Der Diskurs um die amerikanische Besessenheit hier, im Herzen des Landes, einen Palästinenserstaat zu gründen, konzentriert sich komplett auf Sicherheit, auf Hamastan B, auf die Raketengefahr, darauf, dass die PA sich gegen Israel wendet. Kein Wort über das Land Israel, über unsere Verbindung zu Regionen des Landes, die unsere Heimat sind, die Wiege der jüdischen Geschichte und Identität.
Nadav Shragai, Israel HaYom, 3. Februar 2024
Plötzlich ist es weniger angenehm für uns, über das Land Israel zu reden. Plötzlich ist es uns unangenehm die „Sonderlinge“ in Naomi Schemers Lied zu sein, die nachts in ihren Betten „den lauten Klang einer großen Glocke hörten: Das Land Israel gehört dem Volk Israel.“ Die Diskussion um die amerikanische Obsession jetzt und hier, im Herzen des Landes, einen Palästinenserstaat zu gründen, konzentriert sich einzig auf Sicherheit, ein Hamastan B, auf die Gefahr der Raketen, auf die Palästinensische Autonomiebehörde, die sich gegen Israel kehrt, auf das Übel und die Boshaftigkeit, die fünf Minuten entfernt von Kfar Saba und sieben Minuten von Netanya lauern; um die existenziellen Gefahren, die ein solcher Staat über uns bringen würde.
Es wird eine Menge Unsinn dazu erzählt, ob, wann und unter welchen Umständen das trotz allem möglich wäre. Die Botschaft all dessen ist, einfach ausgedrückt: Wenn man uns überzeugen kann, dass wir hier in Frieden leben können und dass die Umstände geschaffen werden können, die uns garantierte Sicherheit geben würde, dann würde ein Palästinenserstaat in der Westbank etwas Akzeptables sein und wir werden dem zustimmen.
Kein Wort zum Land Israel, zu unserer Verbindung zu den Regionen des Landes, die Heimat sind, die Wiege der jüdischen Geschichte und Identität. Kein Wort zur Bibel, über unseren Auftrag zum Land Israel oder über Überlieferung und historische Gerechtigkeit. Wir verzichten sogar darauf die halbe Million Juden anzuführen, die derzeit in der Westbank leben. Es gibt keine „israelische Option“ mehr. Der Diskurs um Rechte scheint gelöscht zu sein und unser Sprachgebrauch ist arm und begrenzt, zögerlich und entschuldigend. Nur die Sprache der Sicherheit hat sich in unserem Diskurs durchgesetzt.
Möglicherweise ist es heute, nach dem von den neuen Nazis im Gazastreifen begangenen Massaker, leichter der Welt unser Anliegen vorzutragen, wenn wir uns auf Sicherheitsfragen konzentrieren. Vielleicht wäre über Rechte zu sprechen zu sentimental, unzusammenhängend, archaisch und veraltet – aber der Mensch lebt nicht allein von Sicherheit im Land Israel. Das ist hier nicht unsere gesamte Geschichte. Wir können auch an anderen Orten der Welt sicher leben.
Unsere grundlegende Geschichte, die der Sicherheit vorausgeht, ist hier eine andere: Selbst bevor das Land zu einer Zuflucht für vor Pogromen, Hass und dem Holocaust Flüchtende wurde, was es ein Land des Schicksals. Wir mögen heute aufgrund von Macht hier sein, aber selbst davor – aufgrund der Macht der Rechte. Sicherheit ist wichtiger als alles andere, aber sie ist nur ein Mittel zur Umsetzung des Rechts, genau hier zu leben und das „genau hier“ beschränkt sich nicht auf das Offensichtliche, auf den Heimatort. Es geht viel weiter und tiefer als die heimische Bindung, die sonst irgendwo auf der Welt existiert. Das geht wie über „Ich bin hier geboren, meine Kinder sind hier geboren“ hinaus.
