Von Judenhass verzehrt

(Der Pax Christi/Albrecht Schröter-Boykottaufruf – 4)

Benjamin Weinthal, Writing the Wrongs, 6. Juni 2012

Op-Ed: Wie kommt es, dass deutsche und österreichische Führungspersönlichkeiten so viel Energie auf die Verunglimpfung Israels verwenden?

Ende letzten Monats beschuldigten europäische Offizielle die Israelis die Bedrohung durch den atomaren Iran zu übertreiben und forderten die Deutschen auf israelische Waren zu boykottieren.

Der österreichische Verteidigungsminister Norbert Daraos und Albrecht Schröter, Bürgermester der deutschen Stadt Jena, beides Sozialdemokraten, äußerten sich, als die USA und ihre Verbündeten zu Verhandlungen über das Atomprogramm des Iran aufbrachen.

In einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung Die Presse beschuldigte Darabos die Israelis, sie würden die Gefahr einer iranischen Atomwaffe nutzen, um die Aufmerksamkeit von ihren innenpolitischen Problemen abzulenken. Derweil unterschrieb Schröter eine Petition der linken christlichen Friedensgruppe Pax Christi, mit der ein weitreichender Boykott israelischen Produkte als Antwort auf den Bau israelischer Siedlungen in Palästinensergebieten gefordert wird. Am Montag gab er dieselbe Ansicht in einem Kommentar in der Thüringischen Landeszeitung wieder.

Zu seiner Ehrenrettung sagte der konservative österreichische Außenminister Michael Spindelegger, Herrn Darabos Meinung repräsentiere nicht die Politik der nationalen Regierung, dennoch bleibt Darabos Verteidigungsminister; der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann zeigt kein Anzeichen ihn zu maßregeln oder zu entlassen.

Herr Darabos gab eine langatmige Erklärung aus, die ausführlich seine Teilnahme an Holocaust-Gedenkveranstaltungen und Bemühungen zur Bekämpfung der Neonazis in Österreich beschrieb. Doch wie der Leiter der jüdischen Gemeinschaft, Oskar Deutsch, es formulierte: Herr Darabos „hat Probleme mit lebenden Juden“.

Schröters Kritiker erhoben härtere Vorwürfe gegen ihn. Kevin Zdiara, stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, stellte heraus, dass der Vorschlag des Bürgermeisters auch die Parole der Nazizeit widerspiegele: „Kauft nicht bei Juden.“

Schröter führte daraufhin „mein kompromissloses Engagement gegen die Neonazis“ an. Obwohl de Bürgermeister mit seinen antifaschistischen Referenzen spielte, zeigte er wenig Unbehagen, als der örtliche Zweig der NPD – die führende deutsche Neonazi-Partei – seine Forderungen nach einem Boykott pries.

In einer Stellungahme auf der Internetseite der NPD lobte die Partei Schröters Kampagne; sie erklärte ihn für „mutig“, denn: „Als Nationalisten, die sich tagtäglich mit dieser jüdischen / linksliberalen Verleumdungstaktik auseinandersetzen dürfen, fällt uns dabei nur Goethes Zauberlehrling ein, der die ‚gerufenen Geister‘ nun nicht mehr los wird.“

Zweierlei Maß

Vera Lengsfeld, prominente Bürgerrechtlerin und in der Region Thüringen geboren, die einst Ostdeutschland war, außerdem ehemalige Abgeordnete der CDU im Bundestag, fing Schröters unangebrachte Prioritäten geschickt ein. In einem Eintrag auf dem populären, pro-amerikanischen Blog „Die Achse des Guten“ schrieb sie: „Auch Jenas wieder gewählter Oberbürgermeister Schröter fühlt sich mit den Problemen der Stadt, etwa die Waffenlieferungen aus Jena an die NSU, nicht ausgelastet. Deshalb hat er sich eine Nebentätigkeit als Israel-Kritiker zugelegt.“

Wie Zdiara verriss Lengsfeld Schröter dafür, dass er die Stadt „judenwarenrein“ halten wolle. „Jena müsste sich sofort ein neues Stadtoberhaupt wählen“, sagte sie, „weil der gute Mann dann nicht mehr zum Regieren käme.“

Schröters sonderliche Israel-Besessenheit hat ihn dazu gebracht an das Land verurteilenden Demonstrationen in der Westbank teilzunehmen und einen Vortrag bei der pro-Hamas-Konferenz in Bad Boll zu halten.

Andere deutsche Kritiker werfen Schröter vor zweierlei Maß anzulegen. Thomas von der Osten-Sacken, Leiter der Nahost-Hilfsorganisation Wadi, sagte: „So lange man bei Pax Christi keine Aufforderung finden kann, dass von jetzt an Produkte aus Syrien, dem Iran oder Saudi-Arabien (um nur drei Beispiele zu nennen) mit dem Logo versehen werden, dass die Waren aus einem Land kommen, in dem es Folter als Verletzung der Menschenrechte gibt, ist die Aktion komplett antiisraelisch und antisemitisch, denn Israel wird einer Sonderbehandlung unterzogen.“

„Warum sieht Herr Schröter nicht die Gelegenheit einen Boykott gegen alle Produkte aus der antisemitischen Islamischen Republik Iran zu fordern“, fügten Klaus Faber und Daniel Kilpert hinzu, zwei Vertreter des Koordinierungsrats der deutschen Nichtregierungsorganisationen gegen Antisemitismus, „oder aus dem Nordsudan, der viele Massaker verübt hat?“

Wie kommt es, dass deutsche und österreichische Führungspolitiker so viel Energie auf die Verunglimpfung Israels verwenden, dessen Einfluss auf sie vernachlässigbar ist, und so wenig auf den Iran, dessen Regime seine Dissidenten auf dem eigenen Boden niedermäht und jetzt den Bau von Atomwaffen anstrebt?

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