Der Halimi-Mord und Frankreichs geistige Gesundheit

Manfred Gerstenfeld und Irena Kuruc (direkt vom Autor)

Am 4. April 2017 wurde die 66-jähirge Jüdin Sarah Halimi von dem 27 Jahre alten Kada Traoré ermordet. Er brach mitten in der Nacht in ihre Wohnung ein. Traoré folterte Halimi und warf sie hinterher aus dem Fenster ihrer Wohnung im vierten Obergeschoss im Viertel Belleville im nördlichen Paris.

Zeugen hörten, wie Traoré, ein Muslim afrikanischer Herkunft, „Allahu Akbar“ (Allah ist größer) brüllte, während er sein Verbrechen beging.[1] Traoré hatte Halimi gegenüber in der Vergangenheit schon viele antisemitische Äußerungen getätigt; dabei bezeichnete er sie und ihre Verwandten als „dreckige Juden“.[2] Die Behörden versuchten den antisemitischen Charakter des Mordes herunterzuspielen.[3] Sie behaupteten, der Mörder sei geistig krank, obwohl er keine derartige Geschichte hat. Die Mainstream-Medien ignorierten dieses religiös motivierte Verbrechen.

Gilles-Willam Goldnadel, ein Anwalt, der Halimis Familie vertritt, verurteilte, was er „die ‚systematische Psychiatrisierung‘ radikalislamisch-antisemitischer Morde“ nannte.[4] Am Anfang dieses Jahrhunderts hatte der französische Soziologe Shmuel Trigano bereits eine ähnliche Haltung der Behörden des Landes offengelegt.

Ende 2000 und Anfang 2001 gab es in Frankreich einen riesigen Ausbruch antisemitischer Gewalt. Fast alle Täter waren Immigranten aus muslimischen Ländern bzw. deren Nachkommen. Trigano berichtete, dass die antisemitische Gewalt von Presse wie Behörden weitgehend unberichtet blieb. Er fügte hinzu, es gab überzeugende Hinweise, dass die jüdische Gemeinschaft von der sozialistischen Regierung Jospin aufgefordert wurde der vermehrten antijüdischen Aggression keine große Öffentlichkeit zu geben. Als Grund wurde angeführt, das zu tun könnte die Lage anheizen. Die französische Regierung wollte einen damals schon illusorischen „sozialen Frieden“ bewahren.[5]

Der Ausdruck „sozialer Frieden“ ist in einem solchen Zusammenhang eine beschönigende Umschreibung für das Ignorieren oder Reinwaschen antisemitischer Aggression durch Muslime. Eine gerade durchgeführte Studie zu Antisemitismus in sieben europäischen Ländern kam zu dem Schluss: „Verfügbare Täterdaten legen nahe, dass in Westeuropa Einzelpersonen mit muslimischem Hintergrund unter den Tätern antisemitischer Gewalt herausstechen, anders als in Russland, wo rechtsextreme Täter vorherrschen. Untersuchungen zu Einstellungen bestätigen dieses Bild insofern, als antisemitische Haltungen bei Muslimen weit stärker verbreitet sind als in der der allgemeinen Bevölkerung Westeuropas.“[6]

Trigano erwähnte auch einen Fall des Versteckens der Wahrheit zu einem mit Ideologie verbundenen Mord ohne Bezug zu Juden: „2002 wurde der stellvertretende Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Beziers von einem Muslim ermordet. Die offizielle Geschichte lautete, dass der Mörder ein Geisteskranker war.“ Später beschuldigte der Bürgermeister der Stadt den Innenminister Daniel Vaillant, dieser habe der Stadtverwaltung diese Version aufgezwungen. Der Bürgermeister sagte, nach dem Mord kam Vaillant nach Beziers und unterbreitete die Geschichte des Geisteskranken als „offizielle Wahrheit“. Trigano fügte hinzu: „Später wurde bekannt, dass die französischen Geheimdienste entdeckt hatte, dass der Mörder mit Al-Qaida in Verbindung stand.“[7]

2003 wurde der jüdische Discjockey Sebastien Selam von seinem muslimischen Freund aus Kindertagen und Nachbarn Adel Amastaibou getötet. Medizinische Experten befanden den Mörder für geistesgestört. Als die Richter diese Schlussfolgerung akzeptierten, verhinderte der Befund ein Gerichtsverfahren, in dem Antisemitismus in beträchtlichen Teilen der französisch-muslimischen Gemeinschaft hätte diskutiert werden können.

Richard Prasquier, damals Vorsitzender der Dachorganisation der französischen Juden CRIF, verfolgte den Fall. Er sagte, es sei skandalös, dass Amastaibou in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert wurde, er aber die Erlaubnis hatte deren Gelände an Wochenenden zu verlassen. Prasquier sagte: „Die Ärzte glaubten, es wäre gut für seine psychische Verfassung nach Hause zurückzukehren, zogen aber nie die Gesundheit und Sicherheit der Familie des Opfers, der Familie Selam, in Betracht.“[8]

2006 wurde der junge Jude Ilan Halimi entführt und 24 Tage lang gefoltert, bevor er getötet wurde. Seine Entführer, angeführt von Youssouf Fofana, nannten sich die „Barbaren-Bande“. Als 2009 sein Verfahren begann, rief Fofana „Allahu Akbar“. Als seine Identität gab er „arabisch-afrikanischer Aufstand der barbarisch-salafistischen Armee“ an.[9]

