Die traurige Wahrheit über den Antizionismus

Wenn er mit Antisemitismus kollidiert, ist das alles andere als Zufall

Ben Cohen, JNS.org, 15. März 2024

Ein Mensch hält ein Schild mit der Aufschrift: „Noch ein Jude gegen Zionismus, Kolonialismus, Apartheid, Besatzung, Völkermord“ bei einem Protest an der Alberta Legislatur in Edmonton (Kanada) am 18. Oktober 2023 (Foto: Jenari/Shutterstock.

Kollisionen passieren oft unabsichtlich. Mit jemandem zusammenzustoßen, während man eine geschäftige Straße entlanggeht, mit einem Auge auf dem Handy oder beim Rückwärtsfahren an einem geparkten Auto entlang zu schrammen sind Erfahrungen, die die meisten von uns hin und wieder gemacht haben. Und allgemein gesagt: Weil diese Erlebnisse Unfälle sind, könne vernünftige Leute im Nachhinein Verständnis dafür entwickeln.

Als ich am 11. März die Schlagzeile über einem Kommentar der Kolumnistin Michelle Goldberg in der New York Times sah – „Where Antisemitism und Antizionism Collide“ (Wo Antisemitismus und Antizionismus kollidieren) – machte ich mir daher Sorgen, dass Leser das Wort „kollidieren“ hier als Hinweis eines unabsichtlichen Unfall interpretieren, der die weithin verbreitete Ansicht bekräftigt, dass Antisemitismus zwar ein inakzeptables, untragbares Phänomen ist, Antizionismus aber eine legitime, moralisch fundierte Sichtweise, die es verdiene sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Hass auf den Zionismus ist kein unabhängiges Phänomen, das einfach gelegentlich mit Hass auf Juden kollidiert: Das würde auf einen unglücklichen Zufall hinauslaufen. Aber Antizionismus und Antisemitismus sind aufs Engste miteinander verbunden. Wie nichtidentische Zwillinge haben sie eine Handvoll einzigartiger Merkmale, aber grundsätzlich sind sie dasselbe. Hass auf den Zionismus ist ein natürlicher Auswuchs des Hasses auf Juden. Natürlich sehen all die, die sich als Antizionisten betrachten, das anders, aber der Grund dafür ist, dass ihnen die historische und intellektuelle Erdung fehlt diese Festlegung zu treffen. Wenn der Antizionismus mit dem Antisemitismus kollidiert, dann ist das alles andere als ein Zufall.

Goldberg, sollte gesagt werden, gehört nicht diese Truppe. Es gab viel, worin man mit ihrem Text nicht einverstanden sein kann, aber ich respektierte ihre Offenheit einzugestehen, dass sie als säkulare Jüdin, „die das große Privileg eines amerikanischen Reisepasses“ genießt, keine sonderliche persönliche Verbindung zum Staat Israel empfindet. Was sie begreift, ist, dass der Kern der Fixierung des Antizionismus – und besonders sein Ziel den jüdischen Staat aufzulösen und ihn durch einen arabischen „vom Fluss bis zum Meer“ zu ersetzen – in den Ohren der überwiegenden Mehrheit der Juden Amerikas und weltweit unharmonisch antisemitisch klingt.

„Ich kann es Juden nicht vorwerfen, wenn sie in der zunehmenden Dämonisierung des Zionismus die Wiederholung einer alten und furchterregenden Geschichte sehen“, schrieb sie. „Immerhin ist Antizionismus nicht immer Antisemitismus, aber manchmal ist er es. Und im Moment scheinen einige Gegner Israels beweisen zu wollen, dass die jüdische Mainstream-Gemeinschaft recht hat aus ihnen eins zu machen.“

Diese Äußerung ist vom Grundsatz her richtig, aber sie sie drückt nicht die tiefergehende, zugrundeliegende Wahrheit aus, die Goldbergs Text grundlegend unbefriedigend macht.

Ich habe früher schon Kolumnen über das geschrieben, was ich als entscheidenden Unterschied zwischen „Anti-Zionismus“ mit Bindestrich und „Antizionismus“ ohne betrachte. In historischen Begriffen war „Anti-Zionismus“ ein Phänomen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, das sch die Loyalität vieler Juden sicherte, die fälschlich, aber ehrlich glaubten, ein eigener jüdischer Staat sei nicht die Antwort auf Jahrhunderte der Judenverfolgung. Nicht alle frühen Generationen der Anti-Zionisten waren frei von Antisemitismus – das bolschewistische Verbot zionistischer Organisationen und Hebräisch zu lernen nach der Russischen Revolution waren z.B. klar antisemitisch – aber es gab eine größere Bereitschaft den Zionismus auf Grundlage seines Anspruchs zu kritisieren die nationale Befreiungsbewegung des jüdischen Volks zu sein und weniger der Verlass auf die Verschwörungstheorien und kruden Sprachbilder, die heute in sozialen Medien als Kritik durchgehen.

