Israel mit falscher moralischer Äquivalenz dämonisieren

Manfred Gerstenfeld (direkt vom Autor)

Rhetorik spielt im Prozess zur Dämonisierung Israels eine wichtige Rolle. Neben der Nutzung von Lügen ist das Streuen falscher Argumente die vorherrschende unter den bedeutenden Dämonisierungstechniken.1 Es ist daher wichtig, dass diejenigen, die Israel öffentlich verteidigen, darauf trainiert sind solche Techniken zu erkennen. Eine markante gegen Israel eingesetzte Technik ist falsche moralische Gleichsetzung. Sie basiert auf der täuschenden Behauptung, dass es keinen Unterschied zwischen zwei enorm ungleichen Handlungen gibt.

Vergleiche bieten sich von Haus aus für Missbrauch an. Beispiele gibt es zuhauf und hier können nur einige der am häufigsten benutzten erwähnt werden. Einige gehen über den Bereich des gesunden Menschenverstandes hinaus. Ein berühmtes ist der Vergleich Israels mit Nazideutschland oder den Nazis. Dieses Beispiel falscher moralischer Äquivalenz ist in ganz Europa weit verbreitet. Fünf Studien in neun europäischen Ländern zeigen, dass rund 40% der Europäer glauben, dass Israel ein Nazistaat ist.2/3/4

Eine Variante dieser Lüge besagt, dass Israel die Palästinenser ausrottet. Auch das ist weit verbreitet, wie Umfragen in Europa feststellten.5/6

Noch eine weitere Version dieses falschen Vergleichs heißt „Zionismus ist Faschismus“. Als er im Februar 2013 vor dem Forum der Fünften Allianz der Zivilisationen in Wien sprach, erklärte der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan: „Genau wie bei Zionismus, Antisemitismus und Faschismus wird es unvermeidlich, dass Islamophobie als Verbrechen gegen die Menschheit betrachtet werden muss.“7 Diese Erklärung wurde von US-Außenminister John Kerry, UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu sofort kritisiert.

Da falsche Vergleiche so leicht zu ziehen sind, wird eine große Auswahl davon gegen Israel angewendet. Die falsche moralische Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus war eine von der Sowjetunion entworfene Taktik, um ihre Ablehnung der Verurteilung von Antisemitismus zu rechtfertigen. Diese politische Strategie wurde in den 1960-er Jahren ursprünglich beim Versuch benutzt Israel aus den Vereinten Nationen auszuschließen. Obwohl sie fehlschlug, hatten die Sowjetunion, ihre Satellitenstaaten und ihre arabischen Verbündeten schließlich 1975 Erfolg damit, als die UNO-Resolution 3379 verabschiedet wurde. Sie bestimmte, dass „Zionismus eine Form von Rassismus und Rassendiskriminierung ist“.8

Noch ein weiteres Beispiel regelmäßig genutzter falscher moralischer Gleichsetzung zur Dämonisierung Israels besteht darin Israel als Apartheidstaat zu bezeichnen. Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter gehört zu denen, die diese falsche Gleichsetzung in seinem Buch aus dem Jahr 2006 Palestine: Peace Not Apartheid (Palästina: Frieden, nicht Apartheit) vornahmen.

Das Buch Drawing Fire (Das Feuer auf sich lenken) des linken israelischen Journalisten Benjamin Pogrund trägt den Untertitel Investigating the Accusations of Apartheid in Israel (Untersuchung der Apartheidvorwürfe an Israel). Der Autor sagt in einem persönlichen Vermerk im Buch:

Ich wurde wegen Magenkrebs in einem der führenden israelischen Krankenhäuser behandelt, dem Hadassah auf dem Skopusberg in Jerusalem. Der Chirurg (er war der leitende Arzt) war jüdisch, der Anästhesist war Araber. Die Ärzte und Pfleger, die sich um mich kümmerten, waren Juden und Araber. Während der viereinhalb Wochen als Patient sah ich, wie arabische und jüdische Patienten dieselbe hingebungsvolle Behandlung bekamen. Etwa ein Jahr später ging der leitende Chirurg in Rente; er wurde von einem Doktor abgelöst, der Araber ist. Seitdem bin ich in Kliniken und Notaufnahmen gewesen. Dort ist für jeden überall alles gleich. Israel ist wie das Südafrika der Apartheid? Lächerlich.9

Eine weitere gern genutzte, falsche moralische Gleichsetzung ist die Vorstellung, dass Israel im Nahen Osten eine Kolonialmacht darstellt. Der Historiker Richard Landes zeigte die Scheinheiligkeit dieser moralischen Äquivalenz auf. Er schrieb über die harmlose Natur zionistischer Siedlungen im ottomanischen und britischen Palästina, die sich stark von den imperialen Bestrebungen der europäischen Mächte der damaligen Zeit abheben. „Statt als militärische Nullsummen-Sieger zu kommen, kamen die Zionisten als positiv aufgerechnete Nachbarn.“10