2012 tötete Mohammed Merah, ein französischer Muslim algerischer Herkunft, vor ihrer Schule Otzar Hatorah in Toulouse einen jüdischen Lehrer und drei Kinder. Etwas zuvor im selben Monat hatte er drei französische Soldaten ermordet. Später veröffentlichte sein Bruder Abdelghani Merah ein Buch, in dem er beschrieb, dass ihre Eltern sie zu fanatischen Antisemiten erzogen hatten. Er schrieb, seine Schwester Souad und sein Bruder Abdelkader seien ebenfalls extreme Antisemiten.[10] Als Mohammed Merah bei einem Schusswechsel mit der französischen Polizei getötet wurde, gab es keinen konkreten Grund ihn für geisteskrank zu erklären.[11]

2015 ermordete der afrikanische Muslim Amedy Coulibaly im Pariser Supermarkt Hyper Cacher vier Juden. Er wurde später von Sicherheitskräften getötet.[12]

Eines hat sich allerdings geändert: Anders als zu Beginn dieses Jahrhunderts schweigen die Juden nicht länger. Im Viertel Belleville fand ein Marsch zum Protest gegen das Schweigen der Medien statt.[13] Eine Reihe Intellektueller, einige von ihnen Nichtjuden, veröffentlichte eine Erklärung zum antisemitischen Wesen des Mordes an Halimi.[14]

CRIF-Präsident Francis Kalifat veröffentlichte ein Op-Ed im Figaro, in dem er schrieb: „Es gibt Beweise dafür, dass dies ein Paradebeispiel für einen antisemitischen Mord ist. Dieses abscheuliche Verbrechen ist nicht als das anerkannt worden, was es ist.“ Er fügte hinzu, dass Halimi „aus dem absolut einzigen Grund ermordet wurde, dass sie Jüdin war“. Kalifat schrieb auch, dass er weiterhin Druck auf die Behörden ausüben werde, bis die Wahrheit ans Licht kommt.[15]

Frankreich ist das Land mit der zahlenmäßig und prozentual größten Anzahl an Muslimen in Westeuropa. Eine weithin zitierte Pew-Studie aus dem Jahr 2010 schätzt, dass Frankreich 4,7 Millionen Muslime hat. Bei einem Bevölkerungsanteil von 7,5 Prozent bedeutet das, dass das Land die größte muslimische Bevölkerung in Westeuropa hat.[16] Viele französische Juden erkennen, dass sich die wichtigsten antisemitischen Probleme, denen sie in Frankreich begegnen, durch eine Kombination aus dem Hass und der Aggression seitens eines großen Teils der muslimischen Präsenz mit dem fehlenden Willen der Behörden sich der Wahrheit zu stellen ergeben. Damit handelt es sich für das französische Judentum eher um strukturelle als um zufällige Probleme.[17]

Es gibt im Land 751 Gebiete, die von den Franzosen als „sensitive städtische Zonen“ bezeichnet werden.[18] Ein Teil davon sollte besser „No-Go-Areas“ genannt werden. Trigano sagte damals, dass Antisemitismus ein Barometer zum Messen der Perversität der französischen Gesellschaft ist.[19] Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat versprochen in Frankreich viel zu verändern. Was er sagt ist ambitioniert. Angesichts des Mordes an Halimi und dem, was danach kam, könnte sich Macron auch einige Gedanken über die geistige Gesundheit Frankreichs machen.

[1] www.liberation.fr/france/2017/06/06/meurtre-sauvage-a-paris-demence-ou-antisemitisme_1574941; www.gatestoneinstitute.org/10513/france-islamic-antisemitism

[2] www.lefigaro.fr/vox/politique/2017/05/22/31001-20170522ARTFIG00202-g-w-goldnadel-ce-que-revele-l-indifference-vis-a-vis-de-la-mort-de-sarah-halimi.php

[3] www.jpost.com/Diaspora/French-intellectuals-decry-cover-up-of-Jews-slaying-by-Muslim-neighbor-496393

[4] www.jpost.com/Jerusalem-Report/In-a-state-of-fear-492154

[5] http://www.jcpa.org/phas/phas-26.htm

[6] http://www.hlsenteret.no/publikasjoner/digitale-hefter/antisemittisk-vold-i-europa_engelsk_endelig-versjon.pdf

[7] http://www.jcpa.org/phas/phas-26.htm

[8] http://www.jpost.com/Magazine/Features/Two-sons-of-France-166298

[9] http://www.dailymail.co.uk/news/article-1175046/Trial-begins-French-gang-barbarians-accused-killing-young-Jew-24-day-torture.html

[10] http://www.independent.co.uk/news/world/europe/how-my-hate-filled-family-spawned-merah-the-monster-8307341.html

[11] http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/france/9157126/Toulouse-siege-as-it-happened.html

[12] www.lemonde.fr/police-justice/article/2015/11/07/attentats-de-paris-les-messages-du-commanditaire-au-tueur-de-l-hyper-cacher_4805099_1653578.html

[13] http://www.lefigaro.fr/actualite-france/2017/04/09/01016-20170409ARTFIG00193-marche-blanche-a-paris-en-hommage-a-une-femme-defenestree-par-un-voisin.php

[14] www.lefigaro.fr/vox/societe/2017/06/01/31003-20170601ARTFIG00316-l-appel-de-16-intellectuels-que-la-verite-soit-dite-sur-le-meurtre-de-sarah-halimi.php

[15] www.lefigaro.fr/vox/societe/2017/06/25/31003-20170625ARTFIG00156-francis-kalifat-pour-sarah-halimi-je-ne-me-tairai-pas.php

[16] www.pewresearch.org/fact-tank/2016/07/19/5-facts-about-the-muslim-population-in-europe/

[17] www.jpost.com/Opinion/The-structural-uneasiness-of-French-Jews-494417

[18] http://sig.ville.gouv.fr/Atlas/ZUS/

[19] http://www.jcpa.org/phas/phas-26.htm