Die PLO-Charta wurde nie aufgehoben

MEMRI, 21. Februar 2024

Weithin wird davon ausgegangen, dass die PLO im April 1966 ihre berüchtigte Charta aufgehoben hat, die die Liquidierung Israels fordert. Diese Überzeugung gründet auf einer Erklärung des PLO-Vorsitzenden Yassir Arafat in seinem Brief vom 9. September 1993 an den damaligen israelischen Premierminister Yitzhak Rabin: „Die PLO bestätigt, dass diejenigen Artikel der Palästinenser-Charta, die Israels Existenzrecht bestreiten, […] unwirksam und nicht länger gültig sind. Folglich wird die PLO dem Palästinensischen Nationalrat [PNC] die notwendigen Veränderungen an der Palästinenser-Charta zur formellen Genehmigung vor.“ Fakt ist jedoch, dass diese entscheidende Verpflichtung nie vollzogen wurde. Um die Kluft zwischen dem falschen Eindruck und den Fakten zu verstehen, müssen wir einen Blick zurück in diese Tage werfen und sehen, was genau geschah.

Es war Mittwoch, der 24. April 1996, Israels Unabhängigkeitstag. Tausende Gäste waren zum traditionellen Empfang auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv versammelt. Gleichzeitig wurden hunderte Mitglieder des Palästinensischen Nationalrats zu einer Sitzung einberufen, bei der die Artikel der Charta, die die Vernichtung Israels fordern, abgeschafft werden sollten (ein Schritt, der eine Zweidrittelmehrheit erfordert). Ein weiteres bedeutendes Ereignis waren die vorgezogenen Knessetwahlen, die für Mai angesetzt waren; das war von der Avoda (Arbeitspartei) veranlasst worden und die Veränderung der PLO-Charta war für den Wahlsieg der Partei wichtig. Das war inzwischen sogar entscheidend geworden, weil die Israelis seit mehreren Monaten trotz der drei Jahre zuvor unterzeichneten Oslo-Vereinbarungen furchtbare Selbstmord-Bombenanschläge erlebten, die Dutzende Opfer forderten.

Die PLO-Führung hatte die Erfüllung der Verpflichtung Arafats aus seinem Brief an Rabin vom September 1993 wiederholt aufgeschoben, aber unter diesen besonderen Umständen war die Zeit das zu tun endlich gekommen. Was die israelische Führung angeht, so wollte sie nach ihren schmerzlichen Erfahrung mit Arafats gebrochenen Versprechen verständlicherweise kein Risiko eingehen: Sie hatte Arafat Wort für Wort den erforderlichen Wortlaut der PNC-Resolution diktiert. Allerdings unterrichtete Arafat zwei Tage vor der PNC-Sitzung Premierminister Shimon Peres, dass das nicht funktionieren würde – der vereinbarte Text würde nicht von der erforderlichen Mehrheit des PNC unterstützt werden. Ohne zu zögern wurde ein neuer, milderer Text vorbereitet und Arafat  und die israelische Regierung stimmten zu. Wir erfuhren von diesem Manöver erst zwei Jahre später, als es von Yoel Zinger, dem Rechtsberater des israelischen Außenministers, veröffentlicht wurde, der zu denen gehörte, die die der PLO diktierten Resolution formulierten (s. „The Truth About the Covenant“, Ma’ariv, 19. Juni 1998,  hebräisch). Im Glauben, die Sache sei beendet, warteten die Regierungsvertreter in Tel Aviv auf die erwartete Note aus Gaza. In dem Moment, in dem sie eintraf, wurde die gute Nachricht vom Premierminister mit viel Tamtam verkündet: „Das ist das wichtigste ideologische Ereignis in der Geschichte des Nahen Ostens der letzten hundert Jahre.“

Das war es aber nicht. Es dauerte mehrere Stunden, bis die PLO-Presseagentur WAFA den offiziellen Text der PNC-Resolution auf Arabisch veröffentlichte. Yigal Carmon, bis 1993 der Berater für Terrorbekämpfung für die Premierminister Rabin und Schamir, schickte sie mir und später am Abend brachte ich den Text zu Professor Yehoschua Porat, einem führenden Experten für die palästinensische Nationalbewegung. Nachdem er ihn sorgfältig gelesen hatte, sagte er mir: „Das ist ein Schwindel.“

Und genau das war es. Arafat hatte wieder betrogen und die zweite Formulierung, der er zusammen mit der israelischen Regierung zugestimmt hatte, missachtet. Der Trick, den die PLO verwendet hatte, wird jedem Leser zweifellos vertraut sein, der jemals beschlossen hat mit dem Rauchen aufzuhören oder eine Diät zu machen und das nie wirklich machte. Die offizielle Äußerung des PNC erklärte: „Der PNC hat beschlossen die Artikel der palästinensischen Nationalcharta zu ergänzen […] und den Justizausschuss bevollmächtigt eine neue Charta zu formulieren.“ Der PNC hat lediglich „beschlossen die Charta zu ändern“, aber der Justizausschuss trat niemals zusammen und eine Änderung ist nie erfolgt. Der frühere Finanzminister Yoram Aridor merkte damals an: „Arafat respektiert keinerlei Vereinbarungen, aber er hat großen Respekt vor einer Charta.“