„Antizionismus“ ohne den Bindestrich bedeutet hingegen eine neue und weit gefährlichere Phase. Zu ihm gehört im Wesentlichen das Zerreißen einer komplexen Realität zugunsten einer ideologisch bornierten, unversöhnlichen Karikatur dessen, was der Zionismus eigentlich ist.

Die heutigen „Antizionisten“ haben ihren Hass auf Israels souveräne Existenz zum Schwerpunkt ihres Antisemitismus gemacht, der dann unkompliziert ältere Themen in ihren Diskurs importiert – Juden als den Ländern gegenüber illoyal, in denen sie Bürger sind; Juden, die an gut finanzierten Verschwörungen beteiligt sind, um die bösartigen Auswirkungen ihres Tuns zu verschleiern. Das erklärt, wie Goldberg zu erkennen scheint, dass ein Lyft-Fahrer in San Francisco dazu bewegt sein kann einen Fahrgast ins Gesicht zu boxen, als er erkennt, dass dieser ein Jude aus Israel ist; oder wieso ein Literatur-Magazin in Brooklyn abrupt einen Aufsatz über Israel entfernt und seinen jüdischen Autor einzig deshalb kündigt, weil ein fanatischer Mob Druck macht.

Das andere übergreifende Problem, das Goldberg umtreibt, ist die ungelöste Palästina-Frage. Sie begreift wieder richtig, dass ein binationaler Staat ein Hirngespinst ist; sie argumentiert, wenn die wallonischen und flämischen Nationalitäten in Belgien nicht miteinander auskommen, wie sollten Israelis und Palästinenser das dann können? Aber anscheinend ist sie nicht in der Lage wahrzunehmen, dass die palästinensische Version dessen, wie ein solcher Staat für seine jüdischen Bürger aussehen würde, am 7. Oktober letzten Jahres vorgeführt wurde, als Hamas-Terroristen ein bestialisches Pogrom an wehrlosen Israelis ausführten und Meinungsumfragen bei gewöhnlichen Palästinensern unmittelbar danach überwältigende Unterstützung solcher Gräueltaten zeigten. Das machte die Vorstellung eines binationalen Staats zur Farce. Vom Fluss bis zu Meer wird ein „freies“ Palästina ein Ort sein, an dem Juden als Auftakt zu ihrer letztlichen Vertreibung oder sogar Auslöschung brutal unterjocht werden. Der Strom an Äußerungen palästinensischer Politiker – nicht nur der Hamas, sondern auch der Fatah und besonders von PA-Chef Mahmud Abbas – die Israel als kolonialen Eindringling, den Holocaust als Fälschung und das Pogrom vom 7. Oktober als Akt noblen Widerstands beschreiben, sind hierfür Beweis genug.

Diese üble Realität einzugestehen, das stimmt, bedeutet nicht automatisch, dass die Palästinenserfrage human gelöst werden kann. Und für die meisten Israelis hat das offen gesagt derzeit keine Priorität, weil sie verständlicherweise mehr damit beschäftigt sind einen weiteren 7. Oktober zu verhindern. Wenn dieser Ausgang über eine politische Lösung erreicht werden könnte, dann würden nur wenige widersprechen. Aber eine solche Lösung ist nur möglich, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden: Erstens müssen die Palästinenser die Israelis als menschliche Wesen mit dem Recht auf Selbstbestimmung in ihrer historischen Heimat anerkennen; und zweitens muss sich jede Lösung auf die physische Trennung der beiden Völker konzentrieren, statt auf Versuche sie näher zusammenzubringen.

Für amerikanische Linke und Progressive, viele davon Juden, ist ein solcher Standpunkt gelinde gesagt widerwärtig und misstönend. Für Israelis hingegen ist das buchstäblich eine Sache des Überlebens. Hört auf uns zu töten, lasst uns in Frieden leben, sagen sie, und unsere Waffen werden schweigen und wir machen einen Deal. Das ist die Botschaft, die zu hören die Palästinenser sich weigern, größtenteils, weil ihre politische Kultur von Antisemitismus durchtränkt ist. Solange die Außenwelt sie diesbezüglich besänftigt, wird sich nichts zum Besseren verändern.

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