Unsere wiederholten strategischen Fehler oder: Wie wir nie aus Erfahrung lernen

Victor Rosenthal, Abu Yehuda, 28. April 2024

1. Versäumnis unsere Feinde zu verstehen und zu respektieren

Seit vor der Gründung des Staates Israel haben palästinensisch-arabische Führer gesagt, dass das Land zwischen dem Fluss und dem Meer arabisches Land ist, Land, in dem nichtarabische (und in der Regel nichtmuslimische) Souveränität nicht hinnehmbar ist. Sie waren seit der Wende zum 20. Jahrhundert gegen jüdische Zuwanderung, weil sie richtigerweise sahen, obwohl viele Juden das nicht sahen, dass Souveränität letztlich das Ergebnis des Zionismus sein würde. Führer von Amin al-Husseini über Yassir Arafat bis Mahmud Abbas gaben diesbezüglich zahllose Stellungnahmen ab und lehnten wiederholt Angebote palästinensischer Eigenstaatlichkeit ab, weil damit auch ein jüdischer Staat anerkannt werden sollte. Juden und andere mit westlichen Anschauungen waren wiederholt überrascht, als das passierte, nicht in der Lage zu begreifen, dass die arabischen Ziel kein Spiegel derer der Juden waren, die einen friedlichen, souveränen Staat wollten und bereit waren Kompromisse zu Land einzugehen, um es zu bekommen oder zu behalten. Denn säkulare wie religiöse Palästinenserbewegungen wie Fatah und Hamas (obwohl es an der Basis keine palästinensisch-arabische Bewegung gibt, die wirklich säkular ist) ist die Anwesenheit eines jüdischen Gebildes dort, wo nach ihrer Überzeugung arabisch/muslimisches Land ist, einen schmerzhafte Verletzung von Ehre und Doktrin. Im Verlauf der Jahre hat ihr Glaube an die absolute Richtigkeit ihrer Position, ihre Schande Opfer der Juden gewesen zu sein und ihre Beharrlichkeit auf ihr Ziel hinzuarbeiten nur noch zugenommen.

Wie oft haben wir gehört, dass „sie ihr Leben und die Zukunftsaussichten für ihre Kinder verbessern wollen“? Wenn sie nur einen „Horizont“ zu Selbstbestimmung und Wohlstand sehen könnten, dann würden sie ihre Feinschaft gegenüber dem jüdischen Staat beenden? Nichts könnte falscher sein – oder sie ihnen gegenüber herablassender sein. Mit anderen Worten: Wir fordern sie auf aufzugeben, was sie für ihr Geburtsrecht am Land halten, ihre Ehre aufzugeben (und zwar an Juden!) und gegen die Prinzipien ihrer Religion zu verstoßen, um von unserem Tisch Krümel abzubekommen. Sie würden lieber sterben (und das tun sie, wobei sie oft einige von uns mitnehmen).

Vielleicht sind sie von der Menge an Korruption verleitet, die es in den politischen Strukturen von Völkern gibt, deren Loyalitäten in erster Linie Stämmen gehören und glauben, dass die Araber schwach sind und gekauft werden können. Vielleicht ist das die Quelle der conceptzia, die dummerweise versuchte mit Geldern voller Dollars aus Qatar von der Hamas Ruhe zu kaufen oder glaubten, dass die Milliarden Dollar, die von Yassir Arafat abgezweigt wurden, irgendwann aus ihm einen Friedenspartner machen würde. Arafat nahm Hilfsgelder, um Terroristen zu bezahlen und seine Schweizer Bankkonten zu füllen, während die Hamas-Führer Angriffstunnel gruben und sich Villen bauten. Aber trotz ihrer Korruptheit vernachlässigte keiner von ihnen ihr Hauptziel.

Dieser strategische Fehler ist immer und immer wieder wiederholt worden und ist für zwei der schmerzlichsten Misserfolge verantwortlich: die Oslo-Vereinbarungen und die diesen folgende zweite Intifada  sowie das Pogrom vom 7. Oktober.

Gebt den Arabern den Respekt, den sie verdienen. Hört dem zu, was sie sagen und glaubt ihnen, wenn sie sagen, sie seien unsere Feinde. Sie stehen nicht zum Verkauf.