Ein weiterer falscher Gebrauch moralischer Äquivalenz ist die Gleichsetzung des Holocaust mit der Naqba. Diese falsche moralische Gleichsetzung ist von vielen übernommen worden. Der Holocaust und die Naqba sind jedoch weit davon entfernt einander zu ähneln. Der Holocaust war ein geplanter Völkermord industrieller Ausrottung. Die palästinensische Naqba war ein direktes Ergebnis davon, dass die Palästinenser die Existenz Israels ablehnten, was zu ihrer schweren militärischen Niederlage führte.

Eine weitere Kategorie moralischer Äquivalenz impliziert, dass der beabsichtigte Mord an unschuldigen Zivilisten dem unabsichtlichen Tod von Zivilisten bei Militäraktionen gleichzusetzen ist. Im März 2012 verglich die Chefin der außenpolitischen Vertretung der Europäischen Union, Catherine Ashton, den Tod unschuldiger Menschen wie in Toulouse (Frankreich) getötete jüdische Kinder durch Serienmörder und brutale Diktatoren wie Syriens Bashar al-Assad mit dem unbeabsichtigten Tod von Zivilisten durch israelische Gegenschläge im Gazastreifen. Justizministerin Tzipi Livni reagierte so: „Es gibt keine Gleichartigkeit zwischen einem Akt des Hasses oder einem Führer, der Mitglieder seiner Nation tötet und einem Land, das Terror bekämpft, selbst wenn Zivilisten zu Schaden kommen.“11

Viele sogenannte humanitäre NGOs benutzen regelmäßig missbrauchend falsche moralische Äquivalenz. Selbst wenn sie kurze Erklärungen über die dem israelischen Soldaten Gilad Shalit auferlegten Menschenrechtsverletzungen schrieben, als er von Hamas-Terroristen entführt und fünf Jahre lang gefangen gehalten wurde, entschieden sich Amnesty International und Human Rights Watch dazu, die Aufmerksam auf die falsche moralische Gleichsetzung vom entführten Shalit auf die von Gerichten verurteilten palästinensischen Terroristen in israelischen Gefängnissen zu lenken.12

Diese falschen moralischen Gleichsetzungen von israelischen Haftstrafen für Terroristen mit Entführungen durch Palästinenser sind weit entfernt davon wahr zu sein. Der amerikanische Rechtsanwalt Alan Dershowitz sagt:

„Jeder einzelne von Israel festgehaltene Gefangene verfügt über gerichtlichen Rechtsschutz und hat auf die eine oder andere Weise seine bzw. ihre Entlassung erreicht. Jeder einzelne von ihnen hat Zugang zu Besuch durch das Rote Kreuz, kann mit der Familie kommunizieren und sein/ihr Aufenthaltsort ist bekannt. Andererseits werden entführte israelische Soldaten von kriminellen Elementen isoliert gehalten, werden regelmäßig gefoltert, oft ermordet (wie erst vor kurzem geschehen) und haben keinen Zugang zum Roten Kreuz oder gerichtlichem Rechtsschutz. Darüber hinaus sind die von Israel festgehaltenen Gefangenen Terroristen – heißt: rechtswidrige Kombattanten. Viele sind Mörder, die in Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip überführt und verurteilt wurden. Die „Frauen“ und „Kinder“ haben sich des Mordes oder versuchten Mordes an unschuldigen Babys und anderen Nichtkombattanten schuldig gemacht. Die entführten Soldaten waren legitime Kombattanten, für die der Kriegsgefangenenstatus gilt.“

Dershowitz erwähnte, dass die Hamas oder die Hisbollah die israelischen Soldaten nicht auf dieselbe Weise behandelt, wie Israel mit seinen Gefangenen umgeht, denn „sie sind Terrororganisationen, die sich nicht innerhalb des Rechtsstaatsprinzips bewegen.“13

Viele weitere falsche moralische Gleichsetzungen können angeführt werden. Wer Israel öffentlich verteidigt und auch seine Diplomaten sind zum größten Teil nicht dafür ausgebildet die missbrauchende moralische Äquivalenz zu erkennen und zu bekämpfen. Der durch diese Dämonisierungstaktik angerichtete Schaden sollte von denen angesprochen und angegangen werden, die in der Öffentlichkeit stehen. Dasselbe gilt für andere falsche Argumente, die regelmäßig genutzt werden, so sentimentale Appelle, zweierlei Maß und die Suche nach Sündenböcken. Das Scheitern der Bekämpfung falscher moralischer Gleichsetzung ist eine der vielen israelischen Unzulänglichkeiten im Krieg der Worte, denen die Regierungsbehörden weit mehr ernste Aufmerksamkeit widmen sollten.14

