Die Frage ist nicht eine des Mitgefühls für die Familien – sondern der Effektivität. Wenn wir die Hilfe jetzt einstellen, könnten Gazaner die Hamas-Hochburgen stürmen und die Geiseln befreien. Ich werde den Gazaner-Protesten glauben, wenn sie in Massen in die Tunnel rennen und unsere Geiseln herausbringen.
Rabbi Steven Pruzansky, Israel National News, 30. Januar 2024
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Niemand sollte nörgeln am Aktivismus der Familien der Geiseln herum. Das ist eine klassische Anwendung von „al tadin et chavercha ad sche’tagi’a limkomo“, richte deinen Freund nicht, bis du an seiner Stelle stehst (Avot 2,4). Der erste Horror der brutalen, unmenschlichen Hamas-Invasion, erschwert durch den anhaltenden Horror der Gefangenschaft selbst, die Ungewissheit, die Angst, und die schlechte Behandlung, brechen uns das Herz und stärken unsere Willen diesen niederträchtigen Feind zu vernichten.
Natürlich haben nicht alle Familien der Geiseln auf dieselbe Weise reagiert und die Antwort, wie sollte es anders sein, ist nicht einheitlich. Diejenigen, die das nationale Interesse über ihren persönlichen Schmerz gestellt haben, haben auch unseren Respekt und Bewunderung. Aber wir können niemanden von ihnen richten, beten, dass wir uns nie in dieser Lage befinden werden, und Empathie mit ihrem Bedürfnis zeigen zu protestieren, zu demonstrieren und das Schicksal ihrer Lieben und unserer Bürger im Auge der Öffentlichkeit halten. Sie sollten das Gefühl haben, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun.
Ihr Trauma ist unser Trauma und es ist richtig und angemessen, dass Besucher Israels am Flughafen mit Bildern der Geiseln begrüßt werden, so wie Fußgänger auf unseren Straßen.
Daher ist es dann keine Frage von richtig oder Anstand – sondern der Effektivität. Helfen oder schaden die Kampagnen und Störungen? Die Freilassung der Geiseln beschleunigen oder verzögern? Haben sie überhaupt irgendwelchen Einfluss auf ihre Geiselnehmer? Es ist klar, dass unser bösartiger Feind Hamas – und all jene, die unsere Vernichtung anstreben – Entführungen und andere rücksichtslose Taktiken als psychologische Folter einsetzen, im Wissen, wie wir Leben schätzen und nichts mehr wollen, als in der Lage zu sein ein sinnvolles, zielgerichtetes und glückliches Leben führen zu können.
Ermutigen wir ungewollt die Hamas in ihrer sadistischen Grausamkeit, wenn wir die Verzweiflung zeigen, die implizit in den Aufrufen zur Freilassung der Geiseln „um jeden Preis“ enthalten ist?
Machen die Kundgebungen und Forderungen ihre Freilassung weniger wahrscheinlich, kostspieliger und zukünftige Geiselnahmen wahrscheinlicher?
Wenn eine Taktik funktioniert, dann wird sie zwangsläufig wiederholt werden, bis sie nicht mehr funktioniert. Methoden anzuwenden, die kontraproduktiv sind, schadet der Sache und gefährdet unsere Zukunft, besonders in diesem Teil der Welt, wo die westlichen Normen der Zivilisation von unseren Feinden als Schwäche wahrgenommen werden.
Die Hamas weiß, wie sie unsere Anständigkeit und Liebe zum Leben als Waffe gegen uns einsetzen können. Es ist fehlgleitet zu glauben, dass unsere Regierung irgendwie und aus irgendeinem Grund das Schicksal der Geiseln nicht kümmert und sie nicht alles tut, was sie kann, um ihre Freiheit sicherzustellen. Diesbezüglich gibt es nichts weniger hilfreich als schrille Forderungen nach ihrer Freilassung „JETZT“ oder „um jeden Preis“. Das ist ein Preis, den wir alle bezahlen werden.
Der Appell „Bring them home NOW“ (Holt sie sofort nach Hause) hat das schwache Echo ähnlicher Appelle der jüngeren Vergangenheit um ein bewundernswertes Ziel, das seine Befürworter JETZT erreichen wollen. „Peace Now“ sticht als besonders unerhörtes Beispiel dafür heraus, wie man Vorsicht über Bord wirft und unser Heimatland und seine Sicherheit aufgrund mangelnder Besonnenheit oder Geduld gefährdet.