2. Versäumnis die zu bestrafen, die uns verletzen

Wir leben im Nahen Osten. Wenn jemand im Nahen Osten jemanden aus deinem Volk tötet, tötest du ihn. Wenn jemand in dein Land eindringt, nimmst du sein Land und du gibst es nicht zurück. Vielleicht bist du mit diesen Prinzipien nicht einverstanden und glaubst, dass Mörder rehabilitiert werden können oder dass man Streit um Land juristisch oder diplomatisch regeln kann; aber dem Nahe Osten ist es egal, was du denkst. Wenn du deine Ehre nicht beschützt, wenn du zum Opfer gemacht wirst, dann ist es eine Demonstration von Schwäche und wird ausgenutzt. Vor kurzem startete das iranische Regime mehr als 300 Waffen, darunter rund 120 ballistische Raketen auf Israel, der größte Angriff dieser Art in der Militärgeschichte. Die Menge an Tod und Zerstörung, die das hätte verursachen können, war enorm; nur Glück, die Fähigkeiten unserer Piloten, $,135 Milliarden an Verteidigungswaffen und die Hilfe der USA (für die wir mit dem Verlust unserer Souveränität zahlen werden) retteten uns. Wir reagierten mit der Zerstörung einer Radaranlage, um „eine Botschaft zu senden“, dass wir ihre Atomanlagen hätten angreifen können, die sie beschützen. Machen wir Witze?  Sie versuchten uns zu töten und statt „aufzustehen, um sie zu töten“, wie es die Weisen des Talmud empfahlen (Sanhedrin 72a-b), sandten wir eine Botschaft, dass wir sie hätten verletzen können? Das ist keine Nahost-Antwort und sie wird so interpretiert werden, dass sie bedeutet, wir seien zu schwach oder (durch die USA) zu eingeschränkt sind zurückzuschlagen. Das wird den Iran ermutigen uns erneut anzugreifen.

3. Versäumnis die Abschreckung aufrechtzuerhalten

Israels Reaktion auf Raketenangriffe und Terrorismus hat dazu tendiert sich auf die Abwehr der Angriffe der Feinde zu konzentrieren, statt unverhältnismäßig zurückzuschlagen (im Nahen Osten ist das mit der „Unverhältnismäßigkeit“ wichtig). Während eine rein defensive Strategie (z.B. die Eiserne Kuppel) in weniger Störungen an der Heimatfront führt, wird der Feind nicht davon abgeschreckt es weiter zu versuchen und Lektionen anzuwenden, die bei früheren Runden der Kämpfe gelernt wurden. Psychologisch normalisiert das den Akt der Tötung von Juden. Ein machtvoller Vergeltungsschlag hingegen, lässt den Feind einen hohen Preis für seine Aggression zahlen und schreckt zukünftige Angriffe ab. Und es vermittelt die Botschaft, dass jüdisches Blut nicht billig ist.

4. Versäumnis Unabhängigkeit und Souveränität zu erhalten

Ein kleines Land kann sein eigenes Schicksal nur kontrollieren, indem es von jeder Großmacht oder Lager an Mächtigen unabhängig bleibt. Ein solches Land muss seine Beziehungen zu allen Seiten in den Konflikte der großen Mächte beibehalten und eine Seite gegen die andere ausspielen. Israel hat das eine Zeit lang erfolgreich gemacht, aber ab den 1980-er Jahren war es komplett von den USA abhängig, sowohl diplomatisch als auch als Quelle militärischer Hardware. Ein entscheidender Wendpunkt war 1987, als das Projekt das Kampfflugzeug Lavie zu bauen abgebrochen wurde. Heute ist Israels Wirtschaft zwar stark genug, um ohne amerikanische Militärhilfe für seine eigenen Verteidigungsbedürfnisse zu zahlen, aber seine Beschaffung ist seit vielen Jahren auf extrem teure amerikanische System ausgerichtet, die für seine Bedürfnisse vielleicht nicht die besten sind (z.B. die F-35). Es hätte vor Jahrzehnten schon und erst recht mit der Wahl von Barack Obama 2009 offensichtlich sein müssen,, dass amerikanische Interessen beträchtlich von denen Israels abweichen können und dass Israel nicht alles auf nur die amerikanische Karte setzen sollte. Aber unserer Regierung und unser Militär haben es sich leicht gemacht und ließen zu, dass die Abhängigkeit von US-Militärhilfe zunimmt. Heute haben wir den amerikanischen Außenminister, der bei Sitzungen des Kriegskabinetts dabei ist und die Feinabstimmung unserer Militär-Taktiken vornimmt – und uns sehr wahrscheinlich davon abhält die Hamas zu besiegen und sie von der Macht zu entfernen.