 

1 Some Informal Argument Fallacies. University of North Carolina,
2 Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 3. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2005, S, 151.
3 In Norway, 38% believe Israel treats Palestinians like how Nazis treated Jews, survey shows. Ha’aretz, 14. Juni 2012.
4 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse. Friedrich-Ebert-Stiftung/Universität Bielefeld, 20. November 2014, S. 5
5 Kritik an Israel nicht deckungsgleich mit antisemitischen Haltungen. GFS Bern, März 2007.
6 Intolerance, Prejudice, and Discrimination: A European Report. FES Projekt gegen Rechts/Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin, 2011.
7 Erdogan: Zionism is a crime against humanity. YNet, 28. Februar 2013.
8 3379 (XXX). World conference to combat racism and racial discrimination. United Nations, 10. November 1975.
9 Benjamin Pogrund: Drawing Fire. London (Rowman & Littlefield) 2014, S. 152.
10 Richard Landes: 1948-2008 Part I: The Sad Story of the Nakba. The Augean Stables, 8. Mai 2008.
11 Jerusalem Post (Mitarbeiter): Israel to Ashton: Retract Toulouse-Gaza comparison. The Jerusalem Post, 20. März 2013.
12 Israel-Hamas prisoner swap casts harsh light on detention practices of all sides. Amnesty International, 18. Oktober 2011. S. auch: Gaza: Allow Access to Gilad Shalit. Human Rights Watch, 25. Juni 2010.
13 Alan Dershowitz: The Anti-Israel Double Standard Watch. The Huffington Post, 14. Juli 2006.
14 Manfred Gerstenfeld: Wie man antiisraelische Propaganda effektiv bekämpfen kann. Abseits vom mainstream, 8. Dezember 2014.

6 Gedanken zu “Israel mit falscher moralischer Äquivalenz dämonisieren

  1. Es gibt leider Menschen, Politiker, Journalisten, die Israel kaputtreden wollen. Es wird ihnen jedoch nicht gelingen, weil Licht jede Dunkelheit der Lüge, Täuschung und Verdrehung wirksam vertreibt.

  2. Alles was Manfred Gerstenfeld hier sagt ist absolut zutreffend. Das Problem ist nur, dass es sich um eine Herzenswahl handelt. Hier entscheidet nicht mehr der Verstand sondern das verkehrte Herz Wer keine Liebe zur Wahrheit hat entscheidet sich willentlich gegen Israel und ist somit nicht einmal mehr in der Lage zu begreifen wie sehr er sich selbst damit schadet. Der Hass auf Israel erscheint ihnen so existentiell wichtig zu sein, dass sie nicht anders wollen können, da ihnen die Ausrottung Israels näher liegt als ihr eigenes Leben. Das ist ihnen das Opfer wert. Dieses Opfer zu bringen scheint ihnen heilige Pflicht zu sein. Man kann solche Spinner nicht von diesem Opfergang abhalten. Sie müssen nun ihren Irrtum mit ihrer Selbstauslöschung beglaubigen. Das ist leider so. Man kann nur retten, was sich retten lässt. Hoffentlich wachen wenigstens die auf, denen es so leise dämmert, dass dieser Tanz auf dem Vulkan im Feuer für sie endet.
    Um die Lüge meiden zu können, braucht man den Willen und die Liebe zur Wahrheit. Und das ist Gnade. Wer diese Gnade verschmäht versäumt das Leben. Die Lage ist ernster als die meisten denken, da sie sich auf der Seite der Mehrheit zu unrecht so sicher fühlen, während sich die Minderheit an der Seite Israels noch nicht sicher genug ist auf der richtigen Seite zu sein obgleich sie es sind. Sie müssen mehr an Gewissheit zunehmen.
    Mögen sich wenigstens einige von der Warnung Manred Gerstenfeld aufrütteln lassen. Sein Artikel ist verständlich und zutreffend geschrieben, so dass er jeden mitten ins Herz treffen müsste, wenn, ja wenn das Herz mitspielt………und die Ohren. Wer nicht hören will wird fühlen müssen. Um die Wahrheit lässt sich nicht würfeln. Man muss sie lieben.

  3. Geschätzter Herr Gerstenfeld,
    Ich hoffe und wünsche für Sie, dessen Presse-Arbeit ich seit Jahren schätze, dass Sie gesundheitlich wieder wohlauf sind. Alles erdenkbar Liebe!
    Lisa Setz, Graz

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