Vor fast fünf Jahrzehnten argumentierte, ganz so wie heute, eine Gruppe berühmter Generäle, pensionierter Armeeangehöriger, kategorisch, die Siedlungen in Judäa und Samaria hätten keinerlei Sicherheitswert. Am nächsten Tag veröffentlichte das Sprachrohr der Gewerkschaft Histadrut, „Davar“, die Antwort von Unteroffizierin (a.D.) Naomi Sapir, militärische Identifikationsnummer 250567. Sapir, besser bekannt als Naomi Schemer, wies die Generäle zurecht:
„Kvutzat Kinneret (Schemers Geburtsort) hat keinen Sicherheitswert, nur zionistischen Wert“, hielt die Dichterin fest. „Als der junge Ben-Zioni Israeli dort mit seinen zwei Kameraden vor langer Zeit eines Morgens am zweiten Tag des Cheschwan ankam, tat er das nicht aus Sicherheitsgründen, sondern nur aus zionistischen Gründen. Glücklicherweise gab es keinen ehemaligen General mit seiner Sicherheitsindoktrination, der ihm folgte. Der hätte bestimmt alle drei vertrieben und dann hätten wir nie eine IDF gehabt oder frühere Generäle, die solche Briefe schreiben können.“ Hadera, Ein Harod, Tel Adaschim und Karkur haben keinen Sicherheitswert, nur zionistischen Wert, betonte Unteroffizierin Schemer, „und dasselbe kann über Alon Moreh, Ariel und Kfar Etzion gesagt werden.“
„Das Grundprinzip“, an das Schemer glaubte und das heute so auffallend im Diskurs über den Palästinenserstaat fehlt, lautete, dass das Land Israel dem Volk Israel gehört. „Ein abstraktes Prinzip“, wie sie es definierte, „aber immer wahr, ungeachtet der Umstände oder zeitweiligen Kontrolle der Gebiete, ungeachtet des Wesens der vergänglichen Regierung oder wie viele Juden zu welcher Zeit auch immer im Land Israel leben.“ (Schemer an Ma’ariv, Dezember 1975)
Und das ist, wenn Sie so wollen, der ungeschriebene Bund zwischen dem Staat Israel und dem Land Israel, dem, der begann mit: „Gehe aus deinem Land… in das Land, das ich dir zeigen werde“ über „Wenn ich dich vergesse, O Jerusalem“ bis zur „Hatikva“, der 2000 Jahre alten Hoffnung. Selbst der Völkerbund erkannte diese genetische jüdische Verbundenheit zum Land vor 100 Jahren an; die „historische Verbindung des jüdischen Volks zum Palästina“, sein „Recht seine nationale Heimstatt in diesem Land wieder aufzubauen“ und das jüdische Recht „sich an jedem Punkt in West-Palästina zwischen dem Jordan und dem Meer niederzulassen“.
Der ganzen Aufregung um den Palästinenserstaat fehlt heute diese Grundlage. Wir werden mit Debatten über die Pros und Kontras eines solchen Gebildes überflutet und es gibt ausführliche Berichte, dass Frieden mit Saudi-Arabien unmittelbar bevorsteht, wenn wir nur einem solchen Staat zustimmen würden, aber wir haben es unterlassen eines zu diskutieren: Unsere Wurzeln und Rechte hier.
Die Palästinenser andererseits beschäftigen sich nur mit ihren Rechten. Sie schämen sich nicht die „Klumpen ihres Bodens“ zu küssen, ohne Ende zu ihrer Vergangenheit hier zu lügen, die Geschichte umzuschreiben und zu fälschen, uns zu hassen und zu töten.
Sicherheit ist wichtig, aber sie ist nicht das A und das O. Man kann einen international legitimen Anspruch auf Hebron oder auch die Gemeinden an der Gaza-Grenze und Sderot und Manara erheben und nicht einmal auf Beer Sheva, ohne die Vorväter und Vormütter und den Tempelberg und die Davidstadt, ohne das Rahelgrab auf dem Weg nach Efrat und die Patriarchenhöhle in Hebron und die Engel, die im Traum in Beit El die Jakobsleiter hinauf- und hinabstiegen.
Die Jünger von Wilna Gaon, die im frühen 19. Jahrhundert ins Land Israel immigrierten , und die jemenitischen Juden, die am Ende dieses Jahrhunderts nach Kfar HaSchiloach kamen, kamen nicht hierher, weil es sicher war, sonder trotz der Tatsache, dass es hier weniger sicher war. Die Pioniere, die Petach Tikva gründeten – „eine kleine jüdische Siedlung inmitten großer arabischer Dörfer in Osten und Norden und Süden“, wie Mosche Smilansky es in seinen frühen Tage beschrieb – beschäftigten sich nicht m Petach Tikvahs Beitrag zur militärischen Sicherheit. Auch David Ben-Gurion beschäftigte sich nicht damit, als er darauf bestand entlegene Siedlungen in den Bergen Jerusalems, dem Negev und Westgaliläa zu halten.
Die nationale Sicherheit beruht nicht nur auf militärische Sicherheitskomponenten. Sicherheit ist ein Mittel, das der jüdischen Existenz dienen soll und die Besiedlung des gesamten Landes Israel ist eine der deutlichsten Ausdrucksformen dafür. Aber heute ist die Diskussion über Rechte auf Eis gelegt worden und wir beschäftigen uns nur mit der quasi technischen Frage, wie wir unsere Existenz verteidigen. Wir fragen nicht: „Wofür kämpfen wir hier eigentlich, wenn wir um unsere Existenz kämpfen?“
Um sich wieder damit auseinanderzusetzen und einen Diskurs über Rechte zu beginnen, bedarf es eines nationalen und zionistischen Bewusstseins; es braucht eine Verpflichtung, die sich aus dem Schicksal und Rechten ergibt, und nicht nur darauf, dass wir im Land heimisch sind und nicht nur weil wir Sicherheit brauchen. Immerhin erstreckt sich unserer persönlich-nationale Vergangenheit nicht nur auf die Tage unseres Lebens; das tiefere Fundament, die Wurzelschicht, ist für die Diskussion des Palästinenserstaats superrelevant. Wir haben keinen Grund uns dessen zu schämen. Ganz im Gegenteil.
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