Die Folgen

All diese Misserfolge arbeiten zusammen, um den Staat in katastrophale Situationen zu bringen. Die aktuelle Lage im Gazastreifen ist ein direktes Ergebnis mehrerer strategischer Fehlschläge. Das Versagen die oberste Priorität der Hamas zu verstehen, bestand immer darin zu versuchen Israel zu vernichten und Juden zu töten und dass ihre Führung nicht davon umgangen werden kann, um das Wohlergehen ihrer Bevölkerung zu sorgen oder eine richtige Wirtschaft aufzubauen, was zu der Politik führte große Geldmengen aus Qatar die Hamasführung erreicht. Aber statt dieses Geld dafür zu verwenden zivile Infrastruktur aufzubauen, steckten sie das Geld in Raketen und Tunnel (nachdem ein Teil für die persönliche Bereicherung ihrer Führer abgeschöpft wurde). Die conceptzia trug zur Unaufmerksamkeit der IDF und Geheimdienst-Versagen bei, die zuließen, dass der 7. Oktober stattfand.

Fehlende Bestrafung schadete sowohl auf der individuellen wie auf der organisatorischen ebene. Die Tatsache, dass die Todesstrafe (oder auch nur Dauerinhaftierung) für terroristische Mörder nicht angewandt wurde, führte zur Freilassung von Yahya Sinwar, dem Architekten des 7. Oktobers, als Teil eines Tauschs von 1.026 palästinensischen Häftlingen für einen verschleppten Israeli. Sinwar saß vier lebenslange Gefängnisstrafen für Mord ab. Hamas-Häftlinge entwickelten innerhalb des israelischen Gefängnissystems einen Autonomie. Bei einer besonders beschämenden Affäre sorgten einige Häftlinge dafür, dass ihren Bereichen attraktive Soldatinnen zugewiesen wurden, was sie sexueller Belästigung aussetzte. Da die palästinensische Autonomiebehörde den Familien aller Häftlinge Gehälter zahlte, war das Gefängnis eher eine Art erweiterte Arbeitsvorgabe als eine zu fürchtende Strafe.

Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat es im Gazastreifen mehrere begrenzte Kriege oder „Operationen“ als Reaktion auf Raketenangriffe gegeben. In vielen Fällen wurden leere Gebäude angegriffen, manchmal zusammen mit ein paar gezielten Tötungen, um für ein paar Jahren „das Gras zu mähen“. Die Regierung könnte diese schwache Reaktion rechtfertigen, die hätten tödlich sein können, weil die meisten Hamas-Raketen von der Eisernen Kuppel abgefangen wurden. Aber unsere passive Verteidigung schreckte die Hamas nicht davon ab es wieder zu versuchen, sobald sie dazu in der Lage waren, oft mit verbesserten Raketen und Terrorstrategien. Der Angriff vom 7. Oktober war das Ergebnis der Anwendung von Lektionen, die sie aus früheren Runden gelernt hatten.

Nach dem 7. Oktober erkannte die Regierung, dass unsere Strategie geändert werden musste und dass nur ein echter Sieg über die Hamas zukünftige Katastrophen verhindern würde. Aber seit Beginn des Krieges haben wir zunehmend übergriffige Einmischung und Mikromanagement durch di Administration Biden erlebt, die offenbar keinen kompletten israelischen Sieg sehen will. Aber weil wir bei militärischem Nachschub und beim Schutz vor vom UNO-Sicherheitsrat verhängte Sanktionen komplett von den USA abgängig sind, ist Israels Handlungsfreiheit stark eingeschränkt. Das Versäumnis die Hamas von der Macht zu entfernen, wird für die Hamas ein Sieg in dem Krieg sein, den sie am 7. Oktober anfing.

Eine ähnliche Analyse kann auf unseren Konflikt mit der Hisbollah angewandt werden und natürlich auf den Iran. Nach dem Krieg wird es Wahlen geben und die meisten Israelis glauben, dass eine umfassende Veränderung nötig ist. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Führung aus unseren Misserfolgen lernt und diese katastrophale Politik umkehrt.

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