Man kann „Peace Now“ unter anderen abscheulichen Ergebnissen die Tatsache zuschreiben, dass Israel keine Souveränität über die Halbinsel Sinai hat, was letztlich zuließ, dass das Gebiet der Kanal für den Schmuggel von schweren Waffen über Land und durch Tunnel in den Gazastreifen wurde. Seine ideologischen Nachfolger erzwangen im Jahr 2000 Israels hastigen Rückzug aus dem Südlibanon, von wo wir jetzt wieder unter den Raubzügen der Hisbollah leiden. Selbst die tollkühne und selbstzerstörerische Kapitulation des Gusch Katif war ein Ergebnis des unangebrachten Wunsches Ergebnisse, sogar Frieden „jetzt“ zu bekommen.
Wir sollten den Forderungen nach etwas Drastischem immer skeptisch gegenüber stehen, das dessen Befürworter jetzt wollen, ohne über die langfristigen Konsequenzen des zu zahlenden Preises nachzudenken. (Peace Now besteht tatsächlich immer noch darauf die Zweistaaten-Illusion zu verfolgen.)
Das Herz zwingt uns auf der Seite der trauernden Familien zu stehen. Der Kopf sagt uns, dass die Adresse ihrer berechtigten Beschwerden weniger unsere Regierung ist, sondern die Hamas, die internationale Gemeinschaft und all jene, die mehr um das Schicksal der Zivilisten im Gazastreifen besorgt sind, als um das Schicksal unserer Geiseln. Wir sollten natürlich Aufrufe zurückweisen den Feind-Zivilisten humanitäre Hilfe zu liefern, solange unserer Zivilisten unter entsetzlichen Umständen illegal eingekerkert sind oder solange weiter Raketen auf unser Volk geschossen werden.
Wir sollten die Ergreifung von Geiseln als Teil von Krieg nicht normalisieren, selbst wenn diese List in arabischen Kriegen überall in der Region wiederholt eingesetzt wurde. Die Wahrheit ist, dass unsere Geiseln unschuldiger sind als Gaza-Zivilisten und es ist höchste Zeit, dass wir diese Wahrheit entschlossen verbreiten.
Noch schlimmer als das Ultimatum JETZT ist die Forderung nach ihrer Freilassung „um jeden Preis“, die vor kurzem ein ehemaliger Knesset-Präsident brüllte. Das ist widerlicher Populismus der schlimmsten Art und von Natur aus unseriös. Um jeden Preis? Wären sie bereit sich selbst gegen die Geiseln zu tauschen? Das ist ein Preis. Würde er zustimmen die Kotel an die Hamas zu geben, die Hamas-Flagge permanent über der Knesset wehen zu lassen, den Staat Israel abzuschaffen, um damit die Geiseln freizutauschen? Auch das sind Preise.
Das ist nicht nur unseriös; es ist auch zutiefst töricht. Ein Unterhändler, der anbietet für sein geschätztes Ziel „jeden Preis“ zu zahlen, treibt diesen Preis in die Höhe, immer und immer und immer weiter, bis der Unterhändler die Dummheit des Angebots erkennt oder den selbstzerstörerischen Preis zahlt.
Und kein Preis hat sich als zerstörerischer für jüdisches Leben im Land Israel erwiesen als Tausch mörderischer Terroristen gegen unschuldige Juden. Auch das ist ein Preis, den wir heute für die Torheit der Vergangenheit zahlen – ein hoher und bitterer. Die Freilassung des verfluchten Sinwar mit mehr als tausend anderen Terroristen im Shalit-Deal sollte jede zurechnungsfähige Nation dazu bringen diese Herangehensweise an Geisel-Verhandlungen zu überdenken. Diese Deals haben buchstäblich weitere Geiselnahmen und den Verlust weiteren jüdischen Lebens ausgelöst. Die Hamas zu besiegen ist inkompatibel damit Hamas-Terroristen zurück in die Gesellschaft zu lassen. Das stärkt die Hamas nur, bekräftigt, dass sich Verbrechen an Juden bezahlt machen und ermutigt zur nächsten Runde.
