hat der Gush Etzion für alle etwas: natürliche Teiche, aufregende archäologische Pfade und einen antiken Aquädukt. Abenteuerlustige Menschen können an Seiten und Wänden klettern, Kinder können einen Mini-Zoo durchstreifen und Erwachsene haben die Möglichkeit entlang der ungewöhnlichen Wein-Route angeheitert zu werden. Wenn der Wein nicht ausreicht und Besucher nach einem Essen schmachten, können sie zwischen zwei hervorragenden Milchprodukte-Gourmet-Restaurants wählen, die lamehadrin-koscher sind.

Bevor man aber überhaupt etwas unternimmt, ist es hilfreich das Wunder zu begreifen, das der gegenwärtige Gush Etziond arstellt. Im Kibbutz Kfar Etzion findet sich eine herzzerreißende audiovisuelle Präsentation zur modernen Geschichte der Region. Der Vorführraum – eigentlich eine Gedenkhalle, die den mutigen Pionieren gewidmet ist, die bis zum bitteren Ende kämpften – bietet eine Überraschung im Untergrund.

Eine der wichtigsten Nebenstraßen des Landes Israel verläuft durch Gush Etzion. Tausende Jahre lang war sie die Hauptstraße zwischen Hebron und Jerusalem, offensichtlich dafür ausgesucht, weil das Land so eben war. Sie wurde der Patriarchenweg genannt. Man stelle sich vor: Dies ist die Route, die Abraham mit seinem Sohn Isaak genommen hatte, als sie für das Opfer zum Berg Moriah gingen.

König David nahm genau diese Route, als er und sein Haushalt Hebron verließen, um Jerusalem zur Hauptstadt Israels zu machen und Scharen von Pilgern folgten dieser Route, wenn sie zu den beiden ersten Tempeln zogen. Die Makkabäer bekämpften auf dieser Straße die Griechen in aufwühlenden Schlachten. Einige Jahrhunderte lang, als die Römer die Straße verbreiterten, wurden Meilensteine entlang des Randes aufgestellt, auf denn Inschriften mit der Entfernung zu Jerusalem und dem Namen des regierenden Kaisers eingeritzt waren.

Die Route kann man in rund eineinhalb Stunden abgehen – heute ist es eine unbefestigte Straße, ein rot markierter Pfad – und in kürzerer Zeit mit einem Fahrrad oder Auto. Entlang des Weges gibt es römische Meilensteine, Esel und eine Mikwe (ein rituelles Bad), die gut mehr als 2000 Jahre alt sind. Dieses wundervoll erhaltene Bad mit getrennten Stufen zum Hineinsteigen und zur Rückkehr auf die Straße befand sich nicht einmal in der Nähe irgendeines Stadt oder eines Dorfes. Daher glaubt man, dass es von Pilgern genutzt wurde, die sich bewusst waren, dass es recht ist sich 24 Stunden vor Betreten des Tempels zu reinigen. Versteckt von Gestrüpp wurde eine zweite Mikwe.

Eine Gabelung der Straße bietet zwei Möglichkeiten: Links geht es an weiteren Meilensteinen und einem alten Brennofen zur Herstellung von Pflaster vorbei, während man rechts zum Biyar-Aquädukt kommt. Der von König Herodes erstellte Aquädukt war Teil eines verschachtelten Systems, das Wasser aus den Quellen der Hebron-Hügel in die heilige Stadt Jerusalem brachte. Besucher, die trocken bleiben wollen, können bis fast ganz in die Tiefe hinabsteigen, um sich das anzusehen, während andere ein paar Meter durch Wasser zur Quelle waten oder etwas nasser werden können (das Wasser steht 80 Meter [ich vermute, hier sollte es Zentimeter heißen] hoch), indem sie rund eine halbe Stunde bis zum Ende stapfen.

In der Geschichte waren die Hebron-Hügel von Weinbergen bedeckt. Es überrascht daher nicht, dass im Verlauf der letzten Jahre nicht nur ein halbes Dutzend Winzerbetrieb im Gush Etzion entstanden sind, sondern es heute sogar eine „Wein-Route“ gibt, der zu folgen die Besucher eingeladen sind. Sie reichen von der Haus-Winzerei in Bat Ayin – wo Bio-Wein produziert wird – bis zur Gush Etzion-Winzerei – de, größten und ältesten der Betriebe. Die Gush Etzion-Winzerei hat auch ein Gourmet-Restaurant (Milchprodukte), von dem man eine atemberaubende Sicht auf die umgebenden Hügel hat und dessen Essen komplett auf dem Anwesen selbst vorbereitet wird.

Gush Etzion ist mit offener Luft, einer biblischen Landschaft und nicht endenden Chancen zur Erkundung der Natur gesegnet. Wege an den Hängen führen zu zahlreichen Quellen und Teichen, allesamt sauber und schattig. Die Pfade sind blau markiert; zu mehreren führt eine Straße, die nahe eines Gebäudes des Alten Massuot Yitzhak beginnt, das 1945 von Holocaust-Überlebenden gegründet wurde.

Ein eineinhalb Meter tiefer, erfrischender Teil ist Ein Yitzhak, benannt nach dem 19-jährigen Yitzhak Weinstock. Terroristen schossen 1993 aus einem fahrenden Fahrzeug heraus und töteten den jungen Yitzhak, als er am Straßenrand bei Ramallah stand und versuchte den Motor seines Autos zu reparieren. Der genauso kühle und erfrischende Dubek-Teich liegt ein wenig weiter unten am Hang. Der die Natur liebende Dubi Weinstock, Yitzhaks Vater, war einer der ersten, die nach dem Sechstage-Krieg zum Gush Etzion zurückkehrten.

Entlang derselben Straße liegt ein weiteres Gourmet-Restaurant, das Restaurant Gavna, in einer malerischen Landschaft. Bisweilen kann man sein Mahl genießen, während man lebenslustige Leute die Seilrutsche des nahe gelegenen Rotwild-Landes (Havat Ha’Ayalim) vorbeisurren sehen. Einer davon könnte ich sein, der im Alter von 64 Jahren nicht der älteste Mensch ist, der dort versucht hat wie ein Vogel zu fliegen. (Der älteste war 87.)

Das Rotwild-Land ist gerammelt voll mit Attraktionen von Seilklettern bis zur Seilrutsche, einem Mini-Zoo für die ganze Familie, Bungee-Jumping über einem Trampolin und einer farbenfrohen Kletterwand.

Wenn Sie in Israel sind und Gush Etzion besuchen wollen, halten Sie im Besucherzentrum an der Gush Etzion-Kreuzung an der Schnellstraße 60; dort erhalten Sie kostenlos Landkarten und Rat. Brauchen Sie Hilfe hinzukommen? Rufen Sie das Zentrum an (aus Israel: 02-993-3863; aus dem Ausland: 972-2-993-3863).