Die Farce erreichte ihren Höhepunkt, als die PLO-Führer in den Wochennach Verabschiedung dieser PNC-Resolution gefragt wurden, wie viele Artikel aus der Charta gestrichen würden. Haidar Abd al-Schaffi sagte zwei. Der PLO-Repräsentant in Washington DC sagte sechs. Nabil Scha’ath sagte, er sei nicht sicher: „Ich habe das Gefühl, die Zahl der gestrichenen Artikel ist sechzehn“, sagte er. Der PNC-Vorsitzende Salim Za’anun war nicht so vage. Drei wochennach der Sitzung des PNC erklärte er schlicht: „Es gibt noch keine konkreten Artikel, die wir beschlossen haben aus der Charta zu streichen.“

Sofort nach der PNC-Sitzung wurden all seine Beschlüsse in einer großen Werbeanzeige in der palästinensischen Presse veröffentlicht – mit Ausnahme der Resolution zur Palästinenser-Charta. Der Grund war einfach: Die israelische Regierung verstand, dass sie betrogen worden war, weigerte sich aber das zuzugeben und handelte daher eine neue Formulierung mit der PLO aus, die nachträglich in einem Brief von Arafat an Premierminister Peres aufgenommen werden sollte. Am 29. April 1996, fünf Tage nach der PNC-Sitzung, bei der die PLO-Charta „geändert“ worden war, verkündete der IDF-Geheimdienstchef in der Knesset, dass über die endgültige Formulierung der PNC-Resolution noch nicht entschieden worden war. Schließlich zeigte der israelische Druck Wirkung und statt der Originalversion „beschlossen zu ändern“ schrieb Arafat auf Englisch an den Premierminister, dass der PNC beschlossen hatte, die Charta sei „hiermit“ geändert, indem die Artikel gestrichen wurden, die den zwischen der PLO und der Regierung Israels am 9./10. September 1993 ausgetauscht wurden.“ Das Datum von Arafats Brief an die Regierung Israels, in dem die (falsche) Version der Resolution enthalten war, lautete 4. Mai 1996, zehn Tage nach der Sitzung des PNC.

Damit war das alles ein Schwindel, an dem beide Seiten beteiligt waren. Zwei Jahre später, im Januar 1998, führte Arafat in einem Brief an US-Präsident Bill Clinton 28 Artikel der PLO-Charta auf, die gestrichen oder geändert worden seien. Es sollte aber noch einmal betont werden, dass kein Artikel tatsächlich geändert worden war. Die ursprüngliche Charta war in ihrer boshaften Gesamtheit weiter gültig und daher wurde eine zweite Runde des PNC-Bluffs gebraucht. Die nächste große Show wurde ein Jahr später produziert, im Dezember 1998, als der PNC in Gaza zusammentrat, um – einmal mehr! – die giftigen Artikel der PLO-Charta zu streichen, diesmal in Anwesenheit von Präsident Bill Clinton. Der Saal war voller PNC-Mitglieder und vieler anderer. Die Abstimmung fand per Akklamation statt: Alle Anwesenden, die für die Abschaffung der Artikel waren, wurden aufgefordert die Hand zu haben – aber die erhobenen Hände wurden nicht einmal gezählt. 25 Jahre später ist eine Tatsache natürlich klar: Bis heute ist nie eine alternative Version für die mörderische PLO-Charta vorgelegt worden.

„Na und?“, könnte man fragen. Stimmt, das sind nur Worte, aber sie waren nicht trivial. Die PLO-Führung hat der PLO-Charta nie die Bosheit genommen. Die Tatsache, dass dieses Dokument, einschließlich seiner Botschaft, dass der jüdische Staat Israel dazu bestimmt ist unterzugehen, immer noch gültig ist, bedeutet sowohl den Widerwillen und die Unfähigkeit der PLO-Führung seine Haltung gegenüber Israel zu ändern. Ein Friedensvertrag zwischen zwei rivalisierenden Parteien muss einen bestimmten Artikel beinhalten, in dem die Seiten „ein Ende aller gegenseitigen Ansprüche“ erklären – aber die PLO kann und will ein solches Dokument nicht unterzeichnen. Für sie besteht das Ziel in der Gründung eines Palästinenserstaats, der sich „vom Fluss bis zum Meer“ erstreckt, womit der jüdische Staat eliminiert wird.

PA-Präsident Mahmud Abbas; der schlüsselförmige Anstecker an seinem Revers deutet seine Verpflichtung auf das „Rückkehrrecht“ palästinensischen Flüchtlinge nach Israel an (Bild: shuaanews.ps, 15. Mai 2023)

Ein effektives Mittel für die Verwirklichung dieses Plans ist die Umsetzung des „Rückkehrrechts“ für Millionen von Nachkommen palästinensisch-arabischer Flüchtlinge in ihre ursprünglichen Heime innerhalb des Staates Israel. Der kleine Schlüssel auf dem Revers des Vorsitzenden Mahmud Abbas betont seine Verpflichtung auf dieses Ziel. Monatliche Taschengelder an die Familien von mörderischen Terroristen zu zahlen ist eine weitere Möglichkeit diese Herangehensweise zu demonstrieren. Und weil sie es ablehnen ihre Charta zu verwerfen, kann die PLO nicht „erneuert“ werden, wie es von einigen Führungspolitikern erwartet wird. Damit sind alle Manöver die PLO zu zähmen nur pathetischer diplomatischer Unsinn und das politische Konzept der „Zweistaatenlösung“ ist eine Totgeburt.

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