Wie wir gesehen haben, gibt es keine einfache und bequeme Möglichkeit die Hamas zu besiegen und gleichzeitig die Geiseln zu befreien. Unsere Regierung kann für vieles kritisiert werden, aber ich glaube nicht, dass wir ihre aktuellen Bemühungen die Freilassung der Geiseln sicherzustellen bemängeln können. Wir haben es mit einem teuflischen Feind zu tun. Das Mindeste, was wir tun sollten, ist das Leben der Gazaner elend zu machen wie das Leben unserer Geiseln. Es riecht nicht, dass sie – endlich – gegen die Hamas protestieren und es fraglich, ob diese Proteste überhaupt aufrichtig und nicht von der Hamas inszeniert sind. Ich werde mehr von ihrer Ernsthaftigkeit überzeugt sein, wenn sie in Massen in die Tunnel rennen und mit unseren Geiseln herauskommen. Sicher werden viele von ihnen wissen, wo die Hamas die Geiseln festhält.
Dem Gazastreifen Hilfe zu liefern könnte der größte Fehler seit dem Beginn des Krieges sein; das sollte eingestellt werden, jetzt, und betroffene Gazaner sollten die Hamas-Festungen stürmen und die Geiseln befreien.
Wenn es einen Preis gibt, den wir in diesen gefahrvollen Zeiten bezahlen sollten, dann ist es dieser. Er ist ein erfreulicher und bereichernder: Nennen Sie es die kernspirituelle Option. Der Talmud (Shabbat 118b) erklärt, dass Rabbi Yochanan im Namen von Rabbi Schimon ben Yohai sagte: „Würde das jüdische Volk doch nur zwei Sabbate getreu ihrer Halachot einhalten, dann würde es auf der Stelle erlöst.“
Was für ein schöner und adelnder Preis! Zwei Sabbate, denn während einer eine besondere Erfahrung ist, sind zwei eine Hingabe. Stellen Sie sich vor, jeder Jude in Israel würde sich verpflichten zwei Sabbate entsprechend der Halacha einzuhalten. Ja, das wäre revolutionär – kein Fernsehen oder Radio, keine Theater oder Strände, keine Kneipen oder Nichtclubs, keine Telefone, keine SMS-Nachrichten, kein Shopping, keine Autos und keine Busse. Stattdessen zwei Sabbate, die mit Kerzen anzünden Zuhause beginnen und zu denen öffentliches Gebet und Thora-Studium gehören, Kiddusch, Mahlzeiten mit unseren Familien und Freunden, unseren Kindern und Enkeln, Gesprächen über das Leben, Werte, Sinn, Gott, Erlösung und Heiligkeit und die Einzigartigkeit des jüdischen Volks.
Wir könnten über unsere Geschichte nachdenken, über die uns von Gott geschenkten Gaben und die Herausforderungen, denen wir in jeder Generation gegenüber stehen. Wir könnten unseren Platz in der Geschichte verstehen, warum unsere Feinde auf ihrem Hass beharren, und wie man sie überwinden kann, wie wir es immer gemacht haben. Wir können darüber sprechen, was Gott von uns will, nachdem er uns nach einem langen Exil in das uns verheißene Land zurückgebracht hat.
Wenn wir das machen – und wir können es und sollten es – dann wird uns gelehrt, dass wir „auf der Stelle gerettet“ wären, mit allem, was das für unsere derzeitige missliche Lage mit sich bringt. Wenn wir diese Erklärung, die die Juden fast zwei Jahrtausende gequält haben, auf die Probe stellen würden! Zwei Sabbate, die von jedem Juden in Israel komplett eingehalten werden, mit der einzigen Ausnahme des Sicherheitsapparats und anderer unerlässlicher Dienste (z.B. medizinischen), die ebenfalls den Sabbat einhalten, allerdings auf andere Weise. Was wäre das für eine einende und erhebende Erfahrung – und sie erfordert, dass jeder Jude mitmacht.
Schließt „jeder Preis“ etwas ein, das tatsächlich funktionieren könnte und das unsere Gesellschaft zum Besseren verändern könnte? Oder geht es nur um Zugeständnisse, die uns weniger sicher machen? Oder begnügen wir uns damit, uns nur auf leere Gesten einzulassen?
Wir leben in ernsten Zeiten. Lasst die Organisatoren ans Werk gehen. Wir sollten es versuchen – und ich wage zu sagen, wir sollten es JETZT versuchen.
Rabbi Steven Pruzansky, Esq. war Kanzelrabbiner und Anwalt in den Vereinigten Staaten und lebt heute in Israel, wo er als Vizepräsident der Region Israel der Koalition für jüdische Werte und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Jerusalem Center for Applied Policy